Wenn Basel etwas "nicht signifikant" ändert

Die internationale Riege der Bankenaufseher feilscht um die künftige Eigenkapitalbelastung der Kreditwirtschaft

Wenn Basel etwas "nicht signifikant" ändert

Im Baseler Ausschuss gehen die Verhandlungen um neue Kapitalregeln für Banken auf die Zielgerade: Das Gremium soll nicht nur gewährleisten, dass sich die Kapitalanforderungen an Banken insgesamt “nicht signifikant” erhöhen. Die Aufseher müssen auch auf die geografische Verteilung von Mehrbelastung achten.Von Bernd Neubacher, FrankfurtWährend am Kapitalmarkt in diesen Tagen die beiden deutschen Großbanken im Fokus stehen, legt der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht letzte Hand an die Detaillierung neuer Kapitalegeln, welche die Eigenkapitalanforderungen an die gesamte Branche verändern werden. Die Aufseher stellen die Änderungen als Endpunkt des 2010 beschlossenen Kapitalpakets Basel III dar, die Branche hingegen spricht wegen der erwarteten Tragweite von “Basel IV”. Linderung tut notNach Sitzungen des Ausschusses am 13. und 14. September mit größerem Medienecho ist es wieder ruhiger geworden um die Aktivitäten der Aufseherrunde. Was kommt auf die Banken zu? Aus Gesprächen mit informierten Personen ergibt sich folgendes Bild: Die Debatte über die Vorgaben ist nach wie vor im Fluss – der Ausschuss will am 29. November über die Regeln entscheiden, in den beiden ersten Januarwochen dann soll die Group of Governors and Heads of Supervision (GHOS), an die der Ausschuss berichtet, die Neuerungen genehmigen.Fest steht schon jetzt, dass sich die Aufseher derzeit darum bemühen, die Effekte der Reform zu dämpfen. Diese Stoßrichtung lässt eine Mitteilung des GHOS vor wenigen Wochen erkennen, in der die Aufseher der Aufseher dem Ausschuss ins Gebetbuch schrieben, das Komitee solle sich darauf konzentrieren, “die Kapitalanforderungen insgesamt nicht signifikant zu erhöhen”.Als “nicht signifikant” gilt nach Lesart der Aufseher ein Anstieg der Risikoaktiva um bis zu 5 bis 10 %. Die Deutsche Bundesbank hingegen hatte in einer ersten Schätzung im Sommer für die deutschen Institute eine Erhöhung der Risikoaktiva um sage und schreibe 40 % errechnet. Dabei waren die geplanten Untergrenzen (Floors) für anhand interner Modelle errechnete Risikogewichte noch nicht einmal berücksichtigt – sie hätten den Anstieg auf 51 % erhöht. Je nach Niveau der Floors hatten Banken zuvor anhand von Konsultationspapieren ein Plus von rund drei Viertel ermittelt.Nach einer Auswertung der Bundesbank jüngeren Datums stünde deutschen Banken noch immer eine Zunahme um 28 % ohne Floors ins Haus. Davon entfallen 17 Prozentpunkte auf Änderungen der Vorgaben für bankinterne Modelle, 5 Punkte auf Neuerungen im Kreditrisiko-Standardansatz, 4 Punkte auf geänderte Vorgaben fürs Handelsbuch sowie nochmals 2 Punkte auf reformierte Direktiven zur Kalkulation operativer Risiken – Berechnungen des Baseler Ausschusses fördern niedrigere Zunahmen zutage.Eingeweihte führen diese Eindämmung des Anstiegs auf deutliche Änderungen der Vorgaben für operative Risiken zurück. Französische, spanische und US-amerikanische Institute hätten andernfalls wegen Engagements in Südamerika einer weitaus stärkeren Mehrbelastung entgegengesehen, heißt es. Ein bisschen TeppichhandelErreicht wurde die Reduktion auch, weil der Ausschuss von seinem Plan abgerückt ist, Forderungen an Banken und größere Unternehmen, deren Risikogewicht bislang mit dem fortgeschrittenen, auf internen Ratings basierenden Ansatz (IRB-Ansatz) berechnet wurde, künftig per Kreditrisiko-Standardansatz kalkulieren zu lassen. Vielmehr dürfte nun zumindest wieder die Basisversion des IRB-Ansatzes zum Zuge kommen.Offensichtlich aber ist, dass das Gremium weiter Hand anlegen muss, um einen prozentual nur einstelligen Zuwachs zu erzielen. Auf die Frage nach dem Grund für den Stimmungsumschwung berichten Beobachter denn auch von “weitestgehend ergebnisgetriebenen Überlegungen”. Man treibe “ein bisschen Teppichhandel, Basar”. “Man bemüht sich, das Ganze erträglich zu gestalten”, ist andernorts zu hören.Damit freilich kommt tendenziell auch die Stoßrichtung der Reform unter die Räder. Denn