Klimaziele

Wie die Banken zur Energiewende beitragen

Die weltweiten Emissionen steigen weiter. Der Finanzwirtschaft kommt die Aufgabe zu, die Energiewende zu finanzieren, aber auch, der Gefahr von Spekulations- oder Wirtschaftsblasen entgegenzuwirken.

Wie die Banken zur Energiewende beitragen

Im April letzten Jahres hat der Weltklimarat das Ziel, die Erderwärmung auf möglichst unter 1,5 Grad zu begrenzen, endgültig einkassiert. Was gemäß wissenschaftlicher Klimamodelle noch erreicht werden könnte, ist, die Überschreitung dieses Grenzwertes über die Zeit wieder rückgängig zu machen und die Welt wieder abzukühlen. Dazu müsste die Staatengemeinschaft bis 2050 weltweit netto null erreichen, und die globalen Emissionen müssten spätestens ab 2025 sinken.

Die Realität sieht jedoch anders aus: Aktuell steigen die weltweiten Emissionen weiter an und befinden sich sogar auf einem Allzeithoch. Sollten die Emissionen auf diesem Niveau bleiben, werden wir das 1,5-Grad-Ziel bereits im Jahr 2030 reißen und die Wahrscheinlichkeit, dass wir klimabedingte Kipppunkte und unkontrollierbare Kettenreaktionen auslösen, steigt massiv an.

Tiefgreifende Veränderungen

Ohne schnelle und tiefgreifende Veränderungen lassen sich die erforderlichen Reduktionsziele nicht erreichen. Mit der Änderung des Klimaschutzgesetzes hat die Bundesregierung die Klimaschutzvorgaben für Deutschland deshalb nochmals entsprechend verschärft. Das Emissionsminderungsziel für 2030 wurde zusätzlich um 10% auf 65% angehoben, und 2045 soll die Bundesrepublik dann vollständig aus regenerierbaren Energiequellen wie Wind, Sonne, Wasser und Biomasse mit Energie versorgt werden. Was nicht direkt durch die Stromleitungen fließt, wird in Wasserstoff, den Energieträger der Zukunft, umgewandelt und gespeichert.

Soweit besteht weitestgehend Konsens in Politik und Gesellschaft. Wenn es allerdings um die Kosten der Energiewende geht, gehen die Einschätzungen ebenso weit auseinander wie in der Frage, welches die wirksamsten politischen Instrumente sind.

Mit Blick auf die gesamte Wirtschaft, d. h. sowohl die öffentliche Hand als auch den privaten Sektor, sind Investitionen in Höhe von insgesamt rund 5 Bill. Euro bis 2045 erforderlich, um in Deutschland Klimaneutralität zu erreichen. Der öffentliche Anteil an den gesamtwirtschaftlichen Klimaschutzinvestitionen, die von Bund, Ländern und Gemeinden getragen werden müssen beträgt nur rund 10%, also 500 Mrd. Euro. Ohne massive private Investitionen ist die Energiewende somit nicht zu schaffen. Schaut man sich das Gesamtvolumen der privaten nachhaltigen Geldanlagen in Deutschland an, so liegt es derzeit bei rund 500 Mrd. Euro. Auf dem Weg zu netto null bis 2045 klafft noch eine Kapitallücke von mehreren Billionen Euro. Es stellt sich also die Frage, durch welche politischen Maßnahmen und Finanzinstrumente weiteres privates Kapital für die Energiewende und die Netto-null-Transformation mobilisiert werden kann.

Was hält uns eigentlich davon ab, noch schneller und noch mehr in Nachhaltigkeit und die Energiewende zu investieren? Sind wir nicht ausreichend davon überzeugt, dass erneuerbare Energien und Wasserstoff die wegweisenden Zukunftstechnologien sind? Ist der Leidensdruck nicht hoch genug? Oder bremsen wir uns durch zu komplexe und engmaschige Regulierungen und Verfahren selbst aus?

In den vergangenen Jahren wurde durch ein immer komplexeres System aus Ge- und Verboten, Standards und Subventionen versucht, Anreize zu schaffen. Im Ergebnis haben nicht nur Bürger, sondern auch Unternehmen Schwierigkeiten, den Überblick zu behalten. Die Unsicherheit über künftige Technologien wird so durch die Unsicherheit über regulative Rahmenbedingungen ergänzt. Dies ist Gift für ein positives Investitionsklima. Daher ist es richtig, dass die Europäische Kommission mit der Taxonomie-Verordnung EU-weit für ein einheitliches Verständnis von nachhaltigen Investitionen sorgt und damit Planungs- und Investitionssicherheit für Unternehmen schafft. Aber der Schwerpunkt sollte hier eher auf Pragmatismus als auf Perfektionismus liegen.

