Gesellschaftliches Engagement mit Vorbildfunktion

Der Initiativkreis Ruhr als vielfältig gestaltende Kraft des Ruhrgebiets

Gesellschaftliches Engagement mit Vorbildfunktion

In einer Zeit, in der die gesellschaftlichen Veränderungen sowohl in ihrer Intensität als auch in ihrer Geschwindigkeit zunehmen, entsteht bei vielen Menschen der Eindruck, von den damit verbundenen (positiven) Veränderungen abgehängt zu werden. Hieraus folgt bei vielen die Sorge, dass sie weniger von den Wohlstandsgewinnen der Gesellschaft profitieren als andere. Um den damit verbundenen Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu begegnen, wird zunehmend der inklusive Anspruch allen wirtschaftlichen Handelns betont.Der Begriff des “Shareholder Value” gilt heute allgemein als Narrativ eines Irrwegs, der letztlich zu einer ökonomischen Überdehnung führte, weil das gesellschaftlich notwendige Korrektiv partizipatorischer Checks and Balances verneint wurde. Paul Collier, der britische Ökonom, fordert deshalb einen “Sozialen Kapitalismus”, dessen Wesensmerkmal durch einen “Geist der Zusammenarbeit und Loyalität” gekennzeichnet ist. Hierfür knüpft er an die besondere Verantwortung der “urbanen Eliten” an, zu denen er unter anderem die Vertreter der Wirtschaft zählt.Nun ist dieser Begriff vergleichsweise undifferenziert. Er bedarf folglich der Präzision, auch mit Blick auf die Operationalisierung möglicher Handlungsfelder. Eine Differenzierung mag nur dann unterbleiben, wenn sich der unbestimmte Gattungsbegriff der “Wirtschaft” vorliegend auf andere Weise nachvollziehbar konkretisieren lässt. Soweit eine Teilmenge betroffen ist, kann dies unter Bezugnahme auf den Initiativkreis Ruhr erfolgen. Als ein Zusammenschluss von über 70 Unternehmen privater und öffentlich-rechtlicher Trägerschaft steht er für einen kumulierten Umsatz von mehr als 630 Mrd. Euro und 2,25 Millionen Beschäftigte.Anders als herkömmliche Branchenverbände, die typischerweise um sich selbst kreisen, ist der Initiativkreis Ruhr ein ausschließlich der Gesellschaft seiner Region zugewandtes Bündnis. Insofern wiederholt er nicht nur die berühmte von Kennedy anlässlich seiner Amtseinführung am 20. Januar 1961 auf den Stufen des Kapitols gestellte Frage, sondern er beantwortet sie zugleich – sowohl mit dem ehrenamtlichen Engagement seiner Persönlichen Mitglieder als auch mit den finanziellen Ressourcen der Mitgliedsunternehmen.Sie haben sich stets einer besonderen Verantwortung gestellt. Sie ist historisch gewachsen, nicht nur aus Sicht der Unternehmen, sondern ebenso aus dem Blickwinkel anderer Anspruchsgruppen. Ihr war stets eine gesellschaftliche Dimension inhärent – lange bevor der zwischenzeitlich arg verwaschene Begriff der “Corporate Social Responsibility” seinen Einzug in glänzende Geschäftsberichte fand. Diese Verantwortung lautete, frei von jedem Pathos: Solidarität – abgeleitet vom lateinischen “solidus” im Sinne eines echten, festen Engagements mit dem Ziel, den Zusammenhalt aller in der Region nördlich der Ruhr zu fördern.Inhaltlich konzentriert sich der Initiativkreis deshalb auf die Förderung der Bereiche Wirtschaft, Bildung und Kultur. In jedem dieser Themenfelder lassen sich zahlreiche Beispiele für das benennen, was unter einem robusten, über Jahrzehnte tatsächlich gelebten gesellschaftlichen Engagement subsumiert werden kann, ohne im Abspann auf die Selbstverständlichkeit der Nachhaltigkeit verweisen zu müssen. Es würde allerdings den hier vorgegebenen Rahmen sprengen, ausführlich auf sie einzugehen.Ein Beispiel aus dem Bereich Wirtschaft, die Gründerinitiative, sowie ein Beispiel