Genossenschaftsbanken

Volks- und Raiffeisenbanken wollen ihr Kernbankensystem modernisieren

Die Genossenschaftsbanken wollen ans Eingemachte: Das Kernbankensystem soll in den kommenden Jahren modernisiert und standardisiert werden. Das kostet weitere Millionen an zusätzlichen Investitionen.

Volks- und Raiffeisenbanken wollen ihr Kernbankensystem modernisieren

Volks- und Raiffeisenbanken wollen ihre zentrale IT modernisieren

Rechenzentrale Atruvia soll Kernbankensystem überarbeiten – Mehr Standardisierung für geringere Kosten – Beschlüsse zu neuen Investitionen

Von Silke Stoltenberg, Frankfurt

Die Volks- und Raiffeisenbanken stehen vor einem großen Schritt: Sie wollen ihr Kernbankensystem modernisieren und müssen dafür zunächst weitere IT-Lasten stemmen. Dazu soll nach Informationen der Börsen-Zeitung der Aufsichtsrat des genossenschaftlichen IT-Dienstleisters Atruvia diesen Freitag eine einmalige Verlängerung der eigentlich endenden IT-Umlage von jährlich 60 Mill. Euro für 2023 beschließen. Für die Zeit ab 2024 wird über eine Verdoppelung der Beiträge der rund 700 Genossenschaftsbanken auf 120 Mill. Euro pro Jahr diskutiert. Die Entscheidung hierzu steht im Herbst an. Durch die schrittweise Erneuerung des Kernbankensystems Agree 21, also die IT-Grundlage der Steuerung und Produktion, sollen perspektivisch 80% der Aufwendungen für die Produktion in Form von IT-, Verwaltungs- und Personalkosten eingespart werden.

Damit gehen die Diskussionen der vergangenen Wochen über die künftige Digitalisierung der genossenschaftlichen Finanzgruppe und die dafür notwendigen Investitionen in die Rechenzentrale in eine konkretere Richtung als bislang. Statt um neue digitale Produkte und Chancen etwa im Firmenkundengeschäft geht es also zunächst ums Eingemachte. Nun soll, so wurde vor kurzem im Verbandsrat des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) besprochen, als grundlegende Basis für die angestrebten weiteren digitalen Neuerungen in der Zukunft zunächst Agree 21 Schritt für Schritt durch das Hinzufügen neuer Module bis 2027/28 modernisiert werden. Atruvia und BVR wollten auf Anfrage keine Stellung zu den Informationen beziehen.

Die IT-Umstellung soll auch den sich verschärfenden Fachkräftemangel angesichts der demografischen Entwicklung abfedern. Ziel dabei ist eine deutlich höhere Standardisierung der Produktions- und Steuerungsprozesse. Diese Stoßrichtung macht manch einer der selbständigen Genossenschaftsbanken vor Ort Sorgen, da der Verlust von Individualität und des Marktauftritts befürchtet wird. Befürworter der Systemerneuerung wenden dagegen ein, dass der eigene Auftritt beim Kunden nicht dadurch an Wert verliert, wenn im Hintergrund standardisierte Prozesse in Abwicklung und Verarbeitung ablaufen, die der Kunde ohnehin nicht sieht.

Schritt für Schritt

Auch gibt es gewisse Ängste bei den früheren Banken der früheren GAD, der früheren zweiten Rechenzentrale der Volks- und Raiffeisenbanken, die mit der Fiducia verschmolzen wurde zur heutigen Atruvia. Der Wechsel vom GAD-Kernbankensystem Bank 21 zum Fiducia-System Agree 21, den rund 340 Volks- und Raiffeisenbanken erst bis Ende 2019 gestemmt hatten, war damals in manchen Häusern als Wechsel auf ein schlechteres System empfunden worden. Insofern gibt es Ängste vor der nächsten IT-Erneuerungsrunde. Zumal der gepatzte IT-Wechsel der Apobank vielen in der Gruppe noch in den Knochen steckt. Das modulweise Vorgehen begrenze nicht nur die Risiken, sondern könne auch bei Problemen schnell wieder zurückgenommen werden, so die Befürworter der Modernisierung.

Für das Erarbeiten der Standards und der notwendigen Module wurden 25 Testbanken der Gruppe verschiedener Größe auserkoren. Die Arbeiten sollen bis zum Herbst vollendet sein, um dann ab nächstem Jahr die ersten neuen Module ausrollen zu können. Um die Erarbeitung des neuen Zielmodells und die Wünsche der Genossenschaftsbanken in Einklang zu bringen, wird das Ganze von einem neu gegründeten Umsetzungsgremium bestehend aus Vertretern der Verbände, der Banken, der Verbundunternehmen und von Atruvia begleitet, die entsprechendes Personal-Know-how für Projektarbeit, Banksteuerung, Technik oder Controlling einbringen.

Wenn die Modernisierung des Kernbankensystems vollendet ist, soll die IT-Umlage enden und abgelöst werden durch ein neues Preismodell der Atruvia, das noch diskutiert wird. Dieses könnte für die Standardlösung günstiger sein als zuvor, Spezialwünsche könnten dann extra kosten. Gemeinsame IT-Standards gelten als einer der großen Hebel für Einsparungen. Denn derzeit muss Atruvia für viele Banken individuelle Anpassungen bei jedem neuen Release vornehmen, was die Kosten und den zeitlichen Aufwand treibt. Auch sollen durch mehr standardisierte und automatisierte Prozesse die Personalkosten gedrückt werden, zumal Fachkräfte künftig immer schwieriger zu finden sein werden wegen des fehlenden Nachwuchses. Ob damit letztlich ein Einsparpotenzial von 80% bei der Produktion erreichbar ist, hält indes nicht jeder Akteur in der Gruppe für möglich.

Auf Augenhöhe mit Sparkassen

Dass Agree 21 weiter modernisiert werden muss, war schon beim Zusammengehen von Fiducia und GAD klar gewesen. Aber zunächst war der Entwicklung der kanalübergreifenden Omnikanalbank, der neuen Banking-App und neuen Vertriebsmodulen Priorität eingeräumt worden. Mit einer perspektivisch höheren IT-Standardisierung der Kernprozesse wollen die Genossenschaftsbanken zu den Sparkassen aufschließen, die hier mit ihrem Dienstleister Finanz Informatik schon weiter sind.

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