BANKENREGULIERUNG

Mehr Verwaltungsaufwand für alle

EU-Regeln weiten Pflicht zur zeitverzögerten und unbaren Auszahlung von Boni auf sämtliche Kreditinstitute aus

Mehr Verwaltungsaufwand für alle

Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie Vergütungsvorgaben, welche die European Banking Authority (EBA) im Dezember präsentierte, haben es in sich, gerade für den Finanzsektor in Deutschland mit seiner Vielzahl kleiner Banken. Denn mit dem Papier fallen die bisher in Deutschland üblichen Freigrenzen, unterhalb deren Banken bzw. Mitarbeiter von Beschränkungen der Vergütung ausgenommen sind. Im Ergebnis dürfte vor allem schmerzen, dass jedes noch so kleine Institut solche Mitarbeiter als “Risikoträger” definieren soll, die einen wesentlichen Einfluss auf das Risikoprofil eines Instituts haben. Hinzu kommen zahlreiche Verschärfungen der Vorgaben, auch für große Häuser.Sowohl in den großen als auch in den kleinen Banken hierzulande spüren die allermeisten Boni-Empfänger keinerlei Vergütungsbeschränkungen. Denn die deutsche Institutsvergütungsverordnung sieht diese nicht vor für Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 15 Mrd. Euro sowie auch nicht für variable Zahlungen, deren Höhe unter 50 000 Euro liegt. Künftig aber sollen alle Rechtseinheiten im deutschen Finanzsektor mindestens 40 % ihrer variablen Vergütung für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren aufschieben und zudem mindestens 50 % dieser Boni nicht bar, sondern in Instrumenten mit Haltefrist zahlen, und zwar schon ab null Euro. Überdies steigen die Anforderungen an die Dokumentation der Vergütung. Auch erhöhen sich die Anforderungen an die jeweiligen Kontrollgremien, insbesondere den Vergütungskontrollausschuss in sogenannten bedeutenden Instituten, deren Identifikation wiederum der EBA und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht obliegt. Aus drei werden fünf JahreFür bedeutende Institute gelten ohnehin strengere Vorschriften. Diese sehen unter anderem vor, dass im Falle von Risikoträgern mit besonders hoher variabler Vergütung, wie sie etwa Geschäfts- oder Bereichsleiter beziehen, mindestens 60 % der Boni aufgeschoben und später gezahlt werden. Auch die Art der Auszahlung ändert sich: Bislang konnten Geschäfts- und Bereichsleiter aufgeschobene Boni, falls Misperformance dies nicht verhinderte, über einen Zeitraum von drei Jahren ratierlich erhalten – also in jedem Jahr ein Drittel. Nun ist “Cliff Vesting” über fünf Jahre vorgesehen: der Angestellte erhält erst nach fünf Jahren 100 % oder auch 0 %. Damit erhalten Manager nach Eintritt in eine Bank von dieser in den ersten fünf Jahren ihrer Tätigkeit keinerlei variable Vergütung. Da sich Clawbacks, also die Rückforderung bereits gewährter Vergütung im Falle schlechter Performance, etwa in Deutschland inzwischen als rechtlich schwer durchzusetzen herausgestellt hat, hält die EBA Banken in solchen Ländern generell zu längeren Aufschubfristen an.Neben Banken sind von den Regelungen auch Nicht-Finanzinstitute innerhalb großer Gruppen betroffen. Dies trifft etwa Assetmanager aus dem angelsächsischen Raum, deren Mitarbeiter bislang von den Regelungen des Bonusdeckels, demzufolge die variable Vergütung grundsätzlich nicht über dem Umfang des Grundgehalts liegen darf, ausgenommen waren (BZ vom 13. Januar). Dies soll sich ändern, auch bei Finanzierungsleasing- und Factoringinstituten. Auch Filialen von Instituten aus sogenannten Drittstaaten wie der Schweiz oder den USA werden sich umstellen müssen. Sie gelten künftig als eigenständige Einheiten und werden damit von den EBA-Leitlinien erfasst. “Administrativer Alptraum”Auch für Großbanken halten die Regelungen manches Schmankerl parat. So erkennen es die Leitlinien nicht mehr an, wenn börsennotierte Banken variable Vergütung etwa aus steuerlichen Gründen nicht in Aktien, sondern in entsprechenden Ansprüchen gewähren wollen. “Dies wäre ein administrativer Alptraum, ohne dass sich die Vergütungspraxis dadurch verbessern würde”, sagt Michael Kramarsch, Gründer und Managing Partner des Vergütungsberaters HKP. Schlecht schlafen dürften aber vor allem die Verantwortlichen kleinerer Banken, die nicht börsennotiert sind, ihren Risikoträgern aber dessen ungeachtet einen Teil der variablen Vergütung nicht bar zahlen sollen. Möglich wäre dies etwa durch Ausgabe schuldbasierter Titel mit Abschreibungsmöglichkeit ähnlich der bedingten Pflichtwandelanleihen (Contingent Convertibles/Coco), die Großbanken im Zuge der Abwicklungsregelungen emittiert haben – über welche aber freilich keine der kleineren Banken bereits verfügt. Eine Alternative wäre eine Art virtueller Vergütung. Kramarsch zufolge könnte eine Bank einen Teil des Gehalts ihres Mitarbeiters einbehalten und ihm stattdessen eine feste jährliche Zinszahlung zusagen, welche verfällt, falls die Eigenkapitalquote unter ein zuvor festgelegtes Minimum fällt.