SERIE: BANKEN IM DIGITALEN WANDEL (18)

Sparkassen stolpern in die digitale Zukunft

Zentrale Entwicklungsvorhaben machen dezentraler Gruppe schwer zu schaffen - Fahrenschon sieht "deutlichen Handlungsbedarf" - Verantwortlicher muss gehen

Sparkassen stolpern in die digitale Zukunft

Obwohl Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon “deutlichen Handlungsbedarf” bei der Digitalisierung der Institute konstatiert, wird in der S-Familie gezaudert, gezetert und abgeblockt.Von Ulli Gericke, BerlinDigitalisierung und Sparkassen passen irgendwie nicht richtig zusammen. Natürlich kann auch bei den “Roten” das Konto online geführt werden, und ebenso natürlich gibt es eine Sparkassen-App für das “mobile Online-Banking”, wie es unter der Adresse www.sparkasse.de so hübsch formuliert ist. Diese App für “Bankgeschäfte per mobilem Festnetz” (wie die Übersetzung dann wohl lauten müsste) wurde auch mehrfach ausgezeichnet, etwa jüngst als Branchenbester von der Stiftung Warentest oder schon etwas früher vom Computermagazin “Chip”.Doch abgesehen von dieser digitalen Grundversorgung und dem Leuchtturmprojekt Sparkassen-App tut sich die öffentlich-rechtliche Finanzgruppe, die immer so stolz darauf ist, dezentral bis auf die Knochen zu sein, äußerst schwer mit zentralen Entwicklungsprojekten. Aus Prinzip. Und weil jedes angedachte große Vorhaben Anlass gibt für Kleinkriege zwischen dem Regionalverband hier und dem dort und am besten gegen die Zentralisten vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband (DSGV) in Berlin.Ein ganzes Jahr lang haben beispielsweise die Baden-Württemberger hin- und herüberlegt, ob man der immer übermächtigeren Konkurrenz von Paypal nicht am besten mit einer selbst entwickelten Sparkassen-Lösung entgegentreten sollte – und sie würden wahrscheinlich immer noch die Vor- und Nachteile abwägen, wenn nicht die privaten und genossenschaftlichen Banken einen Schlussstrich gezogen und die Anti-Paypal-Lösung Paydirekt auf eigene Kappe entwickelt hätten. Womit sich zumindest zwei der drei Säulen der hiesigen Finanzwirtschaft als handlungsfähig erwiesen.Während etwa die Volks- und Raiffeisenbank Landsberg-Ammersee bereits seit Wochen auf ihrer Startseite im Internet auf das neue Online-Bezahlverfahren ab 1. Oktober neugierig macht, haben die Sparkassen noch nicht einmal die Gesellschaft GIZS GmbH & Co KG gegründet, die die Sparkassen-Interessen bei Paydirekt vertreten soll – vom Beitritt in das Bezahlsystem als Dritteleigner ganz zu schweigen. Denn nach langem (Ver-)Zögern hatte sich der Verband erst im April für eine Teilnahme entschieden.Dass dies kein Einzelfall ist, sondern quasi Sparkassen-systemimmanent, machte DSGV-Präsident Georg Fahrenschon Ende vergangenen Jahres in einer Brandrede deutlich. Unter Verweis auf die dringend notwendigen Finanzinnovationen und nach den Vorbildern der Erste Bank der österreichischen Sparkassen oder der Sparkasse KölnBonn, die eigenständige Tochterfirmen als Innovationstreiber gegründet hatten, wurde vor gut Jahresfrist ein S-familienübergreifendes Experimentierlabor angeschoben, mit dem Impulse Fachfremder für die Sparkassen nutzbar gemacht werden sollten.Allerdings weigere sich eine Region, den demokratisch gefassten Mehrheitsbeschluss mitzutragen, wetterte Fahrenschon in seiner Philippika auf der DSGV-Mitgliederversammlung. “Aus meiner Sicht ist die Sache klar: Wir entscheiden hier mit Mehrheit, und Beschlüsse gelten für alle. Notfalls muss das auch so durchgesetzt werden.” Es könne jedenfalls nicht sein, “dass wir notwendige Innovationen und die dazu vorgesehene Einheit unterlassen, weil Einzelne uns blockieren”. Nicht ohne im gleichen Atemzug zu mahnen, dass die Sparkassen “deutlichen Handlungsbedarf bei mobilen und Online-Zahlungssystemen” hätten. Gefahr erkannt, aber nicht gebannt. Als Postskriptum sei angemerkt, dass dieser Streit inzwischen ein gütliches Ende gefunden hat – viel Kraft und viel Zeit hat er dennoch geraubt. Schmalzl statt Gooßens?Kein gütliches Ende hat dagegen die Karriere von Ludger Gooßens gefunden. Der 58-Jährige, der den DSGV Ende September “im besten Einvernehmen” überraschend vorzeitig verlässt, steht neben dem