aus dem Bereich Kultur, das Klavier-Festival Ruhr, sollen jedoch Erwähnung finden, denn sie zeigen in anschaulicher Weise, wie das Engagement der Persönlichen Mitglieder sowie auch die finanziellen Ressourcen der Mitgliedsunternehmen zum Nutzen Dritter planmäßig ineinandergreifen.Die Gründerinitiative hat sich zum Ziel gesetzt, das Ruhrgebiet als attraktiven Standort für Gründer in Deutschland zu etablieren, um damit dauerhaft einen Beitrag zur Schaffung von Arbeitsplätzen und der Erzielung von Wohlstandsgewinnen zu leisten. Es ist ein Reflex auf ein Wort Alfred Herrhausens, einem der Gründerväter des Initiativkreises, der vor rund 30 Jahren formulierte: “Wir glauben an das Ruhrgebiet und möchten nicht mehr und nicht weniger, als dass sich andere diesem Glauben anschließen.”Integraler Bestandteil dieser Initiative ist der Gründerfonds Ruhr. Zwischenzeitlich durch Thyssenkrupp, Evonik Industries, die Signal Iduna Gruppe, die NRW.Bank, die RAG-Stiftung sowie die National-Bank mit knapp über 40 Mill. Euro ausgestattet, ist es sein Ziel, innovative Jungunternehmen mit überzeugenden Konzepten in der herausfordernden Anfangsphase beratend und finanziell zu unterstützen und ihnen Zugang zum Investorennetzwerk sowie dem stärksten regionalen Wirtschaftsbündnis in Europa zu verschaffen. Investiert wird in wachstumsstarke technologieorientierte Unternehmen, die ihren Geschäftssitz oder zumindest einen signifikanten Teil ihrer Geschäftstätigkeit im Ruhrgebiet haben. Im Fokus stehen Chemie und neue Werkstoffe, Energie und Industrie, Life-Science und Gesundheit, Logistik und Handel sowie digitale Wirtschaft.Es sind Bereiche, in denen die im Ruhrgebiet vertretenen Unternehmen über starke Profilierungen verfügen. Kompetenzbasiert sollen diese weiter geschärft werden. Ein Beirat aus Vertretern der Investoren sichert ein Maximum an Branchenexpertise. Zugleich entscheidet er über die einzelnen Investments. Bis zu 3,5 Mill. Euro können über die Laufzeit in Unternehmen der Früh- und Wachstumsphase investiert werden. Hervorragend für GründungenEs überrascht deshalb nicht, dass die Anzahl der Unternehmensgründungen zunimmt. Längst hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass das Ruhrgebiet ein hervorragender Ort für Gründungen ist. Dabei sind es weniger klassische Plattformmodelle, wie sie überwiegend in Berlin oder mit Blick auf die Fintechs in Frankfurt anzutreffen sind, sondern innovative Konzepte, die an industriellen Produktions- und Wertschöpfungsketten ansetzen und damit integraler Bestandteil der Industrie 4.0 sind.Es gibt aber auch Ausnahmen. So hat sich der Gründerfonds Ruhr vor wenigen Tagen gemeinsam mit anderen Investoren an dem Life-Science-Start-up Abalos Therapeutics beteiligt. Das junge Unternehmen ist auf virusbasierte Immuntherapien gegen Krebserkrankungen spezialisiert. Der besondere therapeutische Ansatz wurde in den Universitätskliniken Essen und Düsseldorf entwickelt. Er ermöglicht es, die volle Kraft des gesamten Immunsystems speziell gegen Krebszellen einzusetzen. Ziel ist es, durch die Vermehrung der Viren in Krebszellen die körpereigene angeborene und adaptive Immunantwort zu aktivieren. Hierdurch greifen alle relevanten Immunzelltypen spezifisch den Primärtumor sowie entfernt gelegene Metastasen an. Unterstützende MaßnahmenEs überrascht nicht, dass vor dem Hintergrund dieses und anderer Investments sowie einer gut gefüllten Pipeline Optionen für eine Erhöhung des Fondsvolumens in Betracht gezogen werden. Flankierend zum Gründerfonds wurde eine Vielzahl unterstützender Maßnahmen initiiert. Dazu zählt die unmittelbare