JSA2025Rüstungsfinanzierung

Mit der Zeitenwende entsteht eine neue Rüstungsbank

Die neue Defence, Security, and Resilience (DSR) Bank soll im Rahmen der Rüstungsfinanzierung eine zentrale Rolle spielen und durch internationale Kooperationen den Ausbau der Verteidigungsindustrie fördern.

Mit der Zeitenwende entsteht eine neue Rüstungsbank

Deutscher Kreditsektor unterstützt Rüstungsbank DSR

Deutsche Bank, Commerzbank und LBBW gehören zum engen Kreis der Berater für das Defence-Finance-Institut. Auch deutsche Startups ziehen Kapital an

Von Björn Godenrath, Frankfurt
Von Björn Godenrath, Frankfurt

Ausgelöst durch den russischen Angriff auf die Ukraine sowie Sabotageakte in Europa, haben die NATO-Mitglieder mit Deutschland und Großbritannien an der Spitze eine groß anlegte Aufrüstung angestoßen. Während dies in Deutschland über das Sondervermögen sowie Ausnahmen für rüstungsnahe Infrastrukturmaßnahmen geschieht, hat auf EU-Ebene die Kommission mit Ursula von der Leyen an der Spitze den europäischen Verteidigungsfonds „Security Action for Europe“ (SAFE) ins Leben gerufen. Der soll als Programm, über das die EU gemeinsam Kredite aufnimmt, für 150 Mrd. Euro Volumen der gemeinsamen Beschaffung zur Verfügung stehen. Dafür sind die einzelnen Mitgliedsstaaten schon aufgerufen, ihre Bedarfe an Rüstungsgütern anzumelden.

Zoff um EU-Zugang

Dabei soll der Verteidigungsfonds auch offen sein für die beiden nicht zum Euroraum gehörenden Kanada und Großbritannien und im Januar die Ausgabenpläne stehen. Doch die Verhandlungen mit Großbritannien erweisen sich als zäh, erwartet Brüssel doch auch britische Beiträge zum europäischen Kohäsionsfonds zur Förderung schwächerer Länder als Ausgleich für einen partiellen Zugang der Briten zum europäischen Binnenmarkt. Rund 4 bis 6,5 Mrd. Euro sollten die Briten einzahlen in das SAFE-Modell, so die Vorstellung der Kommission. Regierungschef Keir Starmer will bei weitem nicht so viel für den Marktzugang aufwenden, der vor allem von Frankreich so hoch taxiert wurde. Unter anderem Deutschland setzt sich dafür ein, dass die Hürden für die Briten gesenkt werden.

Kerngebiet für die Gründung sind Deutschland und Großbritannien

Das Problem: Wenn die Briten auch noch in den Kohäsionsfonds einzahlen müssten, würden Mittel an anderer Stelle fehlen, die sehr viel besser auch die Aufrüstung flankieren könnten. Und da kommt die Defence, Security, and Resilience (DSR) Bank ins Spiel, die sich als multilaterales Institut seit dem Frühjahr in Gründung befindet und von Staaten rund um den Globus getragen werden soll, um dem Block um Russland und China die Stirn zu bieten. Kerngebiet für die Gründung sind Deutschland und Großbritannien, wo DSR-Bank-Gründer Rob Murray als ehemaliger Head of Innovation der NATO seine Wurzeln hat.

Ringen um Etats

Dabei erfährt die DSR Bank zwar viel Zuspruch, aber was noch fehlt sind die Einzahlungen der Staaten, damit die Bank mit Lizenzerhalt ab 2027 ins operative Geschäft einsteigen kann. Als Richtgröße nannte Murray, dass man für den Start eine Bilanzsumme von etwa 20 Mrd. Pfund benötige. Wenn, wie kolportiert, zunächst fünf Länder Zusagen geben, würde jeder nationale Haushalt jeweils 4 Mrd. Pfund bereitstellen. Aber dafür muss jeder einzelne Finanzminister erstmal Platz schaffen in der Haushaltsplanung - was für die Briten heißt, dass sie zunächst mal den Posten für den EU-Verteidigungsfonds geklärt haben müssen, bevor sie Zusagen für die DSR Bank geben. Stand jetzt kommt keine Einigung für einen erweiterten britischen Zugang zustande, theoretisch besteht eine Nachfrist bis Februar. Für Deutschland darf man hoffen, dass im Rahmen des Sondervermögens etwas reserviert ist.

