Im InterviewDSGV-Präsident Ulrich Reuter

„So wie der digitale Euro geplant ist, darf er nicht kommen“

Ulrich Reuter zeigt sich zufrieden mit dem Start von Wero und kritisiert den digitalen Euro scharf. Im Interview vermisst der DSGV-Präsident zudem einen echten Aufbruch in der Politik.

„So wie der digitale Euro geplant ist, darf er nicht kommen“

Im Interview: Ulrich Reuter

„Wero ist ein Meilenstein für den Zahlungsverkehr“

DSGV-Präsident Reuter hält digitalen Euro in seiner jetzigen Form für ein unnötiges Prestigeobjekt der EZB – Lob für Initiative zum Kleinbankenregime

Ulrich Reuter zeigt sich zufrieden mit dem Start von Wero und kritisiert den digitalen Euro in seiner geplanten Ausgestaltung scharf. Ein solches Prestigeobjekt der EZB brauche niemand. Im Interview vermisst der DSGV-Präsident zudem einen echten Aufbruch in der Politik.

Herr Reuter, Sie waren auf der Bilanzpressekonferenz im März recht optimistisch, was die damals neue Bundesregierung betrifft. Sie sprachen von einer Initialzündung für Investitionen und Reformen, die Sie sich erhoffen. Nun ist die Regierung rund ein halbes Jahr im Amt. Wie fällt ein erstes Zwischenfazit aus?

Wir sehen gute Ansätze, etwa das Investitions-Sofortprogramm vor der Sommerpause, aber die große Initialzündung ist noch nicht erfolgt. Diese Koalition hat den Anspruch, eine Reformregierung zu sein – aber sie ist es bislang noch nicht. Es reicht nicht, Ziele zu beschreiben. Wir brauchen endlich sichtbare Ergebnisse beim Bürokratieabbau, bei Genehmigungen, in der Steuerpolitik und auch beim Rentensystem mit den daraus folgenden Sozialabgaben. Der Mittelstand wartet auf positive Signale, dass ein echter Aufbruch kommt.

Was versprechen sich die Sparkassen vom Investitionspaket? Wo glauben Sie besonders partizipieren zu können?

Entscheidend ist, dass mit den Sonderkrediten wirklich zusätzliche Investitionen ausgelöst werden – nicht konsumtive Ausgaben ersetzt. Und es braucht eine Hebelwirkung für privates Kapital. Die Sparkassen sind hier bereit, ihren Teil zu leisten: Wir haben allein im ersten Halbjahr über 43 Mrd. Euro an neuen Krediten zugesagt, 16% mehr als im selben Zeitraum des Vorjahrs. Das zeigt, dass die Wirtschaft investieren will. Wenn das Paket die richtigen Anreize setzt, kann daraus ein Vielfaches an privaten Investitionen entstehen.

Der Mittelstand ist nicht nur für die deutsche Wirtschaft wichtig, sondern auch für die Sparkassen. Bereitet Ihnen die zunehmende Zahl an Insolvenzen Sorge? Inwieweit schlägt sich das in der Zahl der notleidenden Kredite und der entsprechenden Risikovorsorge nieder?

Wir sehen eine leichte Zunahme der Insolvenzen, aber keine Welle, die Sorgen bereiten müsste. Die Substanz im Mittelstand ist stark, die Eigenkapitalausstattung solide. Die Kreditqualität in der Sparkassen-Finanzgruppe bleibt stabil, unsere Risikovorsorge ist vorausschauend. Sorgen bereiten uns eher die strukturellen Belastungen, die die Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstands herausfordern: hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und bürokratische Hemmnisse. Wenn die Politik hier mutige Reformen anpackt, bleibt der Mittelstand der Wachstumstreiber und Innovator, der er immer war.

Derzeit bindet die Regulierung Ressourcen, die besser an anderer Stelle eingesetzt wären: bei der Finanzierung des Mittelstands und der Beratung unserer Kundschaft.

DSGV-Präsident Ulrich Reuter

Zu den jüngsten Vorschlägen von BaFin und Bundesbank zur regulatorischen Entlastung kleinerer Institute: Schafft das sogenannte Kleinbankenregime tatsächlich die gewünschte Entlastung?

Das ist ein Schritt in die richtige Richtung. Derzeit bindet die Regulierung Ressourcen, die besser an anderer Stelle eingesetzt wären: bei der Finanzierung des Mittelstands und der Beratung unserer Kundschaft. Wir brauchen eine Aufsicht, die stabile Geschäftsmodelle wie das der Sparkassen erkennt und Investitionen ermöglicht. Wir brauchen eine Regulierungspause, keine neuen Regeln mehr. Das ist auch ein massiver Wettbewerbsfaktor. Wir brauchen Freiräume, um die Investitionsagenda der Politik mit Leben zu füllen.

Mit ihrer Wertpapierstrategie Depot Vision wollen Sie Neobanken stärker etwas entgegensetzen. Wie können die Sparkassen für jüngere Kunden attraktiver werden, die oftmals nicht so viel Wert auf die persönliche Beratung vor Ort und ein dichtes Filialnetz legen?

