Sonja Schwarz

„Wir wollen flexible Arbeitsplätze schaffen“

Die Ende 2019 mit 3,6 Mrd. Euro rekapitalisierte Nord/LB befindet sich in einer Phase der Schrumpfung und Neuausrichtung. Infolge des bis 2024 geplanten Stellenabbaus nimmt der Bedarf an Büroflächen ab, auch Arbeitsplatzformen ändern sich.

„Wir wollen flexible Arbeitsplätze schaffen“

Carsten Steevens.

Frau Schwarz, die Nord/LB befindet sich seit mehreren Jahren in einer Restrukturierung, die unter anderem eine Halbierung der Beschäftigtenzahlen bis 2024 vorsieht. Was haben Sie mit den nicht mehr benötigten Räumen und Gebäuden vor? Und was sieht Ihr Konzept für die Ar­beitsplätze der Landesbank im Post-Corona-Betrieb vor?

Das ambitionierte Restrukturierungsprogramm, das sich die Nord/LB bis 2024 vorgenommen hat, ist als ein Auslöser für unser neues Arbeitsplatzmodell anzusehen. Die Zahl der Beschäftigten in der Bank sinkt bekanntlich bis 2024 erheblich, zugleich steht mit der Restrukturierung eine Konsolidierung bei den Gebäuden an, die die Bank nutzt. Zweitens ging die Neuausrichtung der Nord/LB, die wir 2019 noch vor Beginn der Corona-Pandemie ge­plant und initiierten haben, bereits mit der Idee einher, künftig anders zu arbeiten als bisher – wesentlich stringenter von den Markteinheiten bis zur Marktfolge, mit hoher Flexibilität. Und drittens kam vor zwei Jahren auch noch hinzu, dass wir bereits eine Dienstvereinbarung im Hause hatten, die in dieser Form im deutschen Bankensektor zuvor kaum zu finden war. Diese Vereinbarung für ein Homeoffice-Angebot, die es ermöglichte, dass bis zu 80% der Beschäftigten von zuhause aus arbeiten konnten, resultierte aus der 2017 beschlossenen Fusion der Nord/LB mit der Bremer Landesbank. Die fortschrittliche Regelung der damaligen Banktochter haben wir übernommen.

Warum?

Wir sahen mit der Vereinbarung die Chance, die Attraktivität als Arbeitgeber zu erhöhen, Mitarbeitende zu binden und zu rekrutieren sowie neue Arbeitswelten zu etablieren. Das Homeoffice-Angebot wurde bereits von zahlreichen Beschäftigen der Bremer Landesbank in Anspruch genommen, allerdings konnten wir uns eine Ausweitung auf die Nord/LB insgesamt sehr gut vorstellen. So sind wir in unseren Überlegungen zu dem Zielbild gekommen, das im Wesentlichen nur noch ein Gebäude an unseren größeren Standorten sowie eine starke Arbeitsplatzteilung vorsieht.

Was bedeutet Arbeitsplatzteilung für Ihr Haus konkret?

Wenn ich von Arbeitsplatzteilung spreche, dann ist damit gemeint, dass sich Mitarbeitende in unserem Haus bei einem Homeoffice-Durchschnittswert von bis zu 50%, den wir etablieren wollen, einen Arbeitsplatz teilen. Diese Homeoffice-Quote erschien bis März 2020 noch sehr ambitioniert. Doch nach Beginn der Corona-Pandemie und einer Situation, mit der niemand rechnen konnte, mussten quasi über Nacht mehr als 80% der Kolleginnen und Kollegen ins Homeoffice. Dieser Wechsel hat funktioniert und das Thema Homeoffice bei uns innerhalb kurzer Zeit enorm befeuert. Die steile Lernkurve im Verlauf der Covid-19-Krise führte zu der Erkenntnis, dass wir mit unseren Gebäudekonzepten und den neuen Arbeitsplatzformen an einem realisierbaren Ziel arbeiten. Für die notwendigen Rahmenbedingungen haben dabei die feststehenden Vorgaben für die Reduzierung der Kosten und den Stellenabbau bis 2024 gesorgt. Daher wollen wir das Konzept der Arbeitsplatzteilung in bestehenden Gebäuden umsetzen – mit möglichst wenigen Umbaumaßnahmen und Kosten.

