Fintech

Kaum noch Megarunden in Fintech

Das erste Halbjahr im Fintech-Funding steckte voller Tristesse: Das Volumen sank um knapp die Hälfte.

Kaum noch Megarunden in Fintech

Fintech-Funding schmiert um die Hälfte ab

Daten von S&P zeigen globalen Rückgang im ersten Halbjahr – Big-Ticket-Deals wie Stripe retten die Bilanz

Ohne die Megarunde von Stripe wäre die Tristesse im Funding noch größer gewesen: Das Volumen der Finanzierungen für Fintechs schrumpft empfindlich. Insbesondere reife Start-ups müssen Federn lassen im ersten Halbjahr. Ein Hoffnungsschimmer ist, dass die Kurse von börsennotierten Fintechs anziehen.

bg Frankfurt

Der Abwärtstrend im globalen Fintech-Sektor hat sich im ersten Halbjahr 2023 fortgesetzt. Daten von S&P zeigen, dass Venture Capital im Umfang von lediglich 23 Mrd. Dollar aufgenommen wurde, was einen Rückgang von 49% verglichen mit dem Vorjahreszeitraum ausmacht. Dabei nahm das durchschnittliche Volumen der Finanzierungsrunden bei Seed und Early Stage noch um moderate 12 bzw. 14% ab. In späteren Growth-Phasen betragen die Rückgänge 43% bis 66%.

Kleinere Brötchen backen

Das signalisiert, dass hier zum einen derzeit nicht mit dem Exit-Kanal Börsengang gerechnet wird. Zum anderen hatten gerade reife Fintechs auf dem Höhepunkt des “hype cycle” sehr hohe Bewertungen erzielt, die nun kaum aufrechtzuerhalten sind. Und da sich Gründer nicht gerne zu stark verwässern lassen, verzichten sie auf Funding oder machen kleinere Brückenfinanzierungen mit Bestandsinvestoren, um dann mit Erreichen der Gewinnzone oder anderer KPIs später zu höherer Bewertung in die Finanzierung zu gehen.

Am stärksten wirkt sich die Dürreperiode auf die Zahl der Deals aus: Hier gab es einen Rückgang um 64% auf nur noch 1.178 Transaktionen. Das zeigt, dass sich die Venture-Fonds quer über alle Phasen mit dem Funding zurückhalten und zuvorderst bestehende Beteiligungen durchfüttern. Im zweiten Quartal nahm die Zahl der Deals gegenüber dem Vorquartal sogar noch mal ab. Experten weisen darauf hin, dass die Pleite der Silicon Valley Bank (SVB) sich zusätzlich dämpfend auf den Appetit der Investoren ausgewirkt habe. Die SVB war (und ist) sehr wichtig für das Start-up-Ökosystem nicht nur in den USA. Derzeit versucht das neue SVB-Management, Liquidität von staatlichen Stellen wie der FDIC loszueisen.

Dürre bei Megarunden

Megarunden über 100 Mill. Dollar werden auch immer seltener. Den Daten zufolge gab es im ersten Quartal 23 Stück und dann im zweiten Abschnitt nur noch neun – nach 55 Megarunden im bereits krisengeprägten zweiten Quartal 2022. Nichts dürfte den Absturz des Sektors so gut illustrieren wie diese Kennziffer, waren es doch die publikumswirksamen Megarunden mit Milliardenbewertungen, die eine positive Eigendynamik annahmen und den Sektor im Hype 2021 auf immer höhere Bewertungen trieben. Dabei waren viele Investoren von FOMO (Fear Of Missing Out) getrieben und zeichneten zu hohe Bewertungen, um dabei zu sein beim nächsten heißen Trend.

Davon kann heute keine Rede mehr sein. Die Investoren halten ihr Pulver trocken und verlangen häufig Sonderbedingungen, wenn sie sich denn zu einer Finanzierung durchringen. Dabei werden dann Garantien und prioritäre Zuteilungen für den Fall eines IPO oder Trade Sale vereinbart. Das benachteiligt aber die Early-Stage-Investoren, was zu Knatsch im Sektor führt. Im Prinzip verlangt das Gebaren mit Exit-Garantien nach einem regulatorischem Eingriff.

Die Megarunde des ersten Halbjahres wurde von Stripe absolviert. Mitte März nahm das Payment-Fintech 6,5 Mrd. Dollar auf zu einer Bewertung von 50 Mrd. Dollar. Das sieht allerdings nur auf den ersten Blick großartig aus. Denn zum einen war Stripe bereits mit 95 Mrd. Dollar bewertet und kurz vor Abschluss der Runde auf etwa 60 Mrd. Dollar taxiert worden, allerdings bei geringerem Fundingvolumen. Zum anderen dienen die frischen Mittel nicht dem Wachstum, sondern dem Stopfen von Löchern bei der mit Aktien und Aktienoptionen vollgesogenen Belegschaft.

Stripe dreht ein großes Rad

Denn bei denen sind Steuerverpflichtungen aufgelaufen aus ihren Aktien und Aktienobligationen. Um das zu begradigen, musste Stripe den Mitarbeitern ihre alten Aktien abkaufen, um die Verwässerung durch die neuen Aktien auszugleichen. Zudem wurden Altaktionäre mit Liquidität ausgestattet, damit diese ihre Aktien nicht verkaufen müssen. Dass auch für Stripe die Bäume nicht in den Himmel wachsen, zeigte sich im November 2022, als man sich mit 1.120 Leuten von 14% der Belegschaft trennte. Auf der Plusseite ist allerdings zu verbuchen, dass Stripe bei ihrem jüngsten Funding mit GIC, Goldman und Temasek drei neue Investoren begrüßen durfte.

Ebenfalls positiv ist, dass sich bei den Bewertungen eine zarte Trendwende abzeichnet. Pitchbook zufolge haben die Kurse von notierten Fintechs im zweiten Quartal um gut 21% angezogen, womit eine Benchmark wie die Nasdaq deutlich überflügelt wurde. Die Pitchbook-Experten beobachten eine deutlich verbesserte Fintech-Profitabilität sowie die Aufnahme von M&A-Aktivitäten. Da sticht die Akquisition von Robinhood ins Auge: Der Neobroker erwarb X1 für 95 Mill. Dollar. X1 hat eine Kreditkarte entworfen, wo man die gesammelten Bonuspunkte für Mini-Aktienkäufe verwenden kann.

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