Kapitalanforderungen für Banken

Hertie School gibt Entwarnung bei Basel III

Die Kapitalregeln Basel III erhitzen die Gemüter. Die Hertie School gibt Entwarnung. Die Reform werde die Kapitalanforderungen für einige Banken erhöhen. Dies sollten die Institute indes verkraften können, heißt es in einem Papier.

Hertie School gibt Entwarnung bei Basel III

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Das Jacques Delors Centre der Hertie School gibt mit Blick auf die Effekte des Kapitalregelwerks Basel III Entwarnung. Der geplante Output Floor werde sich vorrangig auf Kredite an große Unternehmen ohne externes Rating auswirken, schreibt Sebastian Mack, der an der privaten Hochschule als Policy Fellow for European Financial Markets tätig ist, in einer aktuellen Ausarbeitung. Dies werde die Kapitalanforderungen für einige Banken erhöhen, Kredite an Unternehmen ohne Rating jedoch, wenn überhaupt, nicht wesentlich verteuern. Auch werde der Anstieg der Vorgaben für Banken verkraftbar sein.

Der Output Floor ist ein wesentliches Element der Baseler Reform und daher umstritten. Er schränkt den Spielraum von Banken bei der Berechnung des Eigenkapitalbedarfs mit internen Modellen empfindlich ein. Das Instrument sieht eine Harmonisierung vor: Der mit internen Modellen für eine Forderung errechnete Eigenkapitalbedarf muss demnach unabhängig vom Ergebnis mindestens 72,5% des per Kreditrisiko-Standardansatz ermittelten Volumens entsprechen. Banken wird somit also eine Grenze gesetzt, wie weit sie ihren Kapitalbedarf durch die Verwendung eigener Modelle drücken können.

Mit den Baseler Reformen erhöhen sich darüber hinaus nach einer bis 2032 reichenden Übergangsfrist die Kapitalanforderungen an Kredite an Mittelständler ohne externes Rating. Dies gilt vor allem in Deutschland mit seiner Vielzahl an kapitalmarktfernen Unternehmen als Problem. Mack zufolge aber gibt es keinen Beleg für die düsteren Prognosen aus der Kreditwirtschaft, dass dies höhere Finanzierungskosten und rückläufige Investitionen nach sich ziehen wird. Öffentliche Daten zu den Risikogewichten, die Banken Unternehmen ohne externes Rating zuordnen, seien nicht öffentlich, bemängelt er.

Eine aggregierte Sicht lege nahe, dass Banken einen entsprechenden Anstieg des Kapitalbedarfs mit Überschüssen andernorts ausgleichen könnten, meint er. Ähnlich hat unlängst Bundesbank-Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling im Interview der Börsen-Zeitung argumentiert: „Der überwiegende Teil der Kredite an mittelständische Unternehmen profitiert – Stand heute – weiter von der bisherigen Privilegierung auch ohne Rating“, sagt er. „Allenfalls für etwa 15 bis 20% der Kredite müsste ab 2032 mehr Kapital vorgehalten werden.“ Banken verfügten insgesamt über Überschusskapital von 165 Mrd. Euro, wovon Basel III nach Ablauf der Übergangsfristen etwa 20 Mrd. Euro binde.

3,18 Euro je 100 Euro gespart

Ohnehin genössen Banken mit internen Modellen auch nach einem Anstieg der Kapitalanforderungen durch den Output Floor gegenüber nach dem Standardansatz verfahrenden Instituten Erleichterungen, argumentiert Mack. So habe die EZB das durchschnittliche Risikogewicht der Banken für Forderungen an Unternehmen im zweiten Quartal auf 86,3% im Falle der Standardansatz-Banken und auf nur 46,6% im Falle der Banken mit internen Modellen beziffert. Damit sparten interne Modelle verwendende Banken pro 100 Euro Unternehmenskredit 3,18 Euro gegenüber Standardansatzbanken, rechnet er vor.

Sollten Banken tatsächlich ihre Zinssätze für Kredite an große Unternehmen ohne Rating heraufsetzen, würde dies zunächst einmal nur den Wettbewerbsvorteil der größeren Schuldner im Vergleich zu kleinen und mittelgroßen Unternehmen reduzieren, schreibt er. So liege der durchschnittliche Zinssatz für große Unternehmen laut EZB um rund 129 Basispunkte unter jenem, den Banken kleineren Firmen berechneten. Wie Mack ausführt, würde es ohnehin wenig helfen, alle EU-Unternehmen auf ein externes Kredit-Rating zu verpflichten. Nur ein geringer Anteil der Unternehmen verfüge über eine entsprechend hohe Bonität. Allerdings würde eine breitere Abdeckung durch Ratings die Banken mit zusätzlichen Informationen über Schuldner versorgen und somit mittelbar ihre Fähigkeiten im Risikomanagement verbessern.

Sich aus freien Stücken ein externes Kredit-Rating zuzulegen, kommt Bundesbank-Vorstand Wuermeling zufolge für das Gros der Mittelständler nicht in Frage: „Der Punkt ist vielmehr, dass viele kleine und mittlere Unternehmen aus nachvollziehbaren Gründen kein Interesse an einer Bewertung durch externe Anbieter haben“, erklärt er.

Zentralbank als Notengeber

Angaben der EU-Kommission zu­folge berechnen Ratingagenturen kleinen und mittelgroßen Unternehmen zwischen 40000 und 50000 Euro für ein Erst-Rating mit jährl­ichen Folgekosten von 30000 bis 35000 Euro, wie Mack darlegt. Auch scheuten Mittelständler davor zu­rück, ihre Daten offenzulegen. Mangels einer öffentlichen europäischen Ratingagentur macht sich Mack dafür stark, dass die nationalen Zentralbanken dem Beispiel der Banque de France folgen und öffentliche Rating-Register für große Unternehmen einrichten. So habe Frankreichs Zentralbank bereits mehr als 250000 Ratings für Firmen mit einem Umsatz von mehr als 750000 Euro erstellt, schreibt er. Sieben nationale Zentralbanken des Eurosystems haben Mack zufolge interne Systeme eingerichtet, um die Qualität von Kreditforderungen von Geschäftsbanken an Un­ternehmen zu bewerten, wenn diese als Sicherheiten für Refinanzierungsgeschäfte eingereicht werden. Nur die Banque de France habe jedoch eine Anerkennung als externe Ratinginstanz, so dass Banken diese Ratings zur Bestimmung von Risikogewichten einsetzen könnten.

Über ein internes Bewertungssystem für Sicherheiten im Rahmen von Geldmarktgeschäften verfügt auch die Bundesbank. Sie aber würde „eine Marktlösung bevorzugen“, wie Wuermeling erklärt. Man befürchte „einen gewissen Interessenskonflikt, wenn in dem einen Büro der Bundesbank ein Rating erstellt und dieses im Nachbarbüro von den Aufsehern verwandt wird“.