Wuermeling wirbt für langsamen Ausstieg aus dem Krisenmodus

Bundesbankvorstand plädiert für schonende Abkehr von Corona-Erleichterungen - Beschleunigter Filialabbau erwartet

Wuermeling wirbt für langsamen Ausstieg aus dem Krisenmodus

fir Frankfurt – Die Deutsche Bundesbank plädiert dafür, sich auf eine langsame Rücknahme der coronabedingten Erleichterungen für Banken vorzubereiten. Europäische Gesetzgebung, Standardsetzer und Aufsicht müssten schon jetzt einen robusten Exitplan aus den Krisenmaßnahmen entwickeln, sagte Vorstandsmitglied Joachim Wuermeling in der Veranstaltung der Vertretung des Landes Hessen bei der EU zu “Die Folgen von Corona – steht Europa vor einer neuen Bankenkrise?”. So hatte beispielsweise die EZB-Bankenaufsicht den Instituten bereits im März erlaubt, die sogenannte Säule-2-Empfehlung, eine Vorgabe für Kapitalzuschläge im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungs- und Bewertungsprozesses (SREP), den Kapitalerhaltungspuffer und die Liquiditätsdeckungsquote vorübergehend zu unterschreiten.Zugleich warnte Wuermeling davor, die Institute mit neuen, schärferen Anforderungen zu belasten, während sie noch damit beschäftigt seien, die Schäden der Pandemie zu beheben. “Deshalb werden wir nicht in einem Hauruckverfahren vom einen auf den anderen Tag aus den Sondermaßnahmen aussteigen, sondern es wird genügend Zeit geben, die Puffer wieder aufzufüllen.” Die richtige Balance zu finden zwischen der Abfederung der Pandemiefolgen und der Rücknahme von Erleichterungen werde in den nächsten Monaten eine der schwierigsten Aufgaben für die EU werden. Warnung vor AufweichungDie Regulierung hat nach Ansicht des Bundesbankvorstands ihre Bewährungsprobe nun bestanden, sagte Wuermeling. In der Krise habe sie rechtzeitig und koordiniert reagiert, und zwar auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Deshalb sollten auch nicht leichtfertig Regulierungserfolge über Bord geworfen werden. Das gelte auch für die Umsetzung von Basel III. “Wir sollten keine als Corona-Maßnahme getarnte Aufweichung der Inhalte betreiben.” Eine Bedrohung des Bankensystems insgesamt durch die Effekte der Pandemie hält Wuermeling für unwahrscheinlich, wie er bereits bei der Vorstellung des Finanzstabilitätsberichts am Dienstag ausgeführt hatte. Allerdings würden “einzelne Schäden” eintreten.Als besonders hilfreich erachtet er, zumindest für große Banken, die von der Regulierung gewährten Spielräume bei der Behandlung von Krediten, die im Zuge der Pandemie über Moratorien gestundet werden. Diese hatte die europäische Bankenregulierungsbehörde EBA entgegen der üblichen Einstufung in diesem Fall für als nicht automatisch ausfallgefährdet erklärt. “So konnten wir ein Stück weit die prozyklische Wirkung der Rechnungslegung eindämmen, die ansonsten dazu geführt hätte, dass Verluste sofort entstehen und abgeschrieben werden müssen.”Geholfen hätten den Banken zudem die Aussetzung von Berichtspflichten, Vor-Ort-Prüfungen und allerlei bürokratischen Anforderungen, da die Institute zunächst einmal vollauf damit beschäftigt seien, den operativen Betrieb aufrechtzuerhalten. Weitere Erleichterungen seien jetzt nicht mehr vonnöten, sagte Wuermeling.Angesichts der Erfahrungen von Bankern wie Bankkunden im Lockdown, in dem viele Filialen geschlossen waren und “trotzdem keinerlei Leistungseinschränkung im Normalbetrieb” zu beobachten gewesen seien, geht er von einer Beschleunigung des Filialabbaus aus. Einige Institute haben bereits angekündigt, Zweigstellen zu schließen oder nicht mehr aufzumachen. Die Zahl der Filialen in Deutschland, die seit Jahrzehnten sinkt, betrug zum Jahreswechsel laut Bundesbank knapp 26 700 und damit gut 1 200 bzw. 4,4 % weniger als noch ein Jahr zuvor. Besonders stark war demnach der Rückgang im Sparkassensektor, der die Zahl der Zweigstellen um 525 auf gut 9 200 verringerte. Die Genossenschaftsbanken schlossen 471 Filialen und verfügten noch über knapp 8 500, und die Kreditbanken gaben 137 Zweigstellen auf und hatten noch 7 633.”Ich gehe schon davon aus, dass es einige Hundert oder Tausend Filialen weniger geben wird”, sagte Wuermeling nun mit Blick auf den Corona-Effekt, der sich zusätzlich auf den ohnehin zu beobachtenden Abwärtstrend bemerkbar machen dürfte. Dennoch würden Bankkunden gerade bei großen Finanzierungen, in der Altersvorsorge und Vermögensberatung, aber auch im Firmenkundengeschäft das persönliche Gespräch schätzen, das durch nichts zu ersetzen sei. “Das Prinzip des stationären Vertriebs von Bankprodukten, davon bin ich überzeugt, wird weiterhin Bestand haben.”