Rebecca Harding agiert als Chief Economist bei der DSR Bank.
RH

Keine Nachteile für staatliche Schuldenquoten

Wobei aus Sicht der nationalen Haushaltsführung Einlagen bei der Bank als Vermögenswerte gelten und nicht als Schulden, hatte Rebecca Harding als Chief Economist der DSR Bank erklärt. Das ist wichtig, ächzen doch viele EU-Staaten unter einer hohen Schuldenquote. Die strategische Bedeutung der Bank wäre die eines Scharnier im grenzüberschreitenden Geschäft: Der DSR Bank käme im Ökosystem der Rüstungsfinanzierung eine Rolle als Co-Finanzierer zu, der auch „First Loss Pieces“ nehmen kann.

Hilfreiche Rolle

Das macht es Banken leichter, ihre Kredittranchen beizutragen, denn in der Konstruktion müssen die Banken weniger Eigenkapital vorhalten für ihre Ausreichungen. Ein weiterer Vorteil: Die DSR Bank übernimmt auch nachrangige Positionen. Dadurch entsteht eine große Hebelwirkung für privates Kapital in der Rüstungsfinanzierung. Als Spezialist für die Rüstungsindustrie könnte die DSR Bank auch ein ganz besonderes Auge auf die Stabilisierung der Lieferketten haben, die in der Rüstungsindustrie mitunter schwierig lückenlos zu gestalten sind. Aber genau dafür wäre die DSR Bank mit einem entsprechenden Monitoring ausgestattet, um die vielen Akteure und Waffengattungen zusammenzuführen.

Die Commerzbank gehört mit LBBW und Deutsche Bank zu den Unterstützern der DSR Bank.
picture alliance / Eibner-Pressefoto | Eibner-Pressefoto/Florian Wiegand

Der Rückhalt von den Geschäftsbanken für die neue Rüstungsbank ist jedenfalls enorm: Neben Deutsche Bank und Commerzbank haben auch schon ING, JP Morgan, RBC und die LBBW Rückendeckung bekundet. In der Gründungsphase werden die Institute primär die an einem Beitritt interessierten Länder beraten und dabei fachliche Aufklärungsarbeit leisten zu Finanzinstrumenten, Ratings und Risikomanagement, wie sie in einer solchen Rüstungsbank stattfinden. Die Geschäftsbanken würden dann später zusammen mit der DSR Bank zusammen in unterschiedlichen Tranchen Rüstungsfinanzierungen stemmen sowie die Ausgabe von Anleihen begleiten, wobei die Militärexperten der Rüstungsbank dabei ein Auge aufs große Ganze hätten: Was ist notwendig für sich ergänzende Verteidigungssysteme und wer kann was dazu beisteuern?

Berlin oder London?

Doch wo wird sich die DSR Bank mit ihrem Hauptquartier ansiedeln? Das Rennen läuft wohl primär zwischen Berlin, Frankfurt und London. Insofern ist das auch ein Wettrennen der Finanzplätze, die um Geltung ringen, wenn es darum geht, die internationalen Finanzströme zu lenken. Im Gegensatz zur deutschen Politik ist die britische Finanzministerin Rachel Reeves aber schon in die Offensive gegangen und bekundet Unterstützung für eine DSR-Zentrale in London. Da perspektivisch auch Staaten wie Japan und die USA zu den Geldgebern zählen, braucht es dann auch einiges an Außenstellen für die DSR Bank.

Triple-A-Rating eine elementare Basis

Ein strategischer Vorteil der DSR Bank: Sie würde gestützt durch ein AAA-Kreditrating den Staaten mit geringerer Bonität Lasten abnehmen und die Beschaffung in toto günstiger gestalten können. Hinzu kommen die zinsbegünstigten SAFE-Kredite, sodass es aus Europa heraus doch leichter wird, das NATO-Ziel von 5% zu wuppen.

Derzeit legt die DSRB Development Group letzte Hand an den Entwurf zur grundsätzlichen Struktur. Murray zeigte sich zuletzt sogar optimistisch, dass man vielleicht schon vor 2027 in das operative Geschäft einsteigen könne. Der nächste Nato-Gipfel wird am 7. und 8. Juli 2026 auf dem Gelände des Präsidentenpalast-Komplexes in Ankara stattfinden - was der passende Rahmen wäre, um Meilensteine für die Gründung der Rüstungsbank zu verkünden.

