Immobilien

Preise für Wohnimmobilien entkoppeln sich

Das starke Wachstum der Hauspreise in den zurückliegenden Jahren ist in längerfristiger Betrachtung für einen Teil der Länder lediglich ein noch nicht abgeschlossener Aufholprozess nach kräftigen Rückgängen im Gefolge der Finanzkrise.

Preise für Wohnimmobilien entkoppeln sich

Im Gegensatz zu vielen anderen Immobilienmarktsegmenten verzeichnen Wohnimmobilien eine kontinuierlich aufwärtsgerichtete Preisentwicklung, die sich zuletzt sogar noch beschleunigte. Zur Messung der Wohnimmobilienpreise findet der House Price Index, kurz HPI, Verwendung, der neben Häusern auch Wohnungen umfasst und vom europäischen Statistikamt Eurostat veröffentlicht wird.

Im ersten Halbjahr 2021 stiegen die Preise bei Wohnimmobilien in der EU um 6,7% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. An der Spitze stehen Luxemburg und Dänemark mit rund 15%. Acht Länder verzeichneten einen zweistelligen Preisanstieg, Deutschland lag mit einem Plus von 9,9% knapp darunter. Das zweite Quartal 2021 verzeichnete mit plus 7,1% den stärksten Zuwachs auf EU-Ebene seit 2007. Im Jahr 2020 hatte sich der Anstieg im EU-Durchschnitt leicht auf 5,5% (2019: plus 4,8%) beschleunigt. In den vergangenen beiden Jahren meldete jeweils ein einziges Land nahezu stagnierende Preise: Zypern (2020: minus 0,2%) und Italien (2019: minus 0,1%). In der EU lagen 2018 sowohl die Hauspreise als auch die gesamtwirtschaftliche Aktivität jeweils 10% höher als 2008, dem Referenzjahr vor der Finanzkrise. Die Entwicklung In den einzelnen Ländern divergierte stark. 2019 war eine leichte Entkoppelung beider Entwicklungen zu beobachten, ehe 2020 die Entwicklungen gegenläufig verliefen: 2019 war gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) die wirtschaftliche Entwicklung in Europa noch überall aufwärtsgerichtet (EU27 plus 1,8%). Im Folgejahr 2020, dem ersten von Corona-Maßnahmen betroffenen Jahr, meldeten dagegen mit Ausnahme von Irland (plus 5,9%) – hier spielen Sondereffekte eine Rolle – alle EU-Mitgliedstaaten ein schrumpfendes BIP, das sich im EU-Durchschnitt auf minus 5,9% belief.

Das starke Wachstum der Hauspreise in den zurückliegenden Jahren ist in längerfristiger Betrachtung für einen Teil der Länder lediglich ein noch nicht abgeschlossener Aufholprozess nach kräftigen Rückgängen im Gefolge der Finanzkrise. So erreichten insgesamt 7 der 27 EU-Länder – auch unter Berücksichtigung der positiven Entwicklung von 2019 und 2020 – noch immer nicht das Hauspreisniveau vor der Finanzkrise 2007/2008. Die Lücke zu den Höchstständen vor der Finanzkrise betrug 2020 bei den Euro-Ländern Spanien 14%, Italien 15%, Zypern 16%, Irland 17% und bei Griechenland sogar 34%.  Selbst die sich abzeichnende positive Entwicklung 2021 dürfte bei keinem dieser Länder dazu führen, die Lücke vollständig zu schließen.

Unterschiede bei Hauspreisen

Auf der anderen Seite verzeichneten die Wohnimmobilienpreise in Luxemburg und Österreich nahezu eine Verdoppelung im Vergleich zu 2008. Schweden und Deutschland meldeten weit überdurchschnittliche Anstiege um 84% beziehungsweise 69% bei einem EU-Durchschnitt von lediglich 22%. Dies reflektiert die in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich verlaufene Entwicklung bei den Hauspreisen (siehe Grafik). Bei der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wurde das vor der Finanzkrise erreichte Niveau in nahezu allen Ländern Europas bis 2019 wieder erreicht. Damals lag das BIP lediglich noch in Italien um 4% und in Griechenland um 23% unter dem Vorkrisenniveau. Die Rückgänge 2020 drückten das Bruttoinlandsprodukt allerdings in Spanien, Portugal und Kroatien erneut unter den alten Höchststand.

Ein Vergleich des Wirtschaftswachstums im ersten Halbjahr 2021 mit dem Vorjahreszeitraum zeigt für alle EU-Länder ausnahmslos ein Wachstum, das zwischen 2,9% in Deutschland und 16,3% in Irland liegt. Allerdings zeigt der Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2019, dass erst in wenigen EU-Ländern das Niveau der wirtschaftlichen Aktivität höher ist als zwei Jahre zuvor. Bereits vorliegende Daten und Prognosen deuten allerdings darauf hin, dass das Niveau vor Ausbruch der Coronakrise in vielen Ländern im Laufe des Jahres 2022 wieder erreicht werden dürfte.

Die Herbstprognose der EU-Kommission vom November 2021 erwartet für das zu Ende gehende Jahr bei einem EU/Euroraum-Durchschnitt von jeweils 5 % ein Wachstum zwischen 2,7 % für Deutschland am unteren Ende und 14,6 % für Irland am oberen Ende. Für 2022 rechnet sie mit einem etwas schwächeren Wachstum von 4,3 % für die EU beziehungsweise für den Euroraum in einer Bandbreite von 2,6 % bis 6,2 %. Das erwartete Wachstum für Deutschland liegt mit 4,6 % leicht über dem erwarteten Durchschnittswert. Dies dürfte auch das weitere Wachstum der Immobilienpreise stimulieren.

Verbraucherpreise stützen

Ebenfalls stützend für die Wohnimmobilienpreise dürften sich die seit Anfang 2021 steigenden Verbraucherpreise auswirken, die nach Preisniveaustabilität im Euroraum im Jahresdurchschnitt 2020 (plus 0,3%) bis zum Monat Oktober 2021 auf plus 4,1% angestiegen sind. Sollte allerdings später einmal die Liquidität der Finanzmärkte doch knapper bemessen werden, dürfte dies auch die Wohnimmobilienpreisentwicklung nicht unberührt lassen.

Die vom Autor geäußerten Ansichten sind seine eigene Meinung und stimmen nicht notwendigerweise mit den Ansichten der Europäischen Kommission überein. 

BZ+
Jetzt weiterlesen mit BZ+
4 Wochen für nur 1 € testen
Zugang zu allen Premium-Artikeln
Flexible Laufzeit, monatlich kündbar.