gestartet war der Ausschuss ja mit dem Vorsatz, durch Verminderung der Spielräume bei Anwendung bankinterner Ansätze der Schwankungsbreite in der Eigenkapitalunterlegung von Risiken zu Leibe zu rücken. Und eigentlich hätte von vornherein klar sein können, dass die Anforderungen nur steigen können, wenn der Ausschuss Schlupflöcher schließt.Zur weiteren Verminderung des Anstiegs stehen den Aufsehern nun zwar noch zahlreiche Rädchen zur Verfügung. Je breiter gestreut und je dosierter sie diese in Gang setzen, umso schwerfälliger aber wird die Umsetzung, wie man in der Branche befürchtet. Auch vor diesem Hintergrund könnte sich inzwischen die Frage aufdrängen, ob es den Aufwand lohnt, dass der Ausschuss Änderungen einleitet, wenn die Eigenkapitalanforderungen in der Summe ohnehin in etwa bleiben sollen, wie sie sind.Zu den Punkten, um welche die Debatte nun noch kreist, zählt neben anderem die gerade für deutsche Banken derzeit so wichtige Immobilienfinanzierung. Momentan gilt dort die Vorgabe, für Finanzierungen mit einem Beleihungswertauslauf von weniger als 80 % ein einheitliches Risikogewicht von 35 % zu veranschlagen bzw. bei höheren Ausläufen das Risikogewicht des Schuldners heranzuziehen. Künftig sollte zunächst eine Einteilung in eine von fünf Risikoklassen über die Eigenkapitalunterlegung entscheiden. Mittlerweile aber scheint diese Regel zu wackeln, und man liebäugelt damit, am Status quo festzuhalten bzw. ein Mischmodell einzuführen.Zwei Schritte vor und einen zurück – so lautet offenbar auch das Motto im Umgang mit widerruflichen Kreditzusagen. Bisher wurden sie nicht mit Eigenkapital unterlegt, nun soll die Allokation schwächer ausfallen als zunächst geplant. Wider die UntergrenzenNach demselben Muster sollen Banken, entgegen ursprünglicher Planung, externe Ratings nun doch weiterhin für die Bewertung von Unternehmenskrediten heranziehen dürfen, sofern sie diese mit einer Due Diligence untermauern, über deren Art sich der Ausschuss augenscheinlich allerdings erst noch klar werden muss. Bedarf, zunächst ins Auge gefasste Verschärfungen zu lindern, macht man nicht zuletzt auch im Umgang mit Spezialfinanzierungen aus. Die deutschen Landesbanken etwa, unter denen sich Institute mit hohem Exposure im Schifffahrtssektor finden, wollen Untergrenzen für solchen Finanzierungen zuzuordnende Risikogewichte vermeiden oder wenigstens drücken, um mit Hilfe bankinterner Modelle weiterhin Kapitalerleichterungen zu genießen. Verschärfungen blühen wiederum weiterhin bei der Behandlung des außerbilanziellen Geschäfts. Europa drohen NachteileWenn die Aufseher solche Details geklärt haben, werden sie sich überdies noch über die regionale Verteilung der Mehrbelastung klar werden müssen. Denn fest steht zwar, dass die Änderungen insgesamt keine signifikante Erhöhung der Kapitalanforderungen nach sich ziehen sollen, nicht aber, ob diese Vorgabe global, für jeden einzelnen Kontinent oder auch jedes einzelne Land gelten soll. Sonst drohen in der Umsetzung der globalen Regeln Alleingänge. Die EU-Kommission hat schon deutlich gemacht, dass “einige der Maßnahmen” des Baseler Ausschusses “nicht genug alle europäischen Besonderheiten” berücksichtigten. Und Karl-Peter Schackmann-Fallis, Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV), erklärt: “Die Stärken des europäischen Bankenmarktes müssen bei der Umsetzung von Basel IV angemessen berücksichtigt werden. Darauf muss der EU-Gesetzgeber achten.”Während europäische Institute bisherigen Berechnungen zufolge einer Mehrbelastung entgegensehen, wirkten sich die bislang debattierten Änderungen für US-Institute, die zunächst als Nutznießer der Reform gehandelt waren, mehr oder weniger neutral aus, während hingegen Chinas Bankensektor eine Entlastung erführe. Bei deutschen Instituten kommt gerade dies nicht so gut an. “Das finde ich weniger beruhigend”, sagt ein Beobachter mit Blick auf das Problem der notleidenden Kredite in China. Sowieso dürfte bis Ende November in Basel noch manche Lobby-Initiative starten.Von Lobbyarbeit der Banken will man in Basel dabei nicht sprechen, lieber von “Fürsprache” der Banken für ihre Belange. Die aber sei in der Tat intensiv.