FOKUSRegeln für Kleinanleger

Hartes Ringen um einfachere Vorgaben für Retail-Investoren

Drei verschiedene Non-Paper mit Vorschlägen zur Vereinfachung der Vorgaben liegen im Rat auf dem Tisch, um der Kleinanlegerstrategie neuen Schwung zu verleihen. Trotzdem ist ungewiss, ob sie jemals beschlossen werden wird.

Hartes Ringen um einfachere Vorgaben für Retail-Investoren

Hartes Ringen um einfachere Vorgaben für Retail-Investoren

fed Brüssel

Es gibt in Europa sicherlich einfachere Gesetzgebungsverfahren als den derzeit laufenden legislativen Prozess über die Regeln für Kleinanleger. Die EU-Kommission hatte, als sie vor zwei Jahren die so genannte Retail Investment Strategy präsentierte, einen Rechtsrahmen zu schaffen, in dem private Anleger fair behandelt und ausreichend geschützt werden. Auf diese Weise wollte die EU-Kommission das Vertrauen der privaten Investoren in die Kapitalmärkte stärken und mehr EU-Bürger motivieren, ihr Geld nicht nur auf Sparbücher zu tragen.

Doch das Gesetzgebungsverfahren kommt