Wie soll das erreicht werden?

Eine wesentliche Arbeitsplatz-Komponente, an der wir derzeit arbeiten, ist das Desksharing. Wir wollen flexible Arbeitsplätze schaffen, wobei wir von einer Quote von 0,5 bis 0,7 ausgehen. Das heißt, im Durchschnitt sind künftig 30% bis zur Hälfte unserer Mitarbeitenden permanent im Homeoffice. Wir haben uns dabei bewusst eine Spanne gegeben, weil wir von einer freiwilligen Nutzung des Homeoffice-Angebots ausgehen. Wir werden keinen Druck ausüben.

Wie werden die Arbeitsplätze aussehen?

Beim Desksharing wollen wir verschiedene Arbeitsplatzformen er­möglichen: Deal-Räume für Mitarbeitende aus den Marktbereichen, Projekträume für einzelne Projekte, Räume, die eine Interaktion zulassen, aber gleichzeitig auch Räume, in denen Still- oder Gruppenarbeit möglich ist. Es sollen Arbeitsplatzformen angeboten werden, die verschiedene Arbeitsabläufe unterstützen.

Welche Effekte soll dieser Umbau haben?

Wir wollen weg von starren Strukturen. Wir werden feste Zonen für die Bereiche einrichten, gleichzeitig werden wir aber auch flexible Bereiche haben. Die festen Bereiche werden nicht den kompletten Bedarf abdecken, sondern man wird immer die flexiblen Bereiche mitnutzen müssen. Damit wollen wir eine stärkere Durchlässigkeit in der Organisation erreichen. Unsere Mitarbeitenden sollen sich stärker angeregt fühlen, sich zu vernetzen, gemeinsam zu arbeiten. Das Konzept wird unterstützt durch ein Raumbuchungssystem. Wer weiß, wann er in der Bank sein wird, kann vorab entsprechend den Arbeitsweisen einen Arbeitsplatz buchen.

Von welcher Resonanz gehen Sie aus?

Wir sind sehr optimistisch, dass dieses mobile Arbeitskonzept, das auf Freiwilligkeit beruht und das eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben bietet, künftig gut genutzt wird. Wichtig ist uns dabei, unsere Mitarbeitenden an die Bank zu binden, Arbeitsmodelle und Raumkonzepte zu etablieren, die Kontakte, Interaktion, Teambildung und kollaboratives Arbeiten ermöglichen. Stillarbeit hingegen ist auch von zuhause aus möglich. Darauf wollen wir uns mit unseren Konzepten einstellen.

Ab wann gilt das Konzept?

Wir planen die Umsetzung ab dem kommenden Jahr und werden das Konzept dann bis 2024 fortsetzen. Wir werden sukzessive verdichten, Gebäude verkaufen bei zugleich abnehmender Mitarbeiterzahl. Im kommenden Jahr werden wir auch mit Arbeitsplatzteilungsangeboten beginnen, die wir dann bis 2024 immer weiter ausweiten. Ziel ist eine Desksharing-Quote von 0,5 bis 0,7. Eine Quote von 0,5 bedeutet einen Arbeitsplatz für zwei Per­sonen.

Was bedeutet das Gebäudekonzept für den Standort Hannover?

Die Nord/LB arbeitet derzeit an neun Standorten in Hannover. Wir wollen diese Standorte auf ein Gebäude verdichten, das uns gehört. Wir werden im Wesentlichen in unserer heutigen Zentrale am Friedrichswall, die wir im Jahr 2002 bezogen haben, präsent sein. Alle anderen Gebäude werden verkauft. Kleinere Flächen könnten aber für einige wenige Bereiche, die in der Zentrale nicht optimal untergebracht sind, an anderen Standorten angemietet werden.

Wie viel Prozent der Büroflächen lassen sich einsparen durch die Maßnahmen?

In unsere Zentrale am Friedrichswall belaufen sich die Flächen auf insgesamt ca. 80000 Quadratmeter, wobei es sich dabei aber nicht nur um Büroflächen handelt. In Hannover streben wir an, die Büroflächen in etwa zu halbieren.

