AKTIEN

Überzeugende Dauerläufer

Unternehmen, die durch ihr Geschäftsmodell nachhaltiges Wachstum und dauerhaft hohe Margen generieren, sind langfristig für Anleger besonders interessant. Allerdings fällt die Bewertung dieser Aktien mitunter sehr ambitioniert aus. Von Helmut Kipp ...

Überzeugende Dauerläufer

Unternehmen, die durch ihr Geschäftsmodell nachhaltiges Wachstum und dauerhaft hohe Margen generieren, sind langfristig für Anleger besonders interessant. Allerdings fällt die Bewertung dieser Aktien mitunter sehr ambitioniert aus.Von Helmut KippBei Leichtathletikwettkämpfen fasziniert der Sprint das Fernsehpublikum. Bruchteile einer Sekunde entscheiden, wer ein 100-Meter-Rennen gewinnt. Die Protagonisten haben das Potenzial, ein Weltstar zu werden – wie der achtfache Olympiasieger Usain Bolt. Die langen Distanzen finden weniger Interesse. Nur Insider kennen die Spitzenläufer im Marathon. Das hängt schon mit der Renndauer zusammen. Selbst die schnellsten Athleten benötigen mehr als zwei Stunden für die Strecke von 42,195 Kilometern. Ähnlich verhält es sich bei Aktieninvestments. Viele Anleger hoffen auf schnelle Gewinne, indem sie auf populäre Empfehlungen, Turnaround-Situationen, Überraschungen bei Quartalszahlen oder charttechnische Signale setzen. Doch bringen solche kurzfristigen Spekulationen oft nicht den erhofften Profit. Eine Alternative sind Aktien von Unternehmen, denen es gelingt, über einen langen Zeitraum Umsatz und Ertrag zu steigern. Solche Konzerne verfügen über Geschäftsmodelle, die Wettbewerber schwer attackieren können. Ihre Aktien bringen Anlegern, die Geduld und Disziplin mitbringen, auf Dauer häufig überdurchschnittliche Erträge.Es gibt verschiedene Faktoren, die eine dominante Marktstellung begründen. Dazu gehören Patente, starke Marken, enge Kundenbeziehungen, hohe Reputation, technische Überlegenheit, Kostenführerschaft, Größenvorteile in der Produktion, gute Führungsstrukturen oder dauerhafte Netzwerkeffekte. Diese Faktoren führen dazu, dass Produkte oder Dienstleistungen schwer reproduzierbar sind. Investoren sprechen von einem Burggraben, der dem Unternehmen die Konkurrenz vom Leibe hält und hilft, aus eigener Kraft nachhaltig zu wachsen und die Gewinnspannen hoch zu halten.Entscheidend ist, dass die Wettbewerbsvorteile wirklich dauerhaft sind. In der dynamischen Unternehmenswelt können scheinbar überlegene Geschäftsmodelle durchaus schnell ins Wanken geraten, etwa durch technische Umwälzungen. Typisches Beispiel ist Nokia: Die Handys der Finnen hatten einst Kultstatus, doch den Sprung zum Smartphone verpasste der Konzern. Vergangenheit bietet Orientierung”Langfristig orientierte Anleger sollten schwerpunktmäßig auf Unternehmen setzen, die in der Vergangenheit bereits vieles richtig gemacht haben und dies durch ihren heutigen Trainingszustand auch beweisen können”, empfiehlt der Analyst Christian Kahler, Chef-Anlagestratege der DZ Bank. Denn die Börse honoriert in der Regel nachhaltige Umsatz- und Gewinnzuwächse. So brachte der Healthcare-Konzern Fresenius Anlegern über zehn Jahre durchschnittlich 14 % Rendite jährlich, das Doppelte eines Dax-Investments. SAP kam auf 12 %, Henkel auf 17 %. Allerdings weisen gerade viele Aktienlangläufer sehr hohe Bewertungen auf. Beispiele sind der Medizintechnikkonzern Carl Zeiss Meditec oder Nemetschek, ein Anbieter von Planungssoftware für Architekten und Ingenieure, und übrigens auch US-Tech-Schwergewichte wie Amazon. Populär durch Warren BuffettPopulär gemacht hat den Burggraben-Ansatz der amerikanische Investor Warren Buffett. Der Chef der Investmentholding Berkshire Hathaway, inzwischen 88 Jahre alt, stellt die Langlebigkeit eines Geschäftsmodells in den Mittelpunkt seiner Analysen. Er hat damit den ursprünglich stark bilanzorientierten Ansatz der Value-Investoren weiterentwickelt und um den Faktor Wachstum ergänzt. Durch langfristige Investments in US-Aktien wie