Cum-ex-Verfahren

Zwei Postboxen und viele Leitz-Ordner

Im Cum-ex-Prozess gegen Hanno Berger vor dem Landgericht Wiesbaden nutzte der Angeklagte den Ausfall eines Zeugen für eine ausführliche Darstellung seiner Rechtsposition – verständlich nur für Feinschmecker.

Zwei Postboxen und viele Leitz-Ordner

Von Thomas List, zzt. Wiesbaden

Eigentlich sollte ja ein ehemaliger Mitarbeiter der Kanzlei von Hanno Berger als Zeuge aussagen. Aber leider ist er nicht erschienen. Die Einladung sei per Brief an das Amtsgericht zurückgekommen, sagte die Vorsitzende Richterin Kathleen Mittelsdorf am Donnerstag zu Beginn der Verhandlung des Landgerichts Wiesbaden (Az: 6 KLs-1111 Js 18753/21). Da nur dieser eine Zeuge geladen war, wollte Mittelsdorf die Sitzung für die Verlesung weiterer Unterlagen nutzen.

Doch Berger wollte sich zuvor die Gelegenheit zur Stellungnahme nicht entgehen lassen. Die Vorsitzende Richterin, die wohl erneute längliche Ausführungen des Angeklagten befürchtete, versuchte dem Einhalt zu gebieten mit dem Hinweis, dass Rechtsfragen zum zuvor außerhalb der Hauptverhandlung ergangenen Beschluss, den Antrag auf Haftaufhebung abzulehnen, eben dann auch nicht in der Hauptverhandlung diskutiert werden sollten. Vielmehr sollten die Einlassungen in erster Linie zu den Tatsachen, also den Tatvorwürfen, erfolgen.

Aber vergebens. Es hänge eben alles zusammen, so Berger. Seinen bis zur Pause 50-minütigen Ausführungen wolle er „die wichtigsten zwei Punkte voranstellen“. Welche das waren, wurde aus dem Wust von zitierten BGH- und BFH-Urteilen, BMF-Schreiben, ergänzt um die gängige Verwaltungspraxis (der Finanzämter) nicht so recht klar. Berger zeigte sich, zwei gelbe Postboxen gefüllt mit Leitz-Ordnern hinter seinem Stuhl platziert, gut gerüstet – wenn er sich auch beklagte, mangels adäquater Büroausstattung (die ihm für seine Zelle offenbar nicht bewilligt wurde) manche Schriftstücke nur schwer (wieder)finden zu können.

Rechtsanwalt und Steuerberater Dr. Berger begann mit dem Empfängerhorizont (der Finanzverwaltung), also wie eine Willenserklärung aus Sicht eines vernünftigen Dritten auszulegen ist. Maßgebend sei eben (bei der Entgegennahme der Steuerbescheinigung zur Kapitalertragsteuer) nicht der heutige, sondern der damalige Empfängerhorizont, also derjenige vor 2009, als das Bundesfinanzministerium ein Schreiben zu Cum-ex-Geschäften veröffentlichte, mit dem Leerver­käufen endgültig ein Riegel vorgeschoben werden sollte. Überhaupt die Steuerbescheinigung. „Aus der ergibt sich nicht die tatsächliche Abführung (der Kapitalertragsteuer)“, so Berger, mit Betonung auf „tatsächliche“.

Nach der Ankündigung „ich mache einen kleinen Exkurs“ ging es dann um die wirtschaftliche Berechtigung, den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums und wer denn nun eigentlich der steuerliche Schuldner ist. Es gehe eben nicht um den zivilrechtlichen Schuldner. Das sei ein Falschzitat des BGH mit Bezug auf den BFH, bemerkte Berger süffisant. Aber leider: Seine Anwälte hätten ihn darauf hingewiesen, dass letztlich der BGH (mit seinem Urteil vom 28.7.2021) entscheidend (für diese Verhandlung) sei.

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