Wie hoch fallen die Kosten aus, die eingespart werden können?

Unsere Planungen für das neue Raumkonzept sehen einmalige Investition in Höhe eines kleinen zweistelligen Millionenbetrags vor. Durch die räumlichen Verdichtungen werden sich bei den Gebäudekosten jährliche Einsparungen in Höhe von rund 20 Mill. Euro ergeben.

Wie wird die Immobilie künftig genutzt, in der sich die Zentrale befindet?

Die Idee ist auch dort, eine Multi-Tenant-Fähigkeit herzustellen. Wir wollen bis 2024 die Möglichkeit schaffen, Teile des Zentralgebäudes unterzuvermieten. Kleinere Ab­schnitte sind ohnehin schon seit längerem vermietet, etwa an Unternehmen des Einzelhandels. Dabei handelt es sich aber nicht um repräsentative Größen. Wie viel Fläche wir vermieten werden? Hier müssen wir abwarten, wie das Homeoffice-Angebot auch nach der Pandemie genutzt wird. Bei der Suche nach Mietern wird uns eine Tochtergesellschaft unterstützen.

Wie viele Beschäftigte werden künftig in Ihrer Zentrale tätig sein?

Wir haben im Friedrichswall die Möglichkeit, etwa 1500 Arbeitsplätze unterzubringen. Wie viele Be­schäftigte hier tätig sind, hängt von der Verdichtung der Standorte und von den Raumkonzepten ab. Die Anzahl der Arbeitsplätze wird je nach Gestaltung der Räume schwanken. Aus heutiger Sicht sind wir der Ansicht, dass der Friedrichswall ausreichen wird, um alle Mitarbeitenden unterzubringen – abgesehen von einigen wenigen Bereichen, die in der Zentrale nicht optimal angesiedelt sind.

Können Sie Zahlen nennen?

Konkrete Zahlen kann ich hier noch nicht nennen. Was bereits feststeht, ist, dass die Zahl der Arbeitsplätze in der Bank insgesamt bis 2024 deutlich sinken wird – von zuletzt noch rund 4100 Vollzeitstellen auf 2800. Die Zahl der Arbeitsplätze werden wir noch stärker reduzieren, weil wir davon ausgehen, dass sich künftig jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter einen Arbeitsplatz mit einem anderen Beschäftigten teilen wird. Aktuell stehen wir noch bei mehr als einem Arbeitsplatz pro Mitarbeiter, weil wir in der Vergangenheit auch für externe Mitarbeiter, für Prüfer, für Trainees und andere Plätze reserviert haben.

Hat es eine Umfrage gegeben unter den Mitarbeitern, wie sie zu den Desksharing-Plänen stehen?

Wir haben unsere Mitarbeitenden zu dem neuen Arbeitsplatzkonzept nicht befragt. Wichtig ist: Desksharing bedeutet nicht Open Space. Es wird weiterhin die Möglichkeit für die Belegschaft geben, ein Einzelbüro und damit einen stillen Arbeitsplatz zu buchen. Deshalb sind wir optimistisch, dass wir auch die verschiedenen Bedürfnisse unserer Beschäftigten gut abdecken können. Bei offenen Raumkonzepten und Großraumflächen müssten wir mit größeren Widerständen rechnen. Wir wollen die Struktur der bisherigen Räume bestehen lassen und nur die Nutzung verändern. Es gibt Menschen, die ein eigenes Büro wollen, um sich voll entfalten zu können. Ihnen wird die Nord/LB auch in Zukunft einen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten.

Wird das Konzept mit dem Personalrat geregelt?

Wir werden verschiedene Dienstvereinbarungen benötigen. Wir überarbeiten derzeit die bestehende Homeoffice-Vereinbarung, die wir von der Bremer Landesbank übernommen haben, zukunftsgerichtet mit Neuerungen. Aber es werden auch Regelungen zu weiteren Themen im Rahmen der Umsetzung des neuen Raumkonzeptes erforderlich sein. Hierzu befinden wir uns Gesprächen. Diese ziehen sich über einen längeren Zeitraum hin, da wir nacheinander einzelne Themen abarbeiten, wie derzeit etwa das mobile Arbeiten.