Präsidenten und Karl-Peter Schackmann-Fallis als drittes geschäftsführendes Vorstandsmitglied an der Spitze des Verbands, mit Zuständigkeit für Markt, Betrieb und Personal, vor allem aber den Zahlungsverkehr sowie neue Payment-Lösungen. Bereiche, die durch mittlerweile etablierte Wettbewerber wie Paypal oder neue Konkurrenten wie Dutzende von Fintech-Firmen enorm in Bewegung geraten sind.Dem selbst eingeräumten “deutlichen Handlungsbedarf” konnte Gooßens – vermeintlich oder wirklich – zu wenig entgegenstellen – wobei einige in der Sparkassen-Familie besonders scharfe Kritik an ihm aus dem Südwesten vernahmen. Dort, wo lange über eine eigene “S-Paydirekt”-Lösung gegrübelt wurde. Dort, wo mit dem Deutschen Sparkassenverlag ein eigenes Kompetenzzentrum für digitale Aktivitäten und der Kartenspezialist für die Sparkassen-Finanzgruppe zu Hause ist. Gut möglich, dass sich mit dem erzwungenen Abschied von Gooßens Gewichte innerhalb der S-Familie verschieben. Zulasten des DSGV in Berlin und seines Präsidenten Fahrenschon.Als Nachfolger für Gooßens wird Joachim Schmalzl gehandelt, Finanzvorstand der Sparkasse KölnBonn, auf dessen Initiative hin das dortige Innovationslabor installiert wurde. “Ein absoluter IT-Experte”, wird der 50-Jährige sparkassenintern gelobt, der als Mitglied des Lenkungsausschusses beim GIZS-Embryo schon seit längerem eng mit dem Paydirekt-Engagement verbunden ist.Anders als die alle interessierenden Personalia findet die alltägliche Arbeit an Digitalisierungsprojekten eher im Stillen statt. Denn eine bessere Modellorganisation, die mit schlüsselfertigen Konzepten Kosten senken und den Service verbessern soll, wirkt primär institutsintern. Mit dem Modell Multikanal werden etwa Sparkassen unterstützt, die Abwicklungsprozesse sämtlicher Vertriebskanäle, die der Kunde nutzt, zu harmonisieren.Beim Modell Passiv- und Dienstleistungsgeschäft soll das Vertragshandling einfacher und papierlos werden – einschließlich aller individuellen Vertragsbestandteile und Einwilligungen des Vertragspartners samt dessen Unterschriften. In Arbeit sind darüber hinaus einfache Lösungen für beispielsweise einen sofortigen Konsumentenkredit – wie ihn diverse Fintechs in verschiedensten Varianten schon länger anbieten. Bei den Sparkassen loggt sich der Kunde mit dem Smartphone bei seinem Institut ein und bekommt bei Vorliegen der Voraussetzungen unmittelbar die Liquidität eingeräumt. Zudem entwickeln die “Roten” für eine sicherere Kommunikation zwischen Berater und Kunden jenseits des elektronischen Postfachs einen “eSafe”, in dem Vertragsunterlagen, Kontoauszüge, aber auch Nachrichten “mit höchster Sicherheit nach deutschem Datenschutzrecht” gebunkert werden können. Unterschiedliche StrategienHintendran sind die Sparkassen auch mit ihren Videoprojekten. Angefangen bei der Videoberatung samt Zuschaltung eines Experten zum Beratungsgespräch bis zur Videolegitimation, die etwa bei der BayernLB-Tochter DKB Deutsche Kreditbank – auch ein Institut der öffentlich-rechtlichen Gruppe – schon bei gut einem Drittel der Kontoeröffnungen angewandt wird. Die Berliner fahren allerdings auch eine andere Strategie: Statt auf gemeinsame Verbundlösungen zu warten, wird selbständig und vor allem rasch gehandelt – weil die Kunden sonst abwandern würden.”Wir sind ein Mediator der Kundenbedürfnisse”, beschreibt DKB-Chef Stefan Unterlandstättner das Selbstverständnis seines Hauses. Und wenn die Kunden Paypal nutzen wollen, wird Paypal akzeptiert und nicht auf Paydirekt gewartet und schon gar nicht monatelang darüber diskutiert, ob man nicht eine eigene Lösung anbieten könnte. In dieses Bild passt auch, dass die Online-Bank inzwischen mit zwei Finanz-Start-ups zusammenarbeitet, um den Kontowechsel zu vereinfachen oder Geld von Handy zu Handy überweisen zu können. Jährlich rund 300 000 Neukunden sind das Resultat. “Vielleicht sollten wir einfach mal das ein oder andere Fintech-Unternehmen kaufen, statt alles nach vielen zeitaufwendigen Absprachen selbst zu entwickeln”, heißt es bei den Sparkassen.—-Zuletzt erschienen: – “Wir würden niemals diese Daten weiterverkaufen” (10. September)- HVB arbeitet an höherer Schlagkraft (9. September)