Zu aller Anfang ist der Index

Welche Indexkonstruktion langfristig die richtige ist, lässt sich weder analytisch noch empirisch eindeutig beurteilen

Zu aller Anfang ist der Index

Indizes gibt es seit dem vorvergangenen Jahrhundert. Als erster Index gilt der Dow Jones Railroad Average, der im Jahre 1884 geschaffen wurde und dessen Nachfolger der seit 1896 errechnete Dow Jones Industrial Average ist. Beide Indizes waren einfache, preisgewichtete Konstrukte. Deutlich weiterentwickeltSeitdem haben sich Indizes deutlich weiterentwickelt: Waren sie zunächst als ein bloßes Abbild von Wertpapiermärkten erdacht, so sind sie heute die Grundlage für viele Kapitalmarktinstrumente und Richtschnur für Investmentstrategien. Es wird geschätzt, dass in den USA 30 % aller Anlagegelder strikt indexorientiert verwaltet werden. In Europa liegt der Anteil länderspezifisch zwischen 5 % und 15 %.Einen besonderen Anteil an der Entwicklung hatte die Verbreitung von Exchange Traded Funds (ETF) oder börsengehandelten Indexfonds seit 1993 in den USA (der erste ETF wurde 1989 in Kanada aufgelegt). Ab April 2000 wurden ETF auch in Europa eingeführt. Heute beträgt das in ETF verwaltete Volumen weltweit über 1150 Mrd. Euro und in Europa rund 219 Mrd. Euro. Was ist ein Index?Doch was ist überhaupt ein Index? Diese trivial anmutende Frage hat in jüngster Zeit an Bedeutung gewonnen. Der Hintergrund: In schwierigen und volatilen Marktphasen wird die Orientierung an einem Vergleichsmaßstab, einer Benchmark, kontrovers diskutiert. Die Rede ist vielfach von Absolute-Return-Strategien oder Konzepten, die in jeder Kapitalmarktphase ein positives Resultat erwirtschaften sollen. Der langfristige Beweis steht aber noch aus. Es lässt sich empirisch nicht zweifelsfrei nachweisen, dass Absolute-Return-Strategien kontinuierlich und konsistent funktionieren.Genauso verhält es sich, wenn Anlagestrategien ohne Benchmarkbezug propagiert werden. Investoren haben in der Regel das Minimumziel, langfristig die Substanz eines Vermögens zu erhalten. Damit stellt sich zumindest die Inflationsrate als Benchmark ein.Indizes dienen als Vergleichsmaßstäbe. Zentral in der Unterscheidung zwischen aktivem und passivem Vermögensmanagement ist die Abweichung gegenüber einem Vergleichsmaßstab (Benchmark). Dabei soll beim aktiven Vermögensmanagement möglichst mehr Ertrag als die Benchmark erzielt werden, beim passiven Vermögensmanagement genau so viel. Heutige AnforderungenIn der einfachsten Beschreibung ist ein Index eine Zusammenfassung der Entwicklung einer Gruppe von Wertpapieren, die in einer Zahl ausgedrückt wird. Welche Anforderungen sind an eine geeignete Benchmark zu stellen? Allgemein haben sich folgende Kriterien herausgebildet:- Repräsentativität – Ein Index sollte den abzubildenden Markt möglichst breit abdecken. Sowohl der deutsche Aktienindex Dax als auch der lange Jahre vielbeachtete F.A.Z.-Index decken den deutschen Aktienmarkt zu 80 % bis 85 % ab, wenn auch in unterschiedlicher Zusammensetzung. Ein bedeutendes Unterscheidungsmerkmal zwischen Indizes kann dabei die Branchengewichtung im Index selbst sein. So hat der F.A.Z.-Index eine geringere Affinität zum Banken- beziehungsweise Finanzdienstleistungssektor.- Replizierbarkeit – Ganz wesentlich ist die Eigenschaft, dass Investoren die Wertpapiere in einem Vergleichsindex tatsächlich erwerben können. Gerade zu Anfang der Indexfonds stellte dies in vielen Märkten eine große Herausforderung dar. Heutzutage ergeben sich bei manchen Schwellenländern immer noch Probleme.- Regelbasierung und Transparenz – Diese beiden Eigenschaften haben deutlich an Bedeutung gewonnen mit dem Aufkommen börsengehandelter Indexfonds, den Exchange Traded Funds. Für viele Marktteilnehmer sind diese beiden Merkmale der Unterschied zwischen “richtiger” Indexverfolgung und aktiven Strategien, die vermeintlich als passive Lösungen daherkommen.- Regelwerk – Gerade global anlegende Investoren achten immer mehr darauf, dass die von ihnen gewählten Benchmarks international nach gleichem Regelwerk vorgehen und somit Klumpenrisiken vermeiden helfen.- Free Float – Eng mit der Replizierbarkeit von Indizes ist der Free Float verbunden. Gemeint sind damit Regelwerke, die in der Gewichtung tatsächlich nur frei handelbare beziehungsweise am Markt erwerbbare Aktien einbeziehen.