Beteiligt sich der Vorstand auch am Desksharing? Oder behält jedes Mitglied ein eigenes Büro?

Der Vorstand ist Treiber des neuen Arbeitsplatzkonzepts. Es gibt verschiedene Vorschläge, wie sich der Vorstand verändern kann, eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. Der Vorstand will nahbar sein. Entsprechend wird es die Möglichkeit geben, auch mit dem Vorstand gut und einfach ins Gespräch zu kommen.

Für die Möglichkeit der Raumbuchung werden Sie sich einer Software bedienen, oder?

Ja, wir befinden uns derzeit in einem Software-Auswahlprozess. Wir haben uns aber noch nicht final entschieden.

Wie könnte das in der Praxis aussehen? Soll jeder Mitarbeiter von zu Hause aus einen Platz in der Bank buchen können?

Ja. Es soll möglich sein, den Arbeitsplatz in der Bank von zu Hause oder vom Büro aus zu buchen – allerdings nur für anstehende Tage, nicht für längere Zeiträume. Ziel ist es, eine gewisse Durchlässigkeit erzeugen. Aber man soll den jeweiligen Arbeitsplatz oder den jeweiligen Raum im Vorfeld buchen können. Dabei werden wir natürlich auch auf Datenschutzthemen achten.

Auch andere Kreditinstitute denken über Desksharing nach oder planen mit dem Konzept bereits. Was macht Sie sicher, dass das Konzept tatsächlich nachhaltig ist?

Zum einen macht mich zuversichtlich, dass unsere Ideen nicht im Verlauf der Corona-Pandemie entstanden sind, sondern schon anderthalb Jahre vorher, als wir uns mit unseren Restrukturierungszielen beschäftigt haben. Der Plan, ein neues Arbeitsplatzmodell umzusetzen, entstand also nicht in einer Ausnahmesituation. Während der Pandemie haben wir aber gelernt, dass die Umsetzung des Modells mit einer hohen Homeoffice-Quote innerhalb kurzer Zeit möglich ist. Außerdem spüren wir in der Belegschaft starken Rückenwind für unser Arbeitsplatzkonzept und sind sehr zuversichtlich, dass das, was wir uns vorgenommen haben, auch funktionieren wird.

Die Umsetzung des Konzepts wird mit Investitionen verbunden sein. Können Sie eine Zahl nennen?

Natürlich werden wir für die Umsetzung unseres Konzeptes auch investieren müssen, keine Frage. Software- und IT ist hier ein Bereich – wenn auch ein kleinerer. Hier haben wir auch schon investiert. Wir haben unsere Mitarbeitenden infolge der Pandemie mit Notebooks und Mobiltelefonen ausgestattet, die WLAN-Fähigkeit wurde hergestellt. Das sind Investitionen, die schon auf die Zukunft einzahlen. Die Investitionen, die wir nun vor allem vornehmen müssen, betreffen die Vermietbarkeit der Gebäude sowie die Herstellung einheitlicher Arbeitsplätze, damit die Arbeitsplatzteilung möglich ist. Ich rede da zum Beispiel von höhenverstellbaren Schreibtischen für jeden Arbeitsplatz. Wir wollen aber auch eine moderne Form von Videokonferenzen ermöglichen, die wir gerade pilotieren. Hybrides Arbeiten hängt stark von der Infrastruktur ab. Ziel ist es, dass sich alle Beteiligten auf Augenhöhe begegnen können. Darauf stimmen wir auch unsere Raumkonzepte ab. Wir wollen ermöglichen, dass man sich im Homeoffice genauso gut aufgehoben fühlt wie in der Bank, wenn ein Meeting ansteht.

Lassen Sie sich beraten bei der Umstellung?

Wir lassen uns nicht beraten. Wir haben eine Tochtergesellschaft, die sich mit dem Immobilienmanagement beschäftigt. Die hilft uns insbesondere bei der Gestaltung des Bürokonzeptes, der Umbaukonzepte und auch der Veräußerung der Gebäude.

Das Interview führte

BZ+
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