Aufsicht

Lagarde warnt vor Klima- und Cyberrisiken

EZB-Präsidentin Christine Lagarde hat in der Jahreskonferenz des Systemrisikorats ESRB vor den Gefahren gewarnt, die durch Klimawandel und Cyberangriffe für die Finanzstabilität ausgehen können.

Lagarde warnt vor Klima- und Cyberrisiken

fir Frankfurt

– Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, hat den Klimawandel und Cybervorfälle unter den vielen Risiken hervorgehoben, denen sich Finanzinstitute gegenübersehen. Als komplexe, globale Phänomene, die nicht an Grenzen Halt machten, könnten sie sich schädlich auf Banken, Versicherungen, Fondsgesellschaften und die Finanzmärkte auswirken und so die Finanzstabilität untergraben, warnte Lagarde anlässlich der Eröffnung der fünften Jahreskonferenz des europäischen Systemrisikorats (ESRB).

Risikoreiche Kreditportfolien

Der Klimawandel bedrohe die Widerstandsfähigkeit des Finanzsektors, der wiederum eine entscheidende Rolle bei der Transformation hin zu einer nachhaltigen Gesellschaft spiele, sagte Lagarde. Physische wie Transitionsrisiken seien bei einzelnen Banken konzentriert, verdeutlichte sie. Beispielsweise seien 70% der Kreditengagements gegenüber Firmen, die hohen oder zunehmenden physischen Klimarisiken wie durch Hochwasser oder Hitze ausgesetzt sind, in den Portfolien von 25 Banken in der Eurozone konzentriert. Bei sieben dieser Banken machten solche Engagements mehr als ein Zehntel ihrer Bilanzsumme aus.

Wie stark sich der Klimawandel auf die Finanzstabilität auswirkt, hängt ihres Erachtens aber davon ab, ob es gelingt, die extremsten Klimaszenarien zu vermeiden und einen geordneten Übergang zu schaffen. „Welchen Weg wir einschlagen, liegt im Moment noch in unserer eigenen Hand“, erklärte die EZB-Präsidentin, die auch dem beschlussfassenden Verwaltungsrat des ESRB vorsteht. Dem bei der EZB angesiedelten Gremium kommt die makroprudenzielle Aufsicht über das Finanzsystem in der Europäischen Union zu. Dem ESRB gehören neben EZB und Europäischer Kommission die europäischen Aufsichtsbehörden EBA, ESMA und EIOPA sowie die Zentralbanken und makroprudenziellen Behörden der EU-Staaten an.

Sorge bereitet Lagarde daneben die anschwellende Zahl von Cybervorfällen, von denen viele bösartiger Natur seien. Als Cybervorfälle gelten gravierende IT-Pannen, die auf menschliches oder technisches Versagen zurückgehen, sowie Cyberattacken. Die von der EZB direkt überwachten Banken in der Eurozone haben im vergangenen Jahr 54% mehr Cybervorfälle gemeldet als 2019, sagte Lagarde.

Die wachsende Zahl von Angriffen durch Kriminelle, die zudem immer raffinierter vorgingen, erklärte sie mit der Digitalisierung, die in der Pandemie noch beschleunigt worden sei. Hinzu komme die Vernetzung von Informationssystemen. „In der EU gibt es etwa 22000 Finanzunternehmen, und die Digitalisierung hat die Verflechtungen zwischen ihnen und mit Drittanbietern von Infrastrukturen und Dienstleistungen vertieft“, sagte die EZB-Präsidentin, die in diesem Zusammenhang auf die potenziell zerstörerische Wirkung auf das Vertrauen in das Finanzsystem verwies: „Der Finanzsektor ist auf eine robuste Informations- und Kommunikationstechnologie angewiesen. Das Vertrauen der Menschen in den Sektor hängt wiederum von der Vertraulichkeit, Integrität und Verfügbarkeit der von ihm verwendeten Daten und Systeme ab. Cybervorfälle können jedoch Informationen verfälschen und das Vertrauen zerstören.“

Zwar habe es bisher noch keinen Cybervorfall gegeben, der das Finanzsystem als Ganzes betraf, doch gäben die hohe Zahl von Cyberangriffen auf Krankenhäuser in Europa während der Pandemie und der Angriff auf die Colonial Pipeline in den USA „einen Vorgeschmack“ darauf, was auch dem Finanzsektor blühen könnte. „Wir müssen alle gemeinsam darauf vorbereitet sein, die Folgen eines größeren Cybervorfalls für die Finanzstabilität zu bewältigen“, sagte Lagarde. Der ESRB könne im Ernstfall als Koordinations- und Kommunikationsforum agieren. Keine Institution sei in der Lage, eine umfassende Cyberkrise allein zu bewältigen.

Die EU-Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness kündigte an, den makroprudenziellen Rahmen für den Bankensektor zu überprüfen. Dabei würden nicht nur Klimawandel, Cybergefahren und die Rolle von Finanzmarktakteuren wie Fintechs und Big Techs berücksichtigt, sondern auch die Lehren aus der Pandemie. Es müsse sichergestellt werden, dass die makroprudenzielle Aufsicht gerüstet sei. „Wir müssen auf eine Krise vorbereitet sein, die ganz anders aussehen könnte als die letzten beiden“, sagte sie in Anspielung auf Finanz- und Coronakrise.

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