Die Sparkassen sind mit ihren Produkten Marktführer in Deutschland. Auch bei jungen Kundinnen und Kunden. Wir wollen uns aber weiter verbessern. Kern unserer Wertpapierstrategie ist ein standardisiertes Volldepot bei jeder Sparkasse, in dem Kundinnen und Kunden künftig ihre Fondsanteile, aber auch Aktien, ETFs und sogar Kryptowährungen verwahren können. Das allein unterscheidet uns von anderen Anbietern nicht. Gerade junge Menschen, die für ihre Zukunft Vermögen aufbauen wollen, sollten sich aber fragen: Wer ist in 30, 40 der sogar 50 Jahren noch da, wenn ich daraus meine Rente finanzieren will. Neobroker? Ich denke, da ist man bei seiner Sparkasse gut aufgehoben.

Wero ist ein Meilenstein für den europäischen Zahlungsverkehr.

DSGV-Präsident Ulrich Reuter

Können Sie die Kritik von Finanzwende nachvollziehen, dass die Sparkassen beim Projekt Crossmo lieber mit europäischen Partnern kooperieren sollten als mit US-Instituten, Stichwort europäische Souveränität?

Ich halte diese Kritik für zu kurz gegriffen. Crossmo ist ein pragmatisches Projekt, das den Kundinnen und Kunden günstigere und einfachere Auslandsüberweisungen ermöglicht. Die technische Kooperation mit BNY Mellon ist Ausdruck wirtschaftlicher Vernunft: Wir bauen europäische Kompetenz auf – aber wir nutzen Partnerschaften dort, wo sie Kundennutzen, Sicherheit und Effizienz verbessern. Mehr Souveränität bedeutet keinen Rückzug von der Welt, sondern dort zusammenzuarbeiten, wo es den Menschen und Unternehmen in Europa nützt.

Bleiben wir beim Thema europäische Zusammenarbeit. Wie zufrieden sind Sie mit dem Start von Wero?

Wero ist ein Meilenstein für den europäischen Zahlungsverkehr. Bislang ist Europa bei vielen Paymentangeboten auf außereuropäische Anbieter angewiesen – selbst bei Alltagszahlungen. Das kann auf Dauer mit Blick auf den Schutz von Kundendaten und auf Abhängigkeiten gefährlich sein. Und wir wollen auch unsere gewerblichen Kunden nicht dem Wohlwollen außereuropäischer Akteure ausliefern. Mit Wero entsteht eine Alternative – entwickelt von europäischen Finanzinstituten für europäische Bürgerinnen und Bürger, auf der Basis europäischer Werte. Mit europäischem Datenschutz und jenseits von politischen Einflussnahmen von irgendwo in der Welt. Mit schon jetzt gut 43 Millionen aktiven Nutzern von Wero in Europa sind wir hochzufrieden.

Was sind die nächsten Schritte bei Wero?

Der nächste Schritt ist die Skalierung: im Handel, im E-Commerce und in den Kommunen. Der Zahlungsprozess wird über QR-Codes und Instant Payments noch einfacher. Es gibt bereits große Händler, die ihre Teilnahme öffentlich gemacht haben, andere werden dazukommen.

Langsamer geht es mit dem digitalen Euro voran. Hessens Sparkassen-Präsident Stefan Reuß fordert deshalb, dass die EZB im Privatkundenbereich auf den digitalen Euro verzichtet und stattdessen stärker Wero unterstützt. Schließlich Sie sich dieser Forderung an?

Wir vertreten diesen Punkt gemeinsam. Auch die EZB hat im Übrigen kürzlich der Wholesale-Variante durch Projekte Impulse gegeben. So wie der digitale Euro derzeit geplant ist, darf er sicherlich nicht kommen. Eine parallele Infrastruktur zu Angeboten im Wettbewerb macht keinen Sinn. Und europäische Souveränität stärkt man auch nicht, wenn man unsere IT-Kapazitäten für rund vier Jahre allein mit dem digitalen Euro auslastet. Denn das bedeutet, dass in dieser Zeit außereuropäische Wettbewerber an uns vorbeiziehen. Ein digitaler Euro schafft nur dann einen Mehrwert, wenn er mit Marktlösungen wie Wero und vor allem mit den Konten verknüpft wird. Ich denke, dass auch die EZB profitieren würden, wenn sie auf die Kundennähe und das Kundenvertrauen von Marktakteuren aufsetzt. Das ist nämlich in der Praxis schwieriger zu erreichen als manche heute glauben. Oder um es auf den Punkt zu bringen: Ein Prestigeprojekt braucht niemand. Lassen Sie uns da mehr Praxis und Pragmatismus reinbringen, dann sind wir dabei.

Zum Schluss: KI ist in aller Munde. Wie wird KI bereits im Sparkassensektor genutzt?

KI ist längst Teil unseres Alltags – aber immer verantwortungsvoll und sicher eingesetzt. Wir nutzen sie etwa bei der Betrugsprävention oder zur Unterstützung der Beratungsvorbereitung. KI hilft, Prozesse zu vereinfachen und Mitarbeiter zu entlasten, sie ersetzt aber keine menschliche Entscheidung. KI schließt Lücken, ersetzt aber keine Mitarbeitenden. Unsere Kundschaft nutzt KI-Anwendungen täglich – zum Beispiel, indem sich Rechnungen bei der Überweisung einfach abfotografieren lassen.

Das Interview führte Martin Pirkl