Wohnimmobilien sind eine Option für institutionelle Anleger

Jenseits von Plain Vanilla sollte indirekt investiert werden

Wohnimmobilien sind eine Option für institutionelle Anleger

Mario Draghi, Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), hat kürzlich auf dem Nobelpreisträgertreffen in Lindau am Bodensee seine Geldpolitik in einer Grundsatzrede erneut verteidigt – eine deutliche Zinswende ist in nächster Zeit unwahrscheinlich. Für institutionelle Investoren heißt das: Auch in Zukunft steht viel günstiges Kapital zur Verfügung, bei steigendem Anlagedruck und gleichzeitig weiter sinkenden Renditen. Mit rund einem halben Prozent stellen beispielsweise deutsche zehnjährige Staatsanleihen derzeit keine Alternative für Anleger dar.Viele defensive Investoren bevorzugen daher seit Jahren Cash-flow-orientierte Sachwertinvestments. Insbesondere Wohnimmobilien in Deutschland sind begehrt, schließlich gilt der deutsche Immobilienmarkt ohnehin schon als “Safe Haven”. Das Wohnsegment eignet sich jedoch besonders für ein langfristiges Investment – vor allem dann, wenn es in Form eines risikogestreuten Mehr-Objekt-Spezial-AIF (alternativer Investmentfonds) erfolgt. Ein wichtiger Stabilitätsfaktor ist die hohe politische Regulierung, die einen moderaten, aber konstanten Cash-flow gewährleistet. Wohnobjekte decken zudem ein Grundbedürfnis jedes Menschen ab – die Nutzungsart ist also kaum disruptionsgefährdet.Zwei weitere wichtige Aspekte, die für ein Investment in Wohnimmobilien sprechen, sind die anhaltende Urbanisierung sowie das vermehrte Aufkommen von kleineren Haushalten: Während der Anteil von Single- und Zwei-Personen-Haushalten zur Jahrtausendwende bei 69,5 % lag, betrug der entsprechende Wert im vergangenen Jahr 75,1 %. Hinzu kommt, dass die Wohnfläche pro Anwohner tendenziell steigt. Das Zusammenspiel dieser Faktoren sorgt für einen deutlichen Nachfrageüberhang und damit für eine konstante Wertentwicklung.Der Vergleich der Baufertigstellungen aus den Jahren 2011 bis 2015 mit dem prognostizierten jährlichen Bedarf bis 2020 zeigt das deutlich: In den A-Städten wird der Bedarf zu lediglich 31 % gedeckt, in B-Städten sind es 32 %. Derzeit ist die Anzahl der Baugenehmigungen für Wohnungen sogar rückläufig – im ersten Halbjahr 2017 wurden 7,3 % weniger Genehmigungen als im Vorjahreszeitraum erteilt. Mehr TransaktionsvolumenDie Mietpreise haben sich infolgedessen seit vielen Jahren positiv entwickelt – selbst im Zeitraum 2007 bis 2009 erfolgte kein Einbruch. Einem kürzlich veröffentlichten Bericht der Bundesregierung zufolge wuchsen die Angebotsmieten 2016 um 4,9 %, während die Bestands-mieten im Zeitraum von 2012 bis 2016 moderat um jährlich 1,3 % gestiegen sind. Bei den unterschiedlichen Entwicklungen der Angebots- und Bestandsmieten zeigt sich der akute Nachfrageüberhang, dennoch korreliert das Mietpreiswachstum mit den positiven Fundamentaldaten der deutschen Wirtschaft. So betrug das Wirtschaftswachstum im vergangenen Jahr 1,9 %, der Reallohnindex stieg um 1,8 %.Das Transaktionsvolumen auf dem deutschen Wohninvestmentmarkt stellte sich im ersten Halbjahr 2017 auf 5,9 Mrd. Euro – was einer Steigerung von 22 % im Vergleich zu den Ergebnissen des Vorjahreszeitraums entspricht. Die Nutzungsart Wohnen rückt also zunehmend in den Fokus der Institutionellen. Nach wie vor wird das institutionelle Geschäft mit Wohnimmobilien häufig mit einem Direktbesitz in Verbindung gebracht. Während die Immobilienquote der institutionellen Investoren jedoch seit Jahren expandiert und Erhebungen von Scope zufolge 2016 bei 9,4 % lag, geht der Direktbestand kontinuierlich zurück, während der Anteil an deutschen Spezial-AIF wächst. Angespannte AngebotslageEin zentraler Grund dafür ist, dass die Angebotslage für Plain-Vanilla- beziehungsweise Core-Objekte angespannt ist und die Ankaufsfaktoren steigen. Die durchschnittliche Spitzenrendite bei Bestandsimmobilien in den Top-Städten betrug im zweiten Quartal 2017 CBRE zufolge 3,48 %. Um dem Renditerückgang entgegenzuwirken, sind also zusätzlich zu Core-Investments vermehrt Value-Add-Ansätze und der Erwerb von Projektentwicklungen per Forward Deal beziehungsweise Forward Funding nötig, um frühzeitig in die Wertschöpfungskette einzusteigen. Ein Beispiel hierfür sind Grundstücke mit existierender Bauauflassung und ausgearbeitetem Nutzungskonzept. Im zweiten Quartal 2017 wurde mit 1,9 Mrd. Euro beinahe ein Drittel des gesamten