Unterstützung der Persönlichen Mitglieder. Sie helfen den Gründern auf eine privilegierte Art und Weise mit ihrem Wissen, ihrer Erfahrung, ihrem Netzwerk und vielem mehr. Nicht zuletzt dadurch erhalten die Gründeraktivitäten, die durch zahlreiche Kommunikations- und Veranstaltungsformate wie Speed-Datings, Match-Makings, Reverse Pitches oder sogenannte FuckUp Nights abgerundet werden, eine hohe Glaubhaftigkeit.Dem Bereich Wirtschaft und hieraus der Gründerinitiative beziehungsweise dem Gründerfonds auf den ersten Blick diametral entgegenstehend ist der Bereich Kultur mit dem Klavier-Festival Ruhr. Er steht aber nur scheinbar entgegen, denn die Kultur impliziert ebenso wie die Wirtschaft einen Anspruch auf Teilhabe. Der Initiativkreis hat deshalb das von ihm vor mehr als 30 Jahren gegründete Klavier-Festival Ruhr, das zwischenzeitlich größte ausschließlich privat finanzierte Klavierfestival der Welt, als sein kulturelles Leitprojekt verankert und 2011 in eine Stiftung überführt.In einer einzigartigen musikalischen Konzentration präsentiert das Festival jährlich in rund 60 Veranstaltungen mit über 50 000 Besuchern international herausragende Künstler im Ruhrgebiet. Die großen Meister ihres Fachs wie Martha Argerich, Daniel Barenboim, Alfred Brendel, Hélène Grimaud, Lang Lang, Igor Levit, András Schiff oder Grigory Sokolov und andere folgen regelmäßig den Einladungen, um facettenreiche und individuell programmierte Konzerte zu gestalten. Aber auch vielversprechende Nachwuchspianisten, Wettbewerbssieger und Debütanten, deren Förderung dem Festival ein besonderes Anliegen ist, werden Jahr für Jahr eingeladen.Weil das Klavier-Festival Ruhr den Anspruch auf Teilhabe und Inklusion ebenfalls als Teil seiner DNA versteht, engagiert es sich seit 2006 mit einem innovativen und in der musikalisch-pädagogischen Früherziehung erfolgreich wirkenden Education-Programm. Schwerpunkte bilden dabei die “Little Piano School” beziehungsweise der “KlavierGarten” für Kinder von zwei bis sechs Jahren, die “Discovery Projects”, die die kreativen Fähigkeiten von Kindern und Jugendlichen mit unterschiedlichstem sozialen Hintergrund durch eine interdisziplinäre Herangehensweise fördern und das Projekt “KlavierModern – Contemporary Piano Music”, das der Vermittlung zeitgenössischer Klaviermusik gilt. Nach Preisen bei den Wettbewerben “Kinder zum Olymp” (2010) und “Deutschland – 365 Orte im Land der Ideen” (2010 und 2012) folgte 2014 der begehrte “Junge Ohren Preis” für das inklusive Projekt “Ein Jahr mit György Ligeti” und 2016 schließlich der “Echo Klassik”.Beide Beispiele, sowohl die Gründerinitiative als auch das Klavier-Festival Ruhr, zeigen anschaulich, was die Bündelung eines gesellschaftlichen Engagements verschiedener Unternehmen zu leisten vermag. Bei aller Bescheidenheit dürfte die Feststellung gerechtfertigt sein, dass es so etwas wie den Initiativkreis Ruhr in keiner anderen Region Deutschlands gibt. Wirtschaft, Bildung und Kultur als umfassende Handlungsfelder eines ebenso umfassenden gesellschaftlichen Engagements zu definieren, erfordert Mut, Ausdauer und ein hohes Maß an Solidarität. Der Initiativkreis Ruhr, die ihn tragenden Unternehmen sowie seine Persönlichen Mitglieder haben sich schon vor über 30 Jahren entschieden, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten. Bis heute haben sie ihn trotz vielfältiger eigener unternehmerischer Herausforderungen gleichermaßen konsequent und stringent fortgesetzt – mit einer starken Vorbildfunktion für andere. Thomas A. Lange, Vorstandsvorsitzender der National-Bank AG und Co-Moderator des Initiativkreises Ruhr