ESG, Digitalisierung und Infrastruktur

Offene Immobilienfonds zwischen Anpassung und Aufbruch

Offene Immobilienfonds im Wandel: Auf der BIIS-Jahrestagung 2025 diskutierte die Branche, wie ESG, Digitalisierung und Infrastruktur das Immobiliengeschäft grundlegend verändern.

Offene Immobilienfonds zwischen Anpassung und Aufbruch

Immobilienfonds zwischen Anpassung und Aufbruch

ESG, Technologie und Infrastruktur rücken ins Zentrum der Strategien – Jahrestagung des Bundesverbands der Immobilien-Investment-Sachverständigen

Von Wolf Brandes, Frankfurt

Unsicherheiten sind gekommen, um zu bleiben. Das war eine der unausgesprochenen Grundannahmen auf der Jahrestagung des Bundesverbands der Immobilien-Investment-Sachverständigen (BIIS), die in diesem Jahr besonders deutlich machte: Die Welt der offenen Immobilienfonds steht nicht still. ESG-Anforderungen, Digitalisierung, geopolitische Spannungen und ein steigender Bedarf an Infrastrukturinvestitionen führen zu einem Paradigmenwechsel im Immobiliengeschäft.

Eröffnet wurde die Veranstaltung von Asoka Wöhrmann, CEO der Patrizia. Er machte deutlich, dass man sich von der Illusion dauerhaft stabiler Märkte verabschieden müsse. Vielmehr gelte es, mit Volatilität konstruktiv umzugehen und Real Assets neu zu denken. Dabei gehe es nicht nur um neue Gebäude, sondern um umfassende Transformation: „Es geht nicht mehr nur ums Bauen, sondern um Innovation, energetische Sanierung und Technologie als Treiber“, so Wöhrmann.

Immobilien und Infrastruktur

Die Erkenntnis, dass sich Immobilien und Infrastruktur zunehmend annähern, scheint sich durchzusetzen. Die klare Trennung, wie sie bislang in vielen institutionellen Portfolios praktiziert werde, ist nicht mehr zeitgemäß. Camille Dufieux, Geschäftsführerin von IntReal, brachte es auf den Punkt: „Immobilien und Infrastruktur wachsen zusammen – aber viele institutionelle Investoren denken noch in getrennten Quoten.“ Das Thema Wohnen bleibe dabei ein zentrales Feld – allerdings in Verbindung mit neuen Nutzungsformen und stärkerer Einbindung von ESG-relevanter Infrastruktur.

Deutlich wurde auch: Der Bedarf an handfesten Beispielen ist groß. Gerade in Transformationszeiten helfen Erfahrungswerte aus der Praxis. Fonds wie HausInvest und KlimaVest zeigen, dass ESG, Energieversorgung und Immobilienentwicklung längst keine getrennten Disziplinen mehr sind. „Aus unseren Produkten wie HausInvest und KlimaVest wissen wir: Immobilien und Infrastruktur lassen sich nicht mehr trennen“, betonte Commerz-Real-Geschäftsführer Mario Schüttauf, der auch die zunehmende Relevanz nachhaltiger Standortentwicklung unterstrich.

ESG mit Praxisbezug

ESG bleibt weiterhin ein dominierendes Thema in der Branche. Allerdings wird der Blick auf die Praxis zunehmend kritischer. Ratings allein reichten nicht mehr, und auch ambitionierte ESG-Berichte verlören an Glaubwürdigkeit, wenn sie nicht durch konkrete Maßnahmen gestützt würden. Ulrich Steinmetz, Head of Real Estate Transactions Europe bei der DWS, brachte es auf eine griffige Formel: „Bei ESG geht es nicht um Zertifikate – sondern um Solaranlagen auf den Dächern.“ Es gehe um tatsächliche Wirkung, nicht um Symbolpolitik.

Nicht jeder Fondsanbieter setzt den Fokus dabei auf die gleichen Segmente. Während Wohnimmobilien in vielen Portfolios stark vertreten sind, setzen andere Häuser stärker auf Qualität und Standort. „Wohnen ist für uns kein spezieller Fokus – Qualität setzt sich am Markt durch, auch in Krisenzeiten“, erklärte Gesa Wilms, Geschäftsführerin Deka Immobilien Investment. Für sie bleiben gut gemanagte Immobilien in Toplagen das Rückgrat eines stabilen Portfolios – besonders in einem Marktumfeld, in dem Verlässlichkeit an Bedeutung gewinnt.

Digitalisierung ist Notwendigkeit

Ein weiteres zentrales Thema ist die Digitalisierung. Nicht mehr als Trend, sondern als operative Notwendigkeit. Wer heute Immobilien managen will, braucht verlässliche Daten, transparente Prozesse und intelligente Systeme zur Bewertung und Steuerung.

Gerald Kremer, COO Union Investment Real Estate, formulierte es so: „Immobiliengeschäft ist heute stark datengetrieben – Transparenz ist entscheidend.“ Technologie könne nicht alles ersetzen. So könne künstliche Intelligenz (KI) etwa unterstützen, Entscheidungen vorbereiten, aber nicht das Verantwortungsgefühl ersetzen, das mit langfristigen Investitionen verbunden sei.

Offene Immobilienfonds müssen heute deutlich mehr leisten als noch vor wenigen Jahren. Es reicht nicht mehr, gute Objekte zu finden und solide zu bewirtschaften. Vielmehr geht es um Integration – von Nachhaltigkeit, von Digitalisierung, von neuen Assetklassen. Und es geht um Kommunikation: Investoren wollen nachvollziehbare Strategien, messbare Ergebnisse und transparente Zielbilder.

Optimistischer Grundton

Trotz aller Herausforderungen bleibt der Grundton optimistisch. Nicht naiv – aber lösungsorientiert. Man könne nicht auf bessere Zeiten warten, man müsse sie mitgestalten. Die Tagung zeigte ein gemeinsames Verständnis dafür, dass die Branche sich bereits mitten im Wandel befindet – und dass jetzt der Moment sei, diesen Wandel aktiv zu nutzen.

Offene Immobilienfonds bleiben demnach ein wichtiges Instrument langfristiger Kapitalanlage, werden aber werden komplexer, technischer, strategischer. Wer heute in Immobilien investiere, entscheide nicht mehr nur über Mieten und Lagen, sondern auch über Klimabilanzen, Datensicherheit und gesellschaftliche Relevanz, so der Tenor der Experten.

Stabile Märkte waren gestern – das wurde auf der BIIS-Jahrestagung deutlich. Offene Immobilienfonds stehen vor einem Paradigmenwechsel: ESG, Digitalisierung und Infrastruktur verschmelzen. Gefragt sind nun Innovation, praxisnahe Lösungen und transparente Strategien für eine zunehmend komplexe Investmentwelt.

wbr Frankfurt
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