Krimi am Finanzplatz Hongkong

Chinas Sicherheitsgesetz zieht Kreise - US-Sanktionen bringen Banken noch mehr in die Bredouille

Krimi am Finanzplatz Hongkong

Im Schlagabtausch zwischen China und den USA über die Folgen des chinesischen Sicherheitsgesetzes für Hongkong wissen die Finanzinstitute der Metropole nicht mehr, was sie tun sollen. Die Bedienung von verschiedenen Kundenkreisen führt je nach Auslegung von chinesischen Gesetzesstatuten und US-Sanktionsmechanismen zu rechtlichen Verwicklungen. Von Norbert Hellmann, SchanghaiEs ist unübersichtlich geworden am Hongkonger Finanzplatz, sehr unübersichtlich, seitdem China Anfang Juli via ein infames Sicherheitsgesetz den jahrzehntelang strikt gewahrten Autonomiestatus und die weltweit gerühmten Freiheiten der chinesischen Sonderverwaltungszone mit einem Handstreich zunichtegemacht hat. Nun überschlagen sich die USA mit Sanktionen, die in der Sache gegen China gerichtet sein sollen, de facto aber den schützenswerten Finanzplatz in Hongkong schwer beeinträchtigen.China antwortet seinerseits mit Sanktionsmaßnahmen gegen US-Politiker und nötigt gerade die wichtigsten und global aufgestellten Banken mit umfangreichem Hongkong-Geschäft, HSBC und Standard Chartered, mit wenig dezenten Drohungen dazu, sich plakativ als Befürworter des Sicherheitsgesetzes und Gegner der Demokratiebewegung in Hongkong zu outen. Nicht nur HSBC betroffenDie jüngsten Entwicklungen im erbitterten Schlagabtausch zwischen USA und China rund um das immer härter greifende Sicherheitsgesetz und Hongkongs Autonomieverlust bringt nicht nur HSBC und Standard Chartered in Schwierigkeiten. Mittlerweile müssen sich praktisch alle Finanzinstitute von Groß- und Kleinbanken über Fondsmanager, Brokerhäuser und Versicherer Gedanken darüber machen, ob sie mit der Bedienung ihres Kundenkreises etwa in den USA oder bei der zur China-Marionette degenerierten Hongkonger Regierung anecken. Blick auf DemonstrantenAber der Reihe nach: In den vergangenen sechs Wochen nach Einführung des Sicherheitsgesetzes und den von ihm kodifizierten Straftatbeständen Subversion, Sezession, Terrorismus und Kollaboration mit ausländischen Kräften haben Finanzinstitute mit Hongkonger Kundenkreis fieberhafte Recherchen dahingehend angestellt, ob sie in Geschäftsverbindung mit besonders prominenten Mitgliedern der Hongkonger Demokratie- und Protestbewegung stehen, weil sie befürchten, dass ihnen daraus ein Strick gedreht werden kann. Schließlich könnten sie sonst auf Basis des drakonischen Sicherheitsgesetzes wegen Terroristen- oder Sezessionisten-Finanzierung rechtlich belangt werden. Drohmittel Hasskampagne Schlimmer noch hat China bereits insinuiert, dass diese Institute einer Hass- und Boykottkampagne auf dem chinesischen Festland ausgesetzt werden könnten, die ihr Hongkonger Geschäft mit der wichtigen festlandchinesischen Klientel einerseits und ihren eigenen Auftritt auf dem chinesischen Festland andererseits kompromittieren könnte. Das völlig obskur formulierte Gesetz erlaubt es einerseits keinem Institut, sich auf der sicheren Seite zu fühlen. In China wiederum befindet man sich in einem von der Partei so stark überformten Rechtsraum, dass man der politischen Willkür Pekings hoffnungslos ausgesetzt ist.Eine bereits heikle Situation wird nun noch wesentlich verkompliziert, seitdem die USA jüngst am Freitag Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam, den Leiter des chinesischen Verbindungsbüros sowie weitere ranghohe Vertreter der chinesischen Sonderverwaltungszone und der Volksrepublik auf eine Sanktionsliste gesetzt haben. Zur Begründung hieß es, Lam sei direkt verantwortlich für die Umsetzung der Politik Pekings zur Unterdrückung von Freiheit und demokratischen Prozessen in Hongkong. Die Sanktionen beinhalten unter anderem einen Ausschluss der betroffenen Personen von jeglicher Berührung mit dem US-Finanzsystem.Lam und ihre Kollegen mögen, wie sie beteuern, sowieso keine Kundenbeziehung mit US-Finanzhäusern haben, aber ganz so einfach ist die Chose nicht. Nach amerikanischer Auslegung können nämlich auch ausländische Finanzinstitute, die in irgendeiner Form in den USA tätig sind, zum Kreis der Häuser gerechnet werden, die sich nun Gedanken über ihre Kundenbeziehungen mit von den USA angefeindeten Individuen machen beziehungsweise diese vermeiden müssen. Wenn Hongkonger Finanzinstitute jedoch die sicherlich künftig noch weiter anwachsende Sanktionsliste zum Anlass nehmen, sich von hochrangigen Kunden zu trennen, laufen sie Gefahr, gegen Hongkonger Auflagen zu verstoßen und schlimmer noch einen Shitstorm auf dem chinesischen Festland loszutreten.Seitens der Hongkonger Regierung und der Quasi-Zentralbank Hong Kong Monetary Authority (HKMA) beeilt man sich gegenüber der Finanzbranche zu versichern, dass die unilateral von den USA verhängten Sanktionen keinerlei Rechtsbasis in Hongkong haben und keinerlei Compliance erfordern. Das soll beruhigend klingen, aber dürfte betroffene Finanzhäuser keineswegs überzeugen, dass sie damit gegen ihrerseits kaum berechenbare amerikanische Strafmaßnahmen gefeit sind. Zwischen allen StühlenAuch die HKMA und Finanzstaatssekretär Paul Chan als wichtigste Finanzplatzhüter sitzen nun zwischen allen Stühlen. Natürlich müssen sie die Branche dazu auffordern, den US-Sanktionen nicht Folge zu leisten, sonst kriegen sie Ärger mit Peking. Gleichzeitig aber setzen sie wichtige Finanzplatzadressen der Gefahr aus, in die Mühlen der US-Justiz zu geraten und globale Geschäftsbeziehungen zu gefährden. Als einzige Gewissheit kann wohl gelten, dass Hongkonger Rechtsberater neuen Kundenzulauf bekommen.