Im Gespräch:Avaloq-CEO Martin Greweldinger

„Das ist ein globales Dorf“

Der Schweizer IT-Dienstleister Avaloq versorgt Vermögensverwalter in ganz Europa und den USA. Schlechten Service könne man sich schlicht nicht leisten, sagt der Vorstandschef: "Die Leute in dem Sektor kennen sich alle."

„Das ist ein globales Dorf“

Im Gespräch: Martin Greweldinger

„Vermögensverwaltung ist ein globales Dorf“

Der Vorstandschef der Schweizer Avaloq rechnet sich gute Wachstumsmöglichkeiten in Asien und Europa aus. Der Banken-IT-Dienstleister profitiert nach Ansicht von Martin Greweldinger auch von der Einsicht der Top-Entscheider, sich alter IT-Architekturen entledigen zu müssen.

Der CEO des Schweizer IT-Dienstleisters Avaloq über die wachsende Bereitschaft zur IT-Migration, Zukäufe und Wachstumspläne in Europa und den USA

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Der Schweizer IT-Dienstleister Avaloq erhofft sich dank Nachholeffekten bei der IT-Modernisierung von Banken, neuer Kooperationspartner und eines Ausbaus des Geschäfts über die Cloud Rückenwind. In Europa hat Vorstandschef Martin Greweldinger erhebliches Wachstumspotenzial ausgemacht. „Der jahrzehntelange IT-Investitionsstau löst sich langsam auf, deshalb erwarten wir hier große Investitionsvolumina“, sagt er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung.

Der jahrzehntelange IT-Investitionsstau löst sich langsam auf, deshalb erwarten wir hier große Investitionsvolumina.

Avaloq-CEO Martin Greweldinger

Dieser Ansicht seien auch die in Deutschland verankerten Avaloq-Kunden. „Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass eine der großen Schweizer Banken nicht mehr da ist“, sagt er mit Anspielung auf das Verschwinden der Credit Suisse. Die entstandene Lücke eröffne ihren Wettbewerbern Chancen. Potenzial sieht er aber auch in den USA.

Mit dem Kunden wachsen

Dabei sei es Philosophie des Hauses, nach Möglichkeit immer zusammen mit den Kunden zu wachsen und gemeinsam mit Ankerkunden in neue Märkte zu gehen. „Wir schauen, welche Kunden wir in einem Markt haben wollen, und gehen dann sehr gezielt vor. Wichtig ist nicht Masse, sondern stetiges Wachstum mit den passenden Kunden, die auch langfristig agieren. Andernfalls würden unsere und ihre Philosophie nicht zusammenpassen“, befindet Greweldinger. Er führt das Zürcher IT-Haus seit Kurzem als alleiniger CEO, nachdem der frühere Co-Chef Thomas Beck sich aus der Geschäftsleitung zurückgezogen hat.

Dabei könne es sich Avaloq nicht leisten, schwache Dienstleistungen zu erbringen. „Vermögensverwaltung ist ein globales Dorf. Die Leute in dem Sektor kennen sich alle“, sagt Greweldinger. „Das heißt auch: Wenn wir schlechten Service liefern würden, selbst bei einer kleinen Bank, wüssten es alle anderen.“

Deutschland bleibt attraktiv

Das Wachstum manifestiert sich auch in den Mitarbeiterzahlen von Avaloq. „In den vergangenen fünf Jahren ist unser Lizenz- und Serviceumsatz in Europa um rund 30% gewachsen und die Zahl der Mitarbeitenden weltweit auf rund 2.500“, sagt Greweldinger. „Und wir wachsen weiter, auch in Deutschland.“

Es kommen Banken aus dem Ausland, aus Europa und den USA, die Deutschland als sehr attraktiven Markt ansehen.

Deutschland betrachtet er ungeachtet des Wettbewerbsdrucks weiterhin als Markt, in dem Bereiche wie Vermögensverwaltung, Private Banking und Advisory Banking Avaloq viel Potenzial böten. „Unsere Kernklientel in Deutschland kommt aus dem Privatbankensektor. Und der wächst. Es kommen dazu Banken aus dem Ausland, aus Europa und den USA, die Deutschland als sehr attraktiven Markt ansehen.“

An Ambitionen mangelt es den Zürichern offenkundig nicht. „Wir wollen die Nummer eins weltweit für IT-Lösungen im Wealth Management sein“, führt Greweldinger aus. „Dafür folgen wir einem Mehrjahresplan. Ziel ist, global stetig und nachhaltig zu wachsen. Wir denken langfristig anstatt von Quartal zu Quartal.“

Weniger Lizenzgeschäft, mehr Outsourcing

Das Umsatzwachstum der vergangenen Jahre, insbesondere in Europa und Asien, führt Greweldinger vor allem darauf zurück, dass Avaloq mittlerweile viele IT-Lösungen über die Cloud anbiete. War das Unternehmen früher noch sehr stark im Lizenzgeschäft tätig, betreibe es also zunehmend Software-as-a-Service (SaaS).