Als Garantiegeber gefragt

Die Verbindung in den Bankensektor sieht dann auch so aus, dass Garantien an Kreditbanken gestellt werden, was deren Ausreichungen an Unternehmen in der Verteidigungsindustrie erleichtert. Davon sollten insbesondere kleinere und mittelständische Zulieferer sowie Defence-Tech-Startups profitieren, stellte DSR-Bank Chief Economist Rebecca Harding im Interview der Börsen-Zeitung in Aussicht.

Vor allem der Drohnensektor zieht Kapital an

Das ist ein wichtiger Punkt: Während große Rüstungskonzerne wie Rheinmetall jederzeit Zugang zu den Fremd- und Eigenkapitalmärkten haben, sind auch der ohne Ratings operierende Mittelstand und Neugründungen auf kurzfristiges Betriebskapital angewiesen, um Forschung und Entwicklung vom Prototypen aus weiter zu entwickeln und dann eine skalierte Produktion aufzunehmen. Angesichts wachsender Rüstungsbudgets haben Venture-Investoren, Private-Credit-Fonds und Banken aber inzwischen einiges an Kapital mobilisiert. Vor allem der Drohnensektor zieht Kapital an mit Startups wie Helsing und Stark, die auf Aufträge von der Bundeswehr hoffen dürfen.

Ein Kampfhubschrauber der Bundeswehr
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Bürokratische Hürden beseitigt

Der Bund hilft mit dem neuen Beschaffungsbeschleunigungsgesetz, das die Teilnahme an Vergabeverfahren der Bundesweh für Startups erleichtert. Das läuft so ab, dass von staatlicher Seite Vorleistungen erlaubt sind, um Gründer in die Lage zu versetzen, ihre Ideen bei Vergabeverfahren der Bundeswehr einzubringen. Staatliche Vorfinanzierung sei der Schlüssel, um privates Kapital in sicherheitsrelevanten Technologien zu mobilisieren, heißt es von Experten. Wobei diese den Charakter einer Brückenfinanzierung hat, vergehen doch selbst bei dem beschleunigten Verfahren von der Bedarfsmeldung bis zum Vertragsschluss im Schnitt mehr als vier Jahre.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will, dass auch Defence-Startups an der Bundeswehr-Beschaffung teilnehmen können.
picture alliance / Flashpic | Jens Krick

Eine wichtige Ausnahme

Welch ein Quantensprung das Beschaffungsbeschleunigungsgesetz für das politische Berlin darstellt, lässt sich daran ablesen, dass gegen den Widerstand der SPD eine Ausnahme vom Tariftreuegesetz durchgeboxt wurde. Startups könnten sonst schwerlich reinpassen in Beschaffungsverfahren, Verteidigungsminister Boris Pistorius will ihre Innovationsfähigkeiten aber unbedingt eingebunden sehen. Das macht aus Gründen der Resilienz Sinn, darf sich das Arsenal an Rüstungsgütern doch nicht auf wenige systemrelevante Großkonzerne konzentrieren. Klumpenrisiken gilt es zu vermeiden.

HVB organisiert Venture Debt

Zwei Beispiele für die privatwirtschaftliche Organisation der Rüstungsfinanzierung seien illustrativ genannt: Das ist zum einen das Venture-Debt-Programm für Rüstungs-Startups der HVB. Diese spezielle Kreditform soll in der Kapitalstruktur die Lücke zwischen Eigenkapital und traditionellem Fremdkapital schließen und hat entsprechend ein riskanteres Risikoprofil als konventionelle Bankkredite. Venture Debt flankiert in der Regel von Wagniskapitalgebern angeführte Finanzierungsrunden. Finanziert werden junge Defense-Unternehmen, die bereits gezeigt haben, dass das Geschäftsmodell funktioniert, noch nicht profitabel sind, aber schon von Venture-Fonds finanziert werden. Gründer greifen aber in der Regel nur auf Venture Debt zurück, wenn sie eine starke Verwässerung ihrer Anteile vermeiden wollen und optimistisch sind, schnell zusätzliche Cashflows zu generieren für die Rückzahlung.

