Kleine Volksbanken feiern Vorstoß von Bundesbank und BaFin
Kleine Volksbanken feiern Vorstoß von Bundesbank und BaFin
Applaus für das Kleinbankenregime
Interessengemeinschaft der kleineren Volksbanken lobt „revolutionären“ Vorstoß von BaFin und Bundesbank – Umsetzung nur europaweit möglich
Von Thomas List, Montabaur
Kleine Banken fordern seit langem mehr Proportionalität bei der Regulierung. Entsprechend positiv aufgenommen haben die Mitglieder der IG Genobanken auf ihrem Jahrestreffen in Montabaur das „Non-Paper“, in dem BaFin und Bundesbank drastische Erleichterungen vorschlagen.
Einst haben sich bei der Raiffeisenbank im Fuldaer Land zwei Beschäftigte um Bankenaufsicht und die bankeigenen Immobilien gekümmert, heute seien 20 von insgesamt 101 mit dem Wertpapier- und Aufsichtsrechts befasst. Vorstand Torsten Leinweber schilderte am Mittwoch auf dem Jahrestreffen der Interessengemeinschaft kleiner und mittlerer Genossenschaftsbanken (IG Genobanken) exemplarisch, wie der steigende regulatorische Aufwand sein Haus belastet. Zwar weise die Entwicklung auf nationaler Ebene seit geraumer Zeit in die richtige Richtung, räumte Leinweber ein: „Doch international kommt immer noch ein Päckchen obendrauf.“
Aufsicht pocht auf Erhalt des Sicherheitsniveaus
Schon seit Jahren drängen kleinere Volksbanken und Sparkassen auf eine Entlastung von den aus ihrer Sicht überzogenen regulatorischen Anforderungen. Mit einem gemeinsamen Vorschlag für ein Kleinbankenregime haben BaFin und Bundesbank vor einigen Wochen deutlich gemacht, dass diese Forderung bei ihnen angekommen ist. Wie Christian Bank, Leiter der für Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Spezialbanken zuständigen Abteilung BA4 bei der BaFin, betonte, dürfen die regulatorische Erleichterungen jedoch nicht dazu führen, dass das Sicherheitsniveau sinke.
Kapitalanforderungen bleiben
Weder die BaFin noch die Bundesbank oder die EZB wollten Kapitalanforderungen absenken, betonte Bank in seinem Impulsvortrag. Ziel des vorgeschlagenen Kleinbankenregimes sei es vielmehr, die Komplexität zu reduzieren. Nachdem der Bundesverband der deutschen Volks- und Raiffeisenbanken (BVR) und der Deutsche Sparkassen und Giroverband (DSGV) den in einem gemeinsame Non-Paper zum Small Banking Regime begrüßt hatten, widmete die IG Genobanken einen großen Teil ihres Jahrestreffens in Montabaur dem Thema.
Schließlich dürfte ein Großteil der 300 Mitgliedsinstitute der Interessengemeinschaft, von denen ein Drittel vertreten waren, zu den potenziellen Nutznießern gehören. Die vorgeschlagenen Erleichterungen seien keine Evolution, sondern eher eine Revolution, war dort anerkennend zu hören. Allerdings müsse auch an laufenden Projekten wie der Novelle der Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) gearbeitet werden.
Proportionalität als strategisches Ziel
Bank stellte die enge Kooperation seiner Behörde mit der Bundesbank heraus: „Zwischen uns passt kein Blatt“. Das Thema Proportionalität in der Bankenaufsicht gehöre allerdings nicht erst seit der Publikation des Vorschlags für ein Kleinbankenregime zu den strategischen Zielen der BaFin.
Neuer Weg
Die nach der Finanzmarktkrise vom Baseler Bankenausschuss entwickelte Regulierung für international tätige Banken wurde in der EU über die Capital Requirements Regulation (CRR) umgesetzt. Diese regelt die Eigenmittelanforderungen für Kreditinstitute ohne Ansehen der Größe, weshalb die Umsetzung zwangsläufig zu einer überproportionalen Belastung kleiner Institute geführt habe, wie der BaFin-Vertreter erläuterte.
Statt über Erleichterungen der bestehenden regulatorischen Vorgaben nachzudenken, hätten BaFin und Bundesbank mit dem Non-Paper einen ganz neuen Weg beschritten. Bank: „Wir haben uns gefragt: Was brauchen wir als Aufsichtsbehörden für eine vernünftige Regulierung, ohne dabei die Kapitalanforderungen zu reduzieren?“
Umsetzung kein Selbstläufer
Das Ergebnis dieser gemeinsamen Überlegungen ist, die geltenden risikobasierten Eigenmittelanforderungen durch die Verschuldungsquote (Leverage Ratio) abzulösen. „Das ist ein Diskussionsvorschlag“, betonte Bank. Allerdings zeigten Beispiele aus der Schweiz und den USA, dass ein solches Kleinbankenregime praktikabel sei.
Im Alleingang könne Deutschland das jedoch nicht umsetzen: „Für eine solche Idee müsste man die EU-Regulierung ändern.“ Ein Selbstläufer dürfte das nicht werden, wie Bank durchblicken ließ. Denn die große Mehrheit (etwa 76%) der kleineren und mittleren Banken in der Europa seien Deutschland und Österreich beheimatet.