Auch im Outsourcing-Geschäft sei Avaloq sehr aktiv, Greweldinger spricht von Business-Process-as-a-Service (BPaaS). „Wenn wir eine Softwarelizenz verkaufen, deckt die Lizenzgebühr auch Support und Wartung ab. Die Bank betreibt die Software aber selbst. Dies macht jedoch nur einen kleinen Teil der internen Abläufe der Bank aus“, sagt er. „SaaS deckt hingegen einen viel größeren Teil der Wertschöpfungskette ab, weil wir die gesamten Prozesse übernehmen.“

Einstieg in Japan

Neu erschlossen hat Avaloq Märkte im Nahen Osten sowie den japanischen Markt, was angesichts der Übernahme durch den japanischen IT-Konzern NEC im Jahr 2020 wenig verwunderlich ist. Für knapp 2 Mrd. Euro hatte NEC die Firma der Beteiligungsgesellschaft Warburg Pincus und Avaloq-Gründer Francisco Fernandez sowie Mitarbeitern abgekauft. Spielraum sieht Greweldinger für Kooperationen und Synergien mit zum NEC-Konzern gehörenden Tochtergesellschaften. Fast 300 Unternehmen in 50 Staaten zählte NEC vor einem Jahr. An die 120.000 Mitarbeiter erwirtschaften einen Umsatz von 25 Mrd. Dollar, gut die Hälfte davon im IT-Dienstleistungsgeschäft.  

Minderheitsbeteiligung von Blackrock

Vor knapp einem Jahr ist auch der US-Konzern Blackrock bei Avaloq eingestiegen. Es handele sich um eine sehr kleine Minderheitsbeteiligung ohne Stimmrechte, die langfristig angelegt sei, sagt Greweldinger. Mit dem Investor verbindet Avaloq die gemeinsam betriebene Plattform Aladdin Wealth, die Vermögensverwalter bei der Interaktion mit Privatanlegern unterstützen soll. Greweldinger plant vergleichbare Partnerschaften auch mit anderen Anbietern: „So etwas steht ganz klar auf der Tagesordnung.“

Dabei sei, anders als in der Vergangenheit, auch anorganisches Wachstum vorstellbar: „In unserem strategischen Mehrjahresplan sind ganz klar auch neue strategische Partnerschaften vorgesehen.“ Daher kümmere sich ein eigenes Team darum, den Markt zu beobachten und nach Gelegenheiten Ausschau zu halten. Bislang sei Avaloq indes über das Gesprächsstadium nicht hinausgekommen: „Wir sind noch nicht so weit, dass wir kurz vor einer Übernahme stehen würden.“ Wichtig ist dem CEO, Avaloq so aufzustellen, dass das Unternehmen einen Zukauf auch verdauen könne.

KI und Homeoffice als Treiber

Mit Blick auf weiteres Wachstum optimistisch stimmt Greweldinger auch, dass die Zurückhaltung, alte IT-Systeme auszutauschen, allmählich schwinde. Ein Treiber dafür sei das Thema Homeoffice, dem die Pandemie Schwung verliehen habe. Die Erkenntnis, dass Infrastrukturen und Systeme so errichtet werden, dass sie resilient sind, habe in vielen Vorstandsetagen zu einem Sinneswandel beigetragen. Zudem gewinne das Thema künstliche Intelligenz (KI) zunehmend an Bedeutung: „Wenn Banken ihre Daten nicht unter Kontrolle halten, Daten duplizieren und IT-Systeme nur noch auf bestehende Strukturen aufgepfropft werden, wird sich der Nutzen von KI sehr in Grenzen halten.“

Der Vorstandschef der Schweizer Avaloq rechnet sich gute Wachstumsmöglichkeiten in Asien und Europa aus. Der Banken-IT-Dienstleister profitiert nach Ansicht von Martin Greweldinger auch von der Einsicht der Top-Entscheider, sich alter IT-Architekturen entledigen zu müssen.