- Indexanpassungen – Je geringer die Anzahl der Indexanpassungen, desto besser kann ein Fondsmanager einen Index nachbilden, da jede Anpassung Transaktionskosten in nicht unerheblicher Größe verursachen kann. Zudem müssen Indexanpassungen nachvollziehbar sein, was mitunter bei Bezugsrechten schwierig ist, da es einen zeitlichen Unterschied zwischen rechtlichem Besitz und wirtschaftlicher Verwertungsmöglichkeit geben kann. Indizes als BenchmarksIn Bezug auf die Gewichtung von Indexbestandteilen haben sich folgende Methoden durchgesetzt:- Gewichtung nach Marktkapitalisierung: Dabei handelt es sich um die einfachste und gängigste Methode der Indexzusammensetzung. Die Anzahl der von einem Unternehmen ausgegebenen Aktien wird mit dem Kurs der Aktie multipliziert. Addiert man die sich ergebende Marktkapitalisierung über alle Aktien, so ergibt sich die Größe eines Marktes. Die Marktkapitalisierung des Dax betrug Anfang 2012 rund 1,15 Mrd. Euro. Ein mögliches Problem dieser Konstruktionsmethode: Je teurer ein Unternehmen wird, desto höher kann das Gewicht in einem Index werden. Dabei kann es vorkommen, dass der Preis einer Aktie unabhängig von jeglichen ökonomischen Bezugsgrößen steigt. Das bekannteste Beispiel in jüngster Vergangenheit waren die Aktien von Volkswagen, die nur aufgrund von Übernahmefantasien im Oktober 2008 die Marke von 1 000 Euro durchbrachen. Allerdings ist anzumerken, dass bei der Kritik an dieser Methode immer davon ausgegangen wird, dass es tatsächlich einen fairen Wert für jedes Wertpapier gibt.- Gleichgewichtung von Wertpapieren: Diese Methode erfreut sich immer wieder großer Aufmerksamkeit, insbesondere in Zeiten starker Unsicherheiten und damit Schwankungen an den Kapitalmärkten. Alle Aktien in einem Index bekommen das gleiche Gewicht. Die Nachfrage nach einem einzelnen Wertpapier beeinflusst die Gewichtung dieses Titels langfristig nicht. Das Problem: Von marktkapitalisierungsschwachen Aktien muss mehr gekauft werden als von Schwergewichten. Da aber traditionell geringer gewichtete Aktien in aller Regel auch weniger liquide sind, kann sich starker Marktdruck ergeben. Außerdem verursachen häufig erforderliche Umschichtungen relativ hohe Transaktionskosten (Rückführung auf Gleichgewichtung). Ob gleichgewichtete Indizes langfristig bessere risikoadjustierte Ergebnisse erbringen, ist sehr umstritten.- Fundamental gewichtete Indizes: Hier wird versucht, einen Zusammenhang zwischen ökonomischen Größen und der Gewichtung einer Aktie herzustellen. Ein Beispiel sind die von dem Amerikaner Rob Arnott und seiner Firma Research Affiliates konstruierten RAFI-Indizes. Die Indizes setzen sich aus Aktien zusammen, die nach Buchwert, Cash-flow, Dividendenrendite und Erlösen ausgewählt werden. Auch wenn die langfristigen Ergebnisse in der Rückrechnung sehr gut aussehen, haben sich in der jüngsten Vergangenheit unbefriedigende Resultate eingestellt. So nach der Lehman-Pleite, da wegen der angelegten Auswahlkriterien Banken stark übergewichtet waren.- Nach Bruttoinlandsprodukt gewichtete Indizes: Seit dem erneuten Ausbruch der europäischen Finanzkrise wird dieses Konzept stark bei von Staaten ausgegebenen festverzinslichen Wertpapieren diskutiert. Hintergrund: Oft begeben hoch verschuldete und damit weniger gut bewertete Staaten besonders hohe Emissionen von Bonds. Dies führt damit automatisch zu einer Verzerrung von Indizes. Daher treten Konzepte stärker in den Vordergrund, die sich am wirtschaftlichen Erfolg von Volkswirtschaften ausrichten.- Alternative Konstruktionen: Eine der bekanntesten alternativen Auswahlmethoden ist das Minimum-Varianz-Kriterium. Minimum-Varianz beschreibt eine Strategie, bei der das Portfolio ausgewählt wird, das die geringsten Schwankungen aufweist und auf der Effizienzlinie liegt. Mit anderen Worten: Es gibt kein anderes Portfolio, das bei geringerer Volatilität eine höhere Rendite erwirtschaftet. Insbesondere in Zeiten hoher Marktunsicherheit sehen sich derartige Indizes starker Nachfrage gegenüber. Erkenntnisse für den InvestorWelche Indexkonstruktion langfristig die bessere ist, lässt sich – leider – weder analytisch noch empirisch eindeutig beurteilen. Die Wahl der richtigen Benchmark unterliegt vielen Kriterien und ist von Anleger zu Anleger verschieden.Wesentlich scheint dabei zu sein, Kernmärkte möglichst breit abzudecken, Klumpenrisiken zu vermeiden und bei länderübergreifenden Anlagen das Währungsrisiko im Auge zu behalten. Die Ausrichtung an Indizes über passive Anlagen erlaubt es, Kosten niedrig zu halten und bereits in sich diversifizierte Portfolien erwerben zu können.