Wohnlagen mit Perspektive trotzen dem Zyklus

Immobilien haben sich als gute Investmentalternative erwiesen

Wohnlagen mit Perspektive trotzen dem Zyklus

Gabriele VolzGeschäftsführerin von WealthcapDie Zinsen im Euroraum sind und bleiben bis auf Weiteres im Keller. Ein höherer Anteil alternativer Anlagestrategien scheint für viele institutionelle Investoren deshalb unausweichlich. Immobilien haben sich in den vergangenen Jahren mit regelmäßigen Mieterträgen und kontinuierlichen Wertsteigerungen als gut geeignete Alternative zu kaum verzinsten Anleihen und volatilen Aktien erwiesen. Doch für wie nachhaltig dürfen Investments beispielsweise in Wohnimmobilien noch gelten? Die jüngste Preisrally hat vielerorts zu extrem hohen Einstiegspreisen geführt. Gleichzeitig sind die Cash-flow-Renditen zum Teil auf kaum mehr auskömmliche Niveaus gesunken. Für viele Investoren stellt sich deshalb die Frage: Ist ein Einstieg zum jetzigen Zeitpunkt noch sinnvoll? Oder ist die Immobilien-Hausse am Ende ihres Zyklus angekommen? Für langfristig orientierte Investoren ist dies jedoch nur ein Teil der wesentlichen Fragestellung. Langfristig entscheidender ist die Frage, wie sich das Wohnen in Zukunft entwickelt – und damit auch die Wohnimmobilien als Asset-Klasse. Welche Objekte und Lagen sind vor dem Hintergrund gesellschaftlicher Veränderungen in Zukunft wettbewerbsfähig? Die Fundamentaldaten zeichnen zunächst ein eindeutiges Bild: Wohnraum ist ein knappes Gut. Das belegt auch das jüngst erschienene Frühjahrsgutachten des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA). Der Verband geht von einem Bedarf von mindestens 350000 neuen Einheiten pro Jahr aus. Die Baufertigstellungen liegen jedoch bereits seit Jahren kontinuierlich unter der Marke von 300000 Einheiten. Damit staut sich ein immer weiter wachsender Nachfrageüberhang nach Wohnungen auf. Die Folge sind bereits seit Jahren kräftig steigende Kaufpreise und Neuvertragsmieten. Mit Berlin hat 2018 die letzte der sieben deutschen A-Städte bei der durchschnittlichen Neuvertragsmiete die Marke von zehn Euro je Quadratmeter übersprungen, ergab das ZIA-Gutachten. Beim Spitzenreiter München sind es bereits 16,54 Euro. Die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in den A-Städten liegen in einer Bandbreite zwischen fast 6400 Euro je Quadratmeter in München und mehr als 3200 Euro in Köln. Die Anstiege gegenüber dem Vorjahresniveau sind zum Teil zweistellig, so etwa in Berlin mit 15,2 % oder in Frankfurt am Main mit 13,2 %.Doch Mieten jenseits der 10 Euro pro Quadratmeter und Kaufpreise zwischen 3000 und 4000 Euro pro Quadratmeter beschränken sich nicht allein auf die sieben A-Städte. Sie gehören auch in kleineren Städten wie Freiburg, Ingolstadt oder Wiesbaden inzwischen dazu. Derzeit liegen die durchschnittlichen Neuvertragsmieten in 14 deutschen Großstädten bei mehr als zehn Euro pro Quadratmeter und die Kaufpreise für Eigentumswohnungen in 17 Großstädten bei mindestens 3000 Euro. Ein weiterhin wachsender Nachfrageüberhang und damit Aussichten auf weiter steigende Mieten und Preise – auf den ersten Blick scheinen Wohnimmobilieninvestoren nicht viel falsch machen zu können. Allerdings hat insbesondere die Kaufpreisentwicklung, mit der die Bestandsmieten nicht mithalten konnten, in den vergangenen Jahren zu rapide sinkenden Renditen geführt. Die mittlere Bruttoanfangsrendite ist nach Angaben des ZIA-Gutachtens in München bei 2,7 % und in Berlin bei 2,8 % angekommen. Auch in Stuttgart, Frankfurt am Main und Hamburg sowie in zahlreichen kleineren Städten, vornehmlich in Süddeutschland, zahlen Investoren das Dreißigfache der Jahresmieten für Wohnimmobilien.Institutionelle Investoren wie Versicherungen, Versorgungswerke oder Pensionskassen müssen jedoch ihrerseits Zahlungsverpflichtungen erfüllen. Auch Stiftungen benötigen in der Regel auskömmliche regelmäßige Ausschüttungen, um ihre Stiftungszwecke zu finanzieren. Das ist mit Investments mit marginaler Cash-flow-Rendite kaum mehr zu realisieren – noch weniger, wenn auch die Dynamik bei den Wertsteigerungen einmal abflachen sollte. Deshalb können institutionelle Investoren nicht mehr darauf verzichten, auch bei vermeintlich grundsoliden und krisensicheren Investments in Wohnimmobilien sehr genau hinzuschauen, um den langfristigen Kapitalerhalt zu sichern und gleichzeitig eine auskömmliche Rendite zu erwirtschaften. Die gute Nachricht: Dies ist weiterhin möglich. Wohnimmobilien können nach wie vor sehr attraktive Investments darstellen. Vor allem wenn sie als langfristige Investitionen verstanden werden, deren Potenzial es weit über den aktuellen Zyklus hinaus zu erkennen gilt. Gesellschaftliche Megatrends