Coca-Cola, American Express oder Wells Fargo stieg der legendäre Anleger in die Gilde der reichsten Menschen der Welt auf. Die ersten Coca-Cola-Aktien kaufte Buffett im Sommer 1988. Und noch immer zählt der Getränkehersteller zu den größten Berkshire-Investments. Zwar sind viele Verbraucher inzwischen zurückhaltender geworden beim Konsum der süßen Softdrinks und legen mehr Wert auf kalorienärmere Nahrungsmittel, doch verfügt der Brausekonzern nach wie vor über eine der weltweit bekanntesten Marken, erwirtschaftet weiter üppige Renditen und zählt zu den verlässlichsten Dividendenzahlern. Neue Geschäftsfelder wie Kaffee sollen Expansionspotenzial eröffnen. Apple mit hoher KundenbindungDie Top-Position im Berkshire-Portfolio hält Apple, wo Buffett 2016 einstieg. Er sieht den iPhone-Anbieter, der unlängst die Marke von 1 Bill. Dollar Börsenwert knackte, weniger als Technologie-, sondern mehr als Konsumgüterkonzern, der hohe und verlässliche Cash-flows erwirtschaftet und eine enorme Kundenbindung ausstrahlt. Inzwischen hält Berkshire Apple-Aktien im Wert von 57 Mrd. Dollar. “Apple ist ein großartiger Konzern. Am liebsten würden wir 100 % halten”, sagt Buffett.Zu den führenden Markenartiklern aus Deutschland gehört der Persil- und Pritt-Hersteller Henkel. Die Düsseldorfer, deren Aktien vergleichsweise moderat bewertet sind, haben in neun der vergangenen zehn Jahre Umsatz und Gewinn ausgebaut. Bei Sportartikeln ist Adidas voran dabei. Konkurrent Nike ist zwar größer und profitabler, doch der Konzern mit den drei Streifen macht Boden gut. Er verstärkt die Investitionen in Informationstechnik und Infrastruktur, baut den Onlinehandel aus und strafft das Produktangebot. So lassen sich höhere Verkaufspreise und ein besserer Produktmix erzielen. Visa mit stabilen EinnahmenEin weiteres Geschäftsmodell mit stabilen Einnahmenströmen sind Kreditkarten wie Visa. Denn bei jedem Bezahlvorgang mit der Karte wird dem Händler oder Hotelbetreiber eine Provision in Rechnung gestellt. Das läppert sich. Das Wachstum speist sich aus der zunehmenden Verbreitung des Plastikgelds in Schwellenländern. Hinzu kommt, dass mit dem Wohlstand das Transaktionsvolumen steigt, das über die Karte abgewickelt wird. Zwar sind mit dem E-Commerce-Vordringen neue Wettbewerber entstanden, etwa Paypal, doch gehen Analysten wie Diana Keenan von der Investmentgesellschaft Franklin Templeton davon aus, dass Kartennetzwerke eine größere Reichweite haben als andere Anbieter und weiterhin attraktive Anlagechancen bieten.Im Gesundheitssektor fällt Fresenius auf. Der Konzern bringt Umsatz und operativen Gewinn stetig voran – um mehr ein Zehntel jährlich im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Fresenius ist weltweit Nummer 1 in der Behandlung von chronischem Nierenversagen, Europas größte private Klinikgruppe und führend in Infusionstherapie und klinischer Ernährung. Dieses Niveau an Diversifikation ist nach Ansicht des Bankhauses Berenberg im europäischen Medizintechniksektor anderswo schwer zu finden. Megatrends wie die alternde Bevölkerung und die Ausbreitung von Diabetes, die Nierenversagen begünstigt, unterstützen das Wachstum. Hinzu kommen Akquisitionen, die überwiegend fremdfinanziert werden. Aufgrund des hohen freien Cash-flows kann die Verschuldung nach einer Übernahme zügig wieder abgebaut werden.Auch Eurofins Scientific setzt auf Zukäufe. Das an der Börse Paris notierte Unternehmen erstellt Laboranalysen für die Bereiche Nahrungsmittel, Pharmazie, Konsumgüter oder Umwelt. Das Aufspüren und die gute Integration von Akquisitionen und die erfolgreiche Verbindung aus Wissenschaft und Geschäftssinn haben Eurofins einen langen Kursaufschwung beschert. Die Aktie ist laut einer Analyse der Kapitalmarktfirma Marten & Co aus dem Jahr 2017 die beste Europas mit einer jährlichen Wertsteigerung von einem Drittel über 20 Jahre – ein Langläufer also, der gleichsam im Sprinttempo unterwegs war.