Transaktionsvolumens in Projektentwicklungen investiert. Das entspricht einer Steigerung von ganzen 40 % im Vergleich zum Vorjahresquartal.Häufig können institutionelle Investoren die dafür benötigte Expertise allerdings nicht selbst abbilden, weshalb sie sich für ein indirektes Investment in einen Fonds entscheiden. Zudem gleicht die Diversifizierung in einem offenen Mehr-Objekt-Spezial-AIF das Entwicklungsrisiko einer einzelnen Immobilie aus. Das Zielvolumen des Fonds kann zudem entsprechend der jeweiligen Marktlage flexibel angepasst werden.Hinzu kommt, dass neben inzwischen etablierten B-Städten wie Dresden, Regensburg, Wuppertal oder Darmstadt auch Städte wie Essen, Offenbach, Erlangen oder Wolfsburg gute Voraussetzungen für ein Investment versprechen. Während für Institutionelle bezüglich der Top-Städte detaillierte Researchdaten sowie Erfahrungswerte zur Verfügung stehen, um selbst anzukaufen, existieren diese Grundlagen für die kleineren Standorte nicht in diesem Maße. Um diese Märkte zu erschließen, ist ein spezialisiertes Asset- und Transaktionsmanagement mit Vor-Ort-Erfahrung nötig, das die jeweiligen Entwicklungen präzise einschätzen kann.Für institutionelle Investoren ist zudem eine weitere Entwicklung im Hinblick auf ein wertstabiles Investment interessant: Das Segment des temporären Wohnens ist einer der am schnellsten wachsenden Teilmärkte in Deutschland. Während das Transaktionsvolumen im zweiten Quartal 2016 CBRE zufolge 266 Mill. Euro ausmachte, waren es im zweiten Quartal 2017 bereits 471 Mill. Euro.Voll möblierte Mikroapartments mit flexiblen Mietvertragslaufzeiten werden speziell für Studierende sowie junge Berufstätige konzipiert. Der Bedarf bei dieser Zielgruppe ist groß: Schließlich wird das Studium dank Austauschprogrammen wie Erasmus+ oder Erasmus Mundus immer internationaler. Die Studienabschnitte werden kürzer und häufig ist es nicht die beste Alternative, eine klassische Wohnung anzumieten und einzurichten. Dasselbe gilt für junge Berufstätige und Business Traveller. Arbeitsverhältnisse sind immer häufiger befristet. Gleichzeitig steigt die Mobilität im Berufsalltag, denn viele Unternehmen setzen auf eine dezentrale Arbeitsweise: Die Angestellten arbeiten projektbezogen an einem Ort und ziehen anschließend weiter.Wichtig ist, dass die Mikroapartments zentral gelegen und zudem gut an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden sind. Zusatzservices wie beispielsweise ein englischsprachiger Concierge oder Gemeinschaftsbereiche wie Co-Working Spaces sind ebenfalls von Vorteil. Neu entwickelte Spezialobjekte sollten flexibel gehalten werden – die Drittverwendungsfähigkeit ist ein elementarer Faktor für den Erfolg der Immobilie. Schließlich kommen als Bewohner auch Senioren mit geringerer Mobilität infrage, die von der zentralen Lage profitieren – genauso wie Wohnungssuchende, die aufgrund der angespannten Lage in den Metropolen eine Übergangslösung suchen. Wer sich jedoch zu sehr einschränkt und – überspitzt dargestellt – nur für Unternehmer zwischen 40 und 55 Jahren baut, nimmt ein höheres Leerstandsrisiko in Kauf.Aufgrund des größeren Verwaltungsaufwands und des höheren Spezialisierungsgrads im Vergleich zu Plain-Vanilla-Objekten eignet sich auch bei Mikroapartments ein indirektes Investment in einen Spezial-AIF. Denkbar ist eine Cash-flow-orientierte Fondsstruktur, die sich besonders auf die alternativen Nutzungsarten konzentriert, oder eine Beifügung von Spezialobjekten in gemischte Portfolien, um die Renditen zu erhöhen. Halten ist bei diesen Objekten oftmals besser als Handeln: Schließlich ist die durchschnittlich zu erzielende Nettokaltmiete beispielsweise bei studentischen Wohnungen um bis zu 50 % höher als bei konventionellen Wohnformen. Was es zu beachten giltMein Fazit: Sofern die Möglichkeit für institutionelle Investoren besteht, ein Plain-Vanilla-Objekt in etablierter Lage und zu erschwinglichen Konditionen zu erwerben, sind sowohl eine direkte als auch eine indirekte Strategie vielversprechend. Will ein Investor allerdings in eine Projektentwicklung einsteigen und Spezialobjekte erwerben oder an weniger etablierten B-Standorten aktiv werden, sollte er unbedingt auf die Erfahrung eines überregional aktiven Fondsmanagers zurückgreifen. Auf diese Weise lassen sich für Institutionelle im Wohnsegment nach wie vor Durchschnittsrenditen von rund 5 % erzielen.—Johannes Anschott, Vorstand bei der Commerz Real AG