Gewerbliche Immobilienfinanzierung als Krisenherd
Ausländische Investoren interessiert an faulen Krediten
Mehr Möglichkeiten in Deutschland als in Italien – Gewerbliche Immobilienkredite sind häufiger notleidend – Dennoch ist das Niveau noch immer niedrig
Von Thomas List, Frankfurt
Ende 2024 lag das NPL-Volumen der deutschen Banken bei 46,6 Mrd. Euro, 23% mehr als ein Jahr zuvor, wie aus Daten der europäischen Bankenaufsicht hervorgeht. Im Rahmen des NPL-Barometers der Bundesvereinigung Kreditkauf und Servicing (BKS) befragte Risikomanager von Banken erwarten in ihrer Mehrheit (72%) bis Ende dieses Jahres 40 Mrd. bis 50 Mrd. Euro. Für 2026 könnten es sogar 50 bis 60 Mrd. Euro werden, äußern sich 44%. „Der Krisenherd ist die gewerbliche Immobilienfinanzierung“, sagt Clifford Tjiok, Chief Commercial Officer beim Kreditservicer Loancos, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Dort ist die NPL-Quote von Ende 2023 bis Ende 2024 von 4,8 auf 5,9% gestiegen.“

Loancos GmbH
Krisenstimmung bleibt aus
„Für die Banken ist das alles noch manageable“, betont Timur Peters, Geschäftsführer der Kredithandelsplattform Debitos. „Es geht um kleinere und mittlere Transaktionen zwischen 5 Mill. und 200 Mill. Euro, die teilweise auch nur aus Einzelkrediten bestehen.“ Der Investorenmarkt sei inzwischen wieder da. „Bei den Banken kommt daher keine richtige Krisenstimmung auf.“ Manche Bank zögere noch, Kredite als notleidend zu klassifizieren. „Da ist die hausinterne Betrachtung der Immobilienwerte maßgeblich. Außerdem bestehen Spielräume, nach welcher Methodik man bei einer Neubewertung vorgehen kann“, ergänzt Thomas Spulak, Executive Director der Loancos-Tochter Proceed Portfolio Services (PPS).

Debitos GmbH
Keine Lösung von allein
„Wir prüfen im Moment Kredite über mehrere Hundert Millionen Euro“, so Spulak. „In diesen Fällen haben die Banken die Fantasie verloren, dass sich die Fälle von allein lösen. Das kann an Problemen mit der Fertigstellung liegen oder an einem signifikanten Leerstand durch den Auszug eines Hauptmieters.“ Abgebende Institute sind eher regionale Sparkassen und Volksbanken. Größere Banken haben häufig eigene Workout-Abteilungen.
Wenn ein Syndikatspartner aussteigen will
Bei Kreditsyndikaten im unteren dreistelligen Millionen-Euro-Bereich will einer der fünf oder sechs Finanzinvestoren, der zum Beispiel 25 Mill. Euro gezeichnet hat, aussteigen, erläutert Peters eine typische Konstellation. „Das sind häufig internationale Investoren, die mit dem lokalen Geschehen nicht so viel anfangen können.“
Backstop erhöht den Druck
Oft werden solche Tranchen dann an andere Syndizierungspartner oder an Dritte übertragen. „Das geht mit den in Deutschland weit verbreiteten Schuldschein-Strukturen aufgrund vergleichsweise geringerer regulatorischer Anforderungen relativ einfach.“ Mitte 2021 wurde die Capital Requirements Regulation (CRR) um einen sogenannten NPL-Backstop erweitert.
Danach müssen Banken ihre NPL innerhalb bestimmter Fristen mit steigenden Prozentsätzen abschreiben. Unbesicherte Kredite sind nach spätestens drei Jahren vollständig wertzuberichtigen. Bei immobilienbesicherten Krediten gilt dies erst nach neun Jahren, bei anderweitig besicherten Krediten nach spätestens sieben Jahren. Dies erhöht den Druck auf die Banken, notleidende Forderungen eher früher als später zu verkaufen.

Proceed Portfolio Services GmbH
Die Regulierung und das seit Ende 2023 geltende Kreditzweitmarktgesetz haben viele Investoren ohne Banklizenz vom Markt ausgeschlossen. „Die Unsicherheit war sowohl bei den abgebenden Banken als auch bei Finanzinvestoren von internationalen Private-Equity-Häusern bis zu lokalen Immobilieninvestoren groß, wie sie das Thema lösen sollen“, sagt Spulak. Die Lösung waren für die jeweiligen Märkte Kreditdienstleister für das Management der Forderungen, so wie in Deutschland Loancos. „Dadurch hat sich der Investorenkreis wieder deutlich verbreitert.“ Loancos verfügt seit 2024 über zwei Servicing-Lizenzen (Loancos GmbH und PPS).
Der Markt hat sich deutlich gewandelt
Früher gab es einige wenige Großinvestoren vor allem aus den USA, die Portfolien gekauft haben. „Heute sieht der Markt ganz anders aus. Es gibt viel mehr kleinere und mittlere, hoch spezialisierte Investoren mit Sitz in London und anderen europäischen Ländern“, sagt Peters. „Auf unserer Plattform gab es 2024 relativ viele Transaktionen im Schuldscheinsektor. Seit Anfang dieses Jahres geben Banken mit Gewerbeimmobilienkrediten ziemlich viel auf die Plattform. Ich erwarte da noch einiges mehr.“ Es meldeten sich viele ausländische Investoren, die jetzt mehr Möglichkeiten in Deutschland sehen würden als in Italien oder Griechenland. „Inzwischen gibt es in nordeuropäischen Ländern mit ihren stark gehebelten Gewerbeimmobilienkrediten, kurzer Laufzeit und Zinsbindung mehr Probleme als im Süden. Das Nord-Süd-Gefälle hat sich gedreht.“

Spulak beobachtet vermehrt deutsche Immobilieninvestoren, die sich direkt mit ihren lokalen Banken in Verbindung setzen und auch selbst am Objekt, dessen Finanzierung sie übernommen haben, aktiv werden. „Wir als PPS werden dann angefragt, ob wir den Servicer-Part übernehmen können.“
Direkter Zugang
Durch die im Mai geschlossene Kooperation zwischen Debitos und Loancos erhalten Investoren, die auf der Debitos-Plattform handeln wollen, einen direkten Zugang zu einem BaFin-lizenzierten Servicer. Wie wichtig das sein kann, erläutert Peters anhand einer Befragung der mehr als 2.000 institutionellen Investoren aus 16 Ländern, die auf der Debitos-Plattform aktiv sind. Dabei zeigten mehr als 775 Interesse an Investitionen in Deutschland. „Vielleicht 20 bis 30 werden bereits eine Vertragsbeziehung zu einem lokalen Servicer haben“, so Peters. Für Tjiok ist es „total wichtig, dieses zusätzliche Investorenkapital für den deutschen Markt zu erschließen und so auch mehr Liquidität für die Verkäufer zu schaffen.“
Die Zahl der notleidenden Kredite (Non-Performing Loans, NPL) ist gestiegen. Dieser Trend dürfte anhalten. Das gilt in verstärktem Maß für gewerbliche Immobilienkredite. Für solche Kredite interessieren sich zunehmend auch ausländische Investoren.