Markus Eberle

„Jeder nach­richten­lose Tag ist positiv für Credit-Suisse-Aktie“

Greensill-Pleite, Archegos-Pleite, Kundenflucht, Fachkräfteflucht: Die schlechten Nachrichten rund um die Credit Suisse reißen nicht ab. Der Investor Markus Eberle zeigt sich gleichwohl optimistisch.

„Jeder nach­richten­lose Tag ist positiv für Credit-Suisse-Aktie“

Wohin steuert die Credit Suisse? Die bange Frage treibt Kunden, Mitarbeitende und nicht zuletzt die Aktionäre seit Monaten um. Soeben hat die ehemals größte Credit-Suisse-Aktionärin, die US-Investmentgesellschaft Harris Associates, ihren definitiven Ausstieg bekannt gemacht. Der Zürcher Investor Markus Eberle zerbricht sich darüber nicht den Kopf: „Der Restverkauf zu historischen Tiefkursen am Ende einer langen und stark negativen Gesamtperformance gleicht einer Kapitulation, die uns verbliebenen Aktionären eher Mut machen sollte.“

Der 58-Jährige ist seit 1989 im Schweizer Aktienmarkt aktiv. Als einstiger „OZ“-Banker, einer Tochterfirma von Martin Ebners ehemaliger BZ Gruppe, erlebte er hautnah die erfolgreichsten Jahre von dessen Shareholder-Aktivismus, der in den 1990er Jahren Großkonzerne wie UBS, ABB, Roche oder eben auch Credit Suisse in Unruhe versetzte.

Inzwischen ist Eberle Miteigentümer und Vizepräsident der Beteiligungsfirma Nebag, die auf Anlagen in nicht börsenkotierte Schweizer Unternehmen spezialisiert ist. Die Credit-Suisse-Saga verfolgt er aus der nüchternen Perspektive eines Marktteilnehmers, der aus Erfahrung weiß, dass Krisen in der Firmenwelt nicht immer gut ausgehen müssen.

„Über das Harris-Manöver sollte sich die Investorengemeinde eine eigene Meinung bilden“, sagt Eberle angesprochen auf den Umstand, dass Harris-Anlagechef David Herro die Credit Suisse nur zehn Tage vor dem Abverkauf noch öffentlich als Übernahmekandidatin bezeichnet hatte. „Die große Mehrheit der Aktionärinnen und Aktionäre würde – wie ich selbst – eine Übernahme zu aktuellen Marktpreisen nie akzeptieren“, kommentiert er den auffallend lauten Abschied des einstigen Mitaktionärs.

In der Krise Aktien gekauft

Der ausgefuchste Investment-Profi vermag das schlimmstmögliche Szenario für die Bank zwar nicht ausschließen. Trotzdem hat er sich im November, also anlässlich der letzten Kapitalerhöhung der Großbank, in die Reihe der Optimisten gestellt und via Bezugsrechte Aktien erworben – zu einem Preis, der etwa dem derzeitigen Börsenkurs entspricht. „Andere Bankaktien haben vom aktuellen Zinsumfeld profitiert und sind viel besser gelaufen“, räumt er ein. Mehr noch als in Aktien habe er in hybride Anleihen der Bank investiert. Deren Kurse seien seither deutlich gestiegen, was aus Sicht des Gesamtrisikos für Investoren positiv zu werten sei. „Aber Geduld ist auf jeden Fall angebracht.“

Der historisch tiefe Aktienkurs bewerte die Investmentbank der Credit Suisse mit einem deutlichen Malus, erklärt er sein riskantes Investment. Gelinge es der Credit Suisse, die Investmentbank unter Führung von Michael Klein mit neuem Investorengeld auszustatten und wieder profitabel zu machen, verwandele sich der Malus in einen positiven Wert. „Wichtig ist, dass wir als Credit-Suisse-Aktionäre auch nach dieser Wende mit einem großen Anteil an der Investmentbank beteiligt bleiben.“

Eberle ist lange genug im Geschäft, um zu wissen, dass die erhoffte Wende auch misslingen kann. Darüber spekulieren mag er aber nicht: „Es ist nicht angebracht, im gegenwärtigen Umfeld derartige Befürchtungen zu äußern. Jetzt geht es darum, mit dem neuen Kapital und den neuen Aktionären die beschlossene Strategie effizient umzusetzen.“

Allerdings fließen die Profite aus dem Zinsgeschäft, wie sie die meisten Banken im Zug der steigenden Leitzinsen gerade in die eigenen Kassen lenken, an der Credit Suisse vorbei. Die Bank verlor im vergangenen Jahr Kundengeld in Höhe von über 120 Mrd. sfr . Sie musste die abgeflossene Liquidität durch die Ausgabe von Anleihen ersetzen und den Investoren das Risiko mit sehr hohen Zinsen abgelten, die im laufenden Jahr um die 500 Mill. sfr verschlingen werden. „Natürlich gehen der Bank so ein Teil der verbesserten Zinsmargen verloren. Aber sie wird alles tun, die Anleihen möglichst schnell zurückzuzahlen, sobald das Geschäft stabilisiert ist“, glaubt Eberle.

Kampf um Talente

So weit ist die Bank aber noch lange nicht. „Schade, dass vor einem Monat die 900 Mill. sfr schwere Platzierung von 2,7 Millionen Roche-Inhaberaktien nicht über die historisch mit Roche verbundene Credit Suisse, sondern über die UBS abgewickelt wurde“, bedauert Eberle und gibt damit ein anschauliches Beispiel, wie der Bank mit dem Verlust von Schlüsselangestellten auch substanzielle­s Geschäft abhanden kommt.

Ein Rezept, wie das Credit-Suisse-Management die besten Talente halten könnte hat auch Eberle nicht. „Leider scheint es, dass sich viele Talente nur mit finanziellen Zusatzanreizen binden lassen. Dabei wäre es doch ein besonderer Stolz, den Turnaround dieser traditionsreichen Schweizer Bank mitgestalten zu dürfen“, meint er. „Der stabile Anker in der Gruppe ist und bleibt das Schweizer Geschäft und Führung von André Helfenstein“, sagt Eberle und macht damit auch klar, welchen Namen er definitiv nicht unter den derzeitigen Austrittskandidaten zu finden hofft.

Schlechte Nachrichten wie die scharfe Greensill-Rüge der Finanzmarktaufsicht Finma von vergangener Woche werden bei der Credit Suisse in absehbarer Zeit an der Tagesordnung bleiben. So steht der Bank auch die Rüge zum 5 Mrd. Dollar schweren Verlust aus einem völlig aus dem Ruder gelaufenen Kreditgeschäft mit dem US-Hedgefonds Archegos noch bevor. „Im Fall Archegos hat das Risikomanagement bei vielen Banken versagt“, sagt Eberle.

Negativ aufgefallen sei die Bank mit dem Ausstieg aus dem Archegos-Engagement. Der Abbau der Risiken sei zu spät und der Verkauf der als Sicherheiten für den offenen Kredit übernommenen Wertpapiere zum ungünstigsten Zeitpunkt erfolgt. Mit Eberles nüchterner Feststellung verbindet sich nicht nur die klare Erwartung an den Amerikaner Michael Klein, die Investmentbank mit fähigem Personal zu besetzten. Die Feststellung bekräftigt auch seine Devise: „Jeder nachrichtenlose Tag ist positiv für die Credit-Suisse-Aktie.“

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