„CRR nicht reformierbar“
Beim Baden-Württembergischen Genossenschaftsverband kommen viele der im Non-Paper zur Diskussion gestellten Ideen jedenfalls gut an. Die CRR III sei nicht reformierbar, weil sie zu kompliziert ist, sagte Manfred Bitterwolf, Leiter Grundsatzfragen Bankenaufsicht/KWG. Er lobte den vorgeschlagenen Wegfall der risikoadjustierten Kapitalvorschriften, die Vereinfachung der Kapitalpuffer und der Eigenmittelzielkennziffer (Eigenmittelempfehlung) sowie des sehr aufwendigen Stresstests. An dessen Stelle soll nach den Vorstellungen der deutschen Aufsicht ein Top-Down-Stresstest treten, der mit wenigen Daten auskommt.
Bitterwolf lobte auch die angestrebte radikale Vereinfachung der Meldevorschriften: „Für kleinere und mittlere Banken sollen ganze Meldeformate entfallen. Nur noch ein Datenformat mit einer noch offenen Zahl von Datenpunkten soll übrig bleiben.“
Die vereinfachte NSFR (Net Stable Funding Ratio) sei ein „Rohrkrepierer“ gewesen, weil sie sehr kompliziert und mit enormen Kosten verbunden sei. „Die radikale Lösung wäre, die NSFR für die kleinen Institute wegfallen zu lassen.“ Genau das forderten BaFin und Bundesbank in ihrem Non-Paper. An Stelle der NSFR soll eine einfache Strukturquote treten. Bitterwolf: „Das könnte ein Kredit-Einlagen-Verhältnis sein.“
Verweise statt Leitplanken
Mit Blick auf die geplante Verschlankung der MaRisk, die laut BaFin im dritten oder vierten Quartal 2026 kommen soll, sprach sich Bitterwolf für Prinzipienorientierung aus: „Statt Verweisen muss es künftig Leitplanken geben.“ BaFin-Vertreter Bank zufolge werden sich die Anforderungen an das Risikomanagement tatsächlich stärker an Prinzipien ausrichten: „Die unbestimmten Rechtsbegriffe müssen ausgelegt werden.“ Banken und Aufseher seien aufgefordert, dies zukünftig großzügiger zu tun.
Ralf Patock, Vorstandschef der Stadtsparkasse Grebenstein, mit 300 Mill. Euro Bilanzsumme und 50 Mitarbeitern die kleinste Sparkasse Deutschlands, rief in der anschließenden Podiumsdiskussion dazu auf, diese Spielräume auch konsequent zu nutzen.
20 umsetzbare Vorschläge auf dem Tisch
Mit dem Ziel, die Regulatorik zu vereinfachen, haben Vertreter von Genossenschaftsbanken und Sparkassen im Juli 2024 die Arbeitsgruppe mit dem programmatischen Namen „Weniger ist mehr“ gegründet. „Wir haben rund 20 Vorschläge erarbeitet, die sich schnell auf nationaler Ebene umsetzen lassen“, sagte die Mit-Initiatorin der Arbeitsgruppe Christina Wehmeier vom DSGV. Außer um die Novelle der MaRisk gehe es dabei etwa um die prinzipienorientierte Regulierung und LSI-Stresstest Top down.
Holger Mielk, Bereichsleiter Bankenaufsichtsrecht beim BVR, beklagte, dass seit der Finanzkrise die Flexibilität der Regulierung verloren gegangen sei. Die Ursache ortet er im Wechsel der Rechtssetzungsmechanik und der Tätigkeit der European Banking Authority (EBA): „Früher wurden in Brüssel Richtlinien verabschiedet, die dann an den nationalen Markt adaptiert wurden.“
Schweiz als Blaupause
Mielk lobte den „eher revolutionären als evolutionären“ Ansatz des vorgeschlagenen Kleinbankenregimes: „Hier wird am System gearbeitet, nicht im System.“ Über 15 Jahre habe man aus dem von Basel vorgegebenen System bestimmte Bausteine herausgenommen – „mit sehr bescheidenem Erfolg.“ Jetzt habe die Aufsicht die Perspektive gewechselt. „Diese Ideen durchzusetzen, wird ein sehr dickes Brett.“ Zentral ist für Mielk, dass sich die meisten Institute, die gemeint sind, für das neue Kleinbankenregime auch qualifizieren können. Dabei geht es um die Leverage Ratio, deren Höhe noch offen ist. In der Schweiz muss das mit dieser Kennziffer bezeichnete Verhältnis zwischen Eigenkapital und Bilanzsumme bei 8% liegen. Diese Größenordnung gilt auch als realistisch für eine EU-Regelung.
Risikobasierte Daten weiter notwendig
Mielk warnte jedoch vor falschen Erwartungen durch ein neues Kleinbankenregime. „Wenn das morgen wie von BaFin und Bundesbank skizziert eingeführt werden würde, bedeutet das nicht, dass alle risikobasierten Daten überflüssig wären.“ Denn niemand könne seine Bank nur über das Leverage Ratio steuern. Das gelte auch für die verbundeigene Sicherungseinrichtung. „Würden wir die nur über die Leverage Ratio steuern, würde das vermutlich zu erheblichen Fehlsteuerungsanreizen führen“, gab er zu bedenken.
Non-Paper liegt bei der EZB
BaFin und Bundesbank ihr Non-Paper in eine Arbeitsgruppe der EZB unter Leitung von EZB-Vizepräsident Luis de Guindos gegeben, sagte Mielk. Bis Ende dieses Jahres werde die Arbeitsgruppe einen Bericht für die EU-Kommission schreiben. „Auf dieser und anderen Grundlagen erstellt die Kommission dann bis Mitte 2026 eine eigene Road Map. Es muss uns gelingen, so viele Punkte wie möglich aus dem Non-Paper in diese Road Map zu bekommen.“ Im besten Fall Ende 2027, realistisch eher 2028 könne dann ein Ansatz Wirklichkeit werden, der tatsächlich für substanzielle Entlastungen sorgen wird.