Reregulierung ist für Basel beendet

Bankenaufseher signalisieren Wendepunkt im regulatorischen Zyklus - Ausschuss soll in der Krise Zersplitterung vermeiden

Reregulierung ist für Basel beendet

In der Covid-19-Krise gibt die globale Aufseherzunft das Signal zur Wende im regulatorischen Zyklus und “ein klares Ende” der Reformen nach der Finanzkrise bekannt. Zugleich ermuntert das Kontrollgremium des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht Kreditinstitute, in der Pandemie ihre Kapitalpuffer anzugreifen. Von Bernd Neubacher, FrankfurtAngesichts der Covid-19-Pandemie erklärt das Aufsichtsgremium des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht die Reregulierung des Sektors nach der 2007 begonnenen Finanzkrise für beendet. Zugleich insistiert das aus Notenbankern und Aufsichtschefs zusammengesetzte Gremium indes auf einer vollständigen Umsetzung des Regelwerks Basel III, das die Kapitalanforderungen an Kreditinstitute in den kommenden Jahren nochmals spürbar verschärfen dürfte. “In diesem Zusammenhang sind die Mitglieder übereingekommen, mit der aktuellen Vereinbarung zum Regelwerk Basel III ein klares Ende der Baseler Agenda nach der großen Finanzkrise zu markieren”, erklärte die Group of Central Bank Governors and Heads of Supervision (GHOS) am Montag. Jegliche möglichen weiteren Anpassungen von Basel III würden begrenzt sein und im Einklang mit der Evaluierung durch den Ausschuss stehen, wird versichert.Dieser Ausschuss wiederum will seine Arbeit nach einer strategischen Überprüfung auf künftige Risiken für das Bankensystem infolge struktureller Trends wie die andauernde Digitalisierung sowie Klimarisiken konzentrieren, wie mitgeteilt wird. Gerade in Sachen Klimarisiken ist vom Ausschuss bisher nicht viel gekommen. Bei Beobachtern ist dies damit erklärt worden, dass die Vereinigten Staaten bremsten. Nach der jüngsten Präsidentschaftswahl in den USA könnte sich dies ändern.Nach gut zehn Jahren der Reregulierung im Finanzsektor signalisiert die GHOS damit einen Wendepunkt im regulatorischen Zyklus. Den hatten Beobachter, zumindest was Europa angeht, bereits im vergangenen Jahr ausgemacht. Damals waren im Zuge der EU-Eigenkapitalrichtlinie CRD V Erleichterungen publik geworden, welche die Mindestanforderung ans harte Kernkapital der Großbanken Europas laut Aufsicht im Mittel um 90 Basispunkte senkten. Die Ratingagentur Scope sprach damals von einem Signal, “dass die Reregulierung im Bankensektor ihren Höhepunkt erreicht hat”. Ein schmaler GratDie globalen Bankenaufseher bewegen sich bei der Formulierung ihrer Agenda auf einem schmalen Grat: Nachdem sich ihre Anforderungen in der Krise als deutlich zu dünn entpuppt hatten, führte der Baseler Ausschuss die Vorgaben in der vergangenen Dekade auf ein deutlich höhres Niveau und verordnete den Banken zudem diverse Kapitalzusatzpuffer, die der Branche in der Pandemie nun zugutekommen – das Misstrauen am Markt Banken gegenüber wäre angesichts einer drohenden Welle an Schuldnerausfällen ansonsten vermutlich größer. Zugleich müssen die Aufseher aber darauf achten, nicht zu überziehen und den Instituten damit den Weg zum Eigenkapitalmarkt zu verbauen, zumal sich die Banken auf Betreiben der Aufsicht seit März Dividendenzahlungen verkneifen. Banker wie Lorenzo Bini Smaghi, Chairman von Société Générale (SocGen) und ehemaliges Direktoriumsmitglied der Europäischen Zentralbank (EZB), haben die Aufsicht schon davor gewarnt, den Sektor “uninvestierbar” zu machen.Zugleich ist klar, dass der Ende 2017 beschlossene Abschluss von Basel III für die Branche noch mehrere Jahre lang Zusatzbelastungen bringen wird. War die Einführung der Bestimmungen, welche unter anderem die Nutzung bankinterner Modelle zur Berechnung von Eigenkapitalbedarf beschränken und insbesondere im Fall langlaufender Forderungen die Kapitalvorgaben heraufsetzen, für die Zeit von 2022 bis 2027 vorgesehen, so entschloss sich der Baseler Ausschuss angesichts der Pandemie, den Beginn der fünfjährigen Einführungsphase auf 2023 zu verschieben.In Bankenkreisen wird mit Verweis auf die Krise schon jetzt nochmals Aufschub gefordert. In Anbetracht der infolge von Covid-19 erwarteten Verwerfungen hatten die Aufseher Banken schon im Frühjahr ermutigt, ihre Kapitalpuffer anzugreifen, um die Versorgung der Realwirtschaft mit Krediten und Liquidität sicherzustellen. Mit Sorge haben sie seither registriert, dass dies im Grunde nirgends geschieht: Zu sehr fürchten Institute Sanktionen des Marktes, zu wenig trauen sie den Zusicherungen der Aufseher, den Häusern anschließend zu ermöglichen, die Reserven ohne Hatz aufzufüllen. Vor diesem Hintergrund betonte die GHOS zu Wochenbeginn: “Nach der Krise werden die Aufseher Banken ausreichend Zeit geben, ihre Puffer wieder aufzufüllen, und dabei die ökonomischen, markt- und bankspezifischen Umstände berücksichtigen.”An den Baseler Ausschuss ergeht zugleich der Auftrag, in der Krise weiter einen koordinierten Ansatz zu verfolgen, “um ein globales Level Playing Field zu erhalten und regulatorische Zersplitterung zu vermeiden”. Zu diesem Ansatz zähle es, die von Covid-19 ausgehenden Risiken für das Bankensystem fortlaufend zu beobachten und aufsichtliche Erkenntnisse zu teilen, wo nötig zur Nutzung der im Baseler Regelwerk verankerten Flexibilität zu ermutigen, die Übereinstimmung von Anpassungen mit dem Baseler Regelwerk und ihre zeitige Beendigung sicherzustellen sowie nötigenfalls weitere globale Maßnahmen zu koordinieren, heißt es. – Wertberichtigt Seite 8