Corporate Banking

J.P. Morgan legt in Europa zu

J.P. Morgan berichtet von strammem Wachstum im europäischen Corporate Banking in den beiden vergangenen Jahren. Die momentane Unsicherheit lässt im Firmenkundengeschäft die Kasse klingeln.

J.P. Morgan legt in Europa zu

Von Bernd Neubacher, Frankfurt

Unterkomplex war die Steuerung großer Unternehmen selten; im Moment allerdings erfordert die Na­vigation angesichts von Inflation, beschädigten Lieferketten, der Pandemie, einer nahenden Zinswende, des Ukraine-Krieges sowie vermehrter Volatilität in besonderem Maße Köpfchen. Neben den Schwankungen der Devisenkurse steht für die Unternehmen derzeit die Verlässlichkeit der Lieferkette im Vordergrund, wie die Corporate Banker bei J.P. Morgan Chase berichten.

Wo es dort an Robustheit mangele, strebten die Unternehmen größere Flexibilität an. Zudem überprüften sie ihre Lagerbestände. All dies erhöhe den Bedarf an Betriebskapital. In der Finanzierung sei dann freilich nicht der 30-jährige Bond gefragt, sondern eher traditionelle Produkte zur Finanzierung des Lagerbestands oder der Lieferkette. Stabilität ist Trumpf.

In besonderem Maße angezogen hat demnach die Nachfrage im Energiesektor. Die Preissprünge dort treiben den entsprechenden Finanzierungsbedarf. Für eine Großbank muss eine solche Lage nicht schlecht sein, lässt sie doch auf Seiten der Treasurer in Unternehmen die Nachfrage nach Beratung und Produkten klettern.

Klumpenrisiken drohen

Zugleich nimmt im Kreditgeschäft allerdings die Gefahr von Klumpenrisiken in den Portfolios der Banken zu. Vor diesem Hintergrund müssen die Institute Vorsicht walten lassen, wie sie ihr Kapital allokieren, wie Lutz Karl, Head Global Corporate Bank Germany, Austria und Switzerland bei J.P. Morgan Chase, der Börsen-Zeitung sagt. Unternehmen fragten sich unterdessen zunehmend, ob sie über die richtige Zusammensetzung ihrer Bankbeziehungen verfügten. In dieser Hinsicht sei eine Flucht in Qualität zu beobachten. Gesucht seien Gegenparteien, die auch in zehn Jahren noch da sein würden.

Im europäischen Corporate-Banking-Geschäft von J.P. Morgan Chase, in welchem die Bank ihre Aktivitäten mit großen Unternehmen und Finanzinstituten sowie mit der öffentlichen Hand zusammengefasst hat, haben die Erträge in den beiden vergangenen Jahren um insgesamt 30% angezogen, wie Marcus Hiseman, Head of EMEA Corporate Banking, berichtet.

Vor allem in den Geschäftsbereichen Treasury Services sowie im Zahlungsverkehr herrscht derzeit Konjunktur. J.P. Morgan Chase hat dort eigenen Angaben zufolge Marktanteile gewonnen. Die Bank forciert diese Aktivitäten ohnehin, weil dort stabilere Erträge locken als im eher episodischen M&A-Geschäft.

Die Folgen der Verunsicherung, die derzeit in den Banken die Kasse klingeln lassen, verheißen langfristig gleichwohl nichts Gutes. „Auf lange Sicht könnten wir eine Verschlechterung der Kreditqualität sehen, während die Margen sinken“, sagt Hiseman . Gerade Unternehmen aus energieintensiven Sektoren dürfte es schwerfallen, ihre Input-Kosten niedrig zu halten bzw. erhöhte Produktionskosten vollständig weiterzureichen.

Noch aber ist der Punkt, an dem die auf längere Sicht negativen Effekte für das Corporate Banking die kurzfristigen Vorteile überwiegen, für J.P. Morgan Chase nicht erreicht. „Große MDax-Gesellschaften haben gewöhnlich mehr Stabilität als ein mittelgroßes Unternehmen“, gibt Karl zu bedenken. Mit Blick auf die Bundesrepublik stellt der Manager zudem heraus, dass in Deutschland im Gegensatz zu anderen Staaten nicht solche Energieriesen wie Shell und BP oder große Rohstoffhändler ihren Sitz haben. Hiseman unterstreicht zudem den „guten Zustand“ der großen Unternehmen hierzulande. Sie hätten aus der Finanzkrise ihre Lehren gezogen, die Zeit der niedrigen Zinsen gut zu nutzen gewusst und die Laufzeiten ihrer Refinanzierung beizeiten verlängert. Dennoch ist klar: „So stark wie derzeit war der Fokus der Unternehmen auf operationelle Themen schon lange nicht mehr“, stellt Hiseman fest. „Geopolitik und Inflation sind die Themen, die unseren Kunden derzeit am meisten Sorgen bereiten.“

Mit Blick auf die Teuerung und die zugleich vom Ukraine-Krieg ausgehenden Konjunkturrisiken spricht er zugleich von einer „großen Herausforderung für die Zentralbanken“. Das Quantitative Easing der Notenbanken habe lange Zeit die Ausschläge der Kurse unterdrückt. Nun kehrten sie zurück. Für den Manager steht fest: „Wir müssen uns auf eine höhere Volatilität gefasst machen.“ Die Kunden seien sich der Risiken von Schwankungen im Devisenmarkt sehr wohl bewusst, berichtet Hiseman mit Blick auf die jüngste Rally des Dollar.

Zahl der Stellen steigt

Die Zahl der Beschäftigten im europäischen Corporate Banking von J.P. Morgan hat sich Hiseman und Karl zufolge in beiden Jahren um jeweils 5% erhöht und soll im selben Tempo weiter zulegen. Zugleich betonen die Manager, dass der Konzern vor allem auf seine spartenübergreifenden Expertise in einem globalen Maßstab setzt. Hiseman: „Würde ich als Treasurer eine M&A-Transaktion planen, würde ich mich für eine Bank entscheiden, die genau weiß, was weltweit im Markt läuft.“

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