USA pragmatischer

Der im August 2022 verabschiedete US Inflation Reduction Act ist zum Beispiel sehr pragmatisch im Vergleich zu den EU-Regularien. Unternehmen beginnen bereits, ihre Produktion in die USA zu verlagern, um relativ einfach Steuererleichterungen und Subventionen zu bekommen. Die EU hat jetzt mit dem Green New Industrial Deal reagiert, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken.

Auch sollten Taxonomie-Kriterien in der Anlagestrategie nicht primär als Ausschlusskriterien dienen. Investoren plädieren zwar oft für einen pauschalen Ausschluss von Unternehmen und Branchen, die ihnen nicht grün genug sind, aber wir erreichen eine nachhaltigere Welt nicht dadurch, dass wir bereits grüne Unternehmen noch grüner machen. Um als Gesellschaft den Übergang zu erneuerbaren Energien zu schaffen, braucht es differenzierte Investitionsentscheidungen und -instrumente. Wir können einen größeren positiven Beitrag leisten, wenn wir zusätzlich Unternehmen helfen, ihre braunen Geschäftsmodelle grüner zu machen. Bereits heute schauen Investoren viel stärker auf das Transformationspotenzial einer Investition und suchen nach Unternehmen, die ihren Betrieb und ihre Lieferketten im Rahmen der bestehenden Möglichkeiten dekarbonisieren und somit ebenfalls einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Dies gilt insbesondere für Transfertechnologien, die während des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft noch notwendig sind. Hierzu gehören auch Gaskraftwerke und Gasinfrastruktur, die den Ausstieg aus Kohle- und Kernenergie überhaupt erst ermöglichen.

Es ist sicher unstrittig, dass die Energiewende nur erfolgreich sein wird, wenn es gelingt, die Versorgungssicherheit während des gesamten Transformationsprozesses zu gewährleisten. Deshalb ist es wichtig, dass die Sustainable-Finance-Strategie der EU die wichtige Rolle von Übergangsaktivitäten wie z. B. Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen auf der Basis von Gas auf dem Weg zur Klimaneutralität anerkennt und diese in der EU-Taxonomie für nachhaltige Wirtschaftstätigkeiten stärker als bislang verankert. Ansonsten besteht die Gefahr, dass diese für die Energiewende wichtigen Investitionen verzögert oder sogar verhindert werden.

Viele der erforderlichen Technologien wie zum Beispiel zur Abscheidung und Speicherung von CO2, stehen am Anfang ihrer Markteinführung oder müssen gar noch entwickelt werden, um die Klimaziele zu erreichen. Deshalb ist es immens wichtig, dass Innovation und Technologieentwicklung weiter gefördert werden. Die getätigten Subventionen sollten aber regelmäßig auf Wirksamkeit und Notwendigkeit überprüft werden, da der Versuch, Kapitalströme durch Regulierung und Subventionen in eine bestimmte Richtung zu lenken, immer mit der Gefahr von Spekulations- oder Wirtschaftsblasen verbunden ist. Dies gilt insbesondere in Zeiten übermäßiger Liquidität und wenn die Wirtschaft vor einem Paradigmenwechsel steht. Genau in dieser Situation befinden wir uns bekanntlich derzeit.

Blasenbildung verhindern

Es ist auch Aufgabe der Finanzwirtschaft, einer Blasenbildung durch Transparenz, Fundamentalanalysen und einer Rationalisierung des Themas entgegenzuwirken. Eine Konzentration auf bestimmte Technologien wird jedoch nicht immer zu vermeiden sein. Sie ist teilweise geboten, um rechtzeitig Anreize für Investitionen zu setzen, da die Mobilisierung von Kapital immer ein ausreichendes Maß an Entscheidungssicherheit benötigt. Deshalb muss schon heute der Weg bis 2050 weitestgehend verbindlich festgelegt werden. Die Herausforderung wird es sein, Panikmache, aber auch übersteigerte Euphorie im Markt zu vermeiden und mit Augenmaß zum richtigen Zeitpunkt zu handeln.

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