und technologischer Fortschritt verändern die Art und Weise, wie wir in Zukunft leben und wohnen werden. Dauerhaft wettbewerbsfähig und damit ein attraktives Langfrist-Investment sind deshalb nur solche Immobilien und Lagen, die vor diesem Hintergrund auch in zehn oder 20 Jahren noch als attraktive Objekte und Standorte von ihren Nutzern angenommen werden.Was attraktive und zukunftsfähige Wohnlagen und Immobilien auszeichnet, ist jedoch nicht pauschal zu beantworten. Wohnen ist und bleibt individuell. Dennoch lassen sich bestimmte Kriterien identifizieren, die zumindest für einen großen und wachsenden Teil der Bevölkerung bestimmte Präferenzen bei der Wohnungssuche zur Folge haben. Nur ein Beispiel: Junge Städter verzichten häufiger auf das eigene Auto. Parkmöglichkeiten und Tiefgaragenstellplätze werden deshalb in den urbanen Quartieren weniger wichtig. Dafür steigt die Bedeutung von fußläufigen Einkaufsmöglichkeiten, einer guten Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr oder von Fahrradstellplätzen. Um die relevanten Megatrends erkennen und nachhaltige Entwicklungen von kurzfristigen Modeerscheinungen unterscheiden zu können, bedarf es einer urteilsfähigen Trendexpertise. Bei der Lagebeurteilung ist zu unterscheiden zwischen dem Makrostandort – also der Stadt selbst beziehungsweise der Metropolregion – und der wesentlich kleinteiliger definierten Mikrolage: dem Stadtteil oder sogar Straßenzug. Beide Ebenen gehorchen unterschiedlichen Kriterien. Während auf Makroebene vor allem ökonomische Attribute wie die Wirtschaftskraft der Stadt oder Region sowie die Einwohnerentwicklung ausschlaggebend sind, spielt auf der Mikroebene die unmittelbare Attraktivität der Wohnlage eine tragende Rolle, darunter Kriterien wie soziale Infrastruktur, Grünflächen, Verkehrs­anbindung und Einkaufsmöglichkeiten. Grundbedürfnisse sind dabei zuerst zu berücksichtigen: Der Zoo oder das Kunstmuseum in der Nähe sind annehmlich. Letztlich entscheidend für die Wahl für eine Wohnlage sind aber der Supermarkt, die Kita und die U-Bahn-Station. Die Makroperspektive ist zuerst entscheidend, denn nur ein wirtschaftlich intakter Standort schafft Zuzug – zum Beispiel von Berufseinsteigern. Wo sich diese dann innerhalb der Stadt bevorzugt eine Wohnung suchen, darüber entscheiden die Mikrofaktoren. Gleichzeitig ist festzustellen: Auch an einem schwachen Makrostandort finden sich attraktive Mikrolagen, in denen es sich gut wohnen lässt und die deshalb auch Investoren eine Perspektive bieten. Wegen dieses vermeintlichen Widerspruchs sind Mikrolagen nur innerhalb eines Makrostandorts vergleichbar. Letztlich macht ein ausgewogener Mix aus vorteilhaften Makro- und Mikrolagekriterien eine attraktive und zukunftsfähige Wohnlage aus.Große Namen hingegen sind auf beiden Ebenen zweitrangig. Freilich verzeichneten die sieben deutschen A-Städte – übrigens eine Einteilung, die sich ursprünglich nur auf Büroimmobilien bezog – in den vergangenen Jahren den größten Zuzug und überdurchschnittliche Wertsteigerungen im Bereich der Wohnimmobilien. Doch gleichzeitig sind dort die Cash-flow-Renditen auch am niedrigsten. Es gibt zahlreiche B-, C- und sogar D-Städte in Deutschland mit ausgewogener Wirtschaftsstruktur, innovationsstarken Branchen, hervorragender Infrastruktur und sehr hoher Lebensqualität. Daher weisen auch Städte wie Freiburg, Jena oder Karlsruhe sehr zukunftsfähige Wohnlagen auf, die auch Perspektive für die zukünftige Entwicklung bieten. Dasselbe gilt bei der Betrachtung der Mikrolagen: Die Trendviertel von heute sind nicht unbedingt die beliebtesten Wohnlagen von morgen. Eine allzu starke Gentrifizierung kann die Vielfalt eines Stadtteils gefährden und ihn langfristig für Bewohner unattraktiver machen, wenn die Dinge des täglichen Bedarfs nicht mehr im direkten Umfeld zur Verfügung stehen. Zudem lassen teils sehr starke Steigerungen des Mietniveaus in der Vergangenheit das Potenzial für weitere Miet- und damit auch Wertsteigerungen fraglich erscheinen. Die Cash-flow-Renditen sind in den angesagtesten Stadtteilen ohnehin zumeist am niedrigsten. Aus Investorensicht erscheint es daher sehr viel nachhaltiger, die angesagten Lagen von morgen zu identifizieren, frühzeitig bei moderaten Einstiegspreisen zu investieren und von der langfristigen Aufwertung eines Potenzial-Stadtviertels zu profitieren.Gerade vor dem Hintergrund des anhaltenden Renditetiefs sind die langfristigen Entwicklungs- und Steigerungspotenziale, die zukunftsfähige Objekte und Lagen bieten, für institutionelle Investoren das entscheidende Anlagekriterium. Kurzfristigen zyklischen Schwankungen können dann mit Gelassenheit vom Spielfeldrand aus betrachtet werden.