Der ehemalige Luftwaffenoffizier Michael Stoussavljewitsch ist einer der drei Gründer von Tacct.
Tacct

Die Zeitenwende als Investmentchance

Das zweite Beispiel steht für Gründergeist an der Schnittstelle von Finance und Defence. Von Luftwaffen-Veteranen angeschoben, hat das Startup Ecrop mit der App „Tacct“ eine auf junge Rüstungsfirmen spezialisierte Finanzierungsplattform aufgebaut. Die Zeitenwende als Investmentchance, so das Motto der Gründer und ex-Luftwaffenoffiziere Michael und Martin Stoussavljewitsch, die mit Tobias Rentsch einen Tech-Spezialisten an ihrer Seite haben, der als Blockchain-Pionier für die Struktur einer Emission von elektronischen Wertpapieren nach deutschen Recht sorgt.

Donaustahl-Gründer Stefan Thumann (rechts) begutachtet eine Kampfdrohne.
Donaustahl

Donaustahl marschiert voran

Konkret ins Angebot kommen Inhaberschuldverschreibungen in der Form als Kryptowertpapier nach dem eWPG. Die erste Emission war dabei die Anleihe des bayerischen Drohnenspezialisten Donaustahl, die sehr gut angenommen wurde von einem Retail-Publikum, das mit einer Verzinsung von 7,4% für 2025 belohnt wird. Gründer Stefan Thumann ist ein bekanntes Gesicht der neuen deutschen Rüstungsindustrie, die sich autonom aufstellen will - also ohne Geld oder Bauteile aus den USA oder China. Mit Horst Rieder hatte Donaustahl kürzlich den langjährigen Finanzvorstand der KNDS-Gruppe als CFO verpflichten können - was ein Coup und ein Vertrauensbeweis ist für ein kleines bayerisches Startup, das auf Fertigungsallianzen im deutschen Mittelstand setzt.

Modell des DroneHammer.
Prospekt

Moderner Abfangjäger

Solche Verbundaktivitäten sind elementar für den weiteren Aufbau der Rüstungsindustrie in Deutschland. Und je besser der Kapitalzugang für Startups ist, desto schneller und bedarfsgerechter kann die Bundeswehr ausgerüstet werden. Es suchen auch schon weitere Startups über Tacct nach Investoren: Das ist zum Beispiel Skylance, die lasergesteuerte, störresistente Abfangsysteme entwickelt und fertigen will. DroneHammer heißt der Lenkflugkörper für die Nahbereichsverteidigung von 100 bis 1.200 Meter, der eine preiswerte Option ist, um Drohnen aller Art zu neutralisieren. Immun gegen elektronisches Jamming, ist der DroneHammer mit einem CO₂-Splitter-Sprengkopf ausgestattet, der das Werk der Vernichtung präzise und mit geringen Kollateralschäden erledigen kann.

Die Krux mit den asymmetrische Kosten

Da russische Sabotageakte auch direkt in Deutschland stattfinden, zeigen neben der Bundeswehr auch die Landespolizeien Interesse am DroneHammer. 4 Mill. Euro will Skylance einsammeln und damit die Entwicklung zur Serienreife beschleunigen. Auf 8 Mill. Euro zielt die Hamburger Riseport, die frontnahen Einheiten mit KI-gestützten Sensorfunktionen hilft bei der Aufklärung. Das System detektiere „die physische Präsenz von Bedrohungen durch eine Kombination aus Akustik- und Optik-Sensoren“, heißt es im Prospekt. Damit wird zB teures Kriegsgerät vor der Zerstörung durch Billigwahren-Drohnen bewahrt. Man beseitigt damit „asymmetrische Kosten“, wie es in der Militärsprache heißt.

So könnte das „ARGOS“ Active Protection System von Riseport im Einsatz aussehen.
Prospekt

Drohnenhersteller peilen kurz- und mittelfristig Börsengänge an

Bis zu 8 Mill. Euro will Riseport über die Anleihe einnehmen, wobei der Gesamtkapitalbedarf von 21,3 Mill. Euro bis Ende 2027 in drei Phasen mobilisiert werden soll. Im Prospekt ist auch festgehalten, dass im Falle eines IPO die Anleihe auch in Aktien gewandelt werden könne. Ein Listing wäre natürlich eine feine Sache sowohl für Riseport als auch für den Finanzplatz - wobei in Branchenkreisen zu hören ist, dass ein deutscher Drohnenersteller schon für 2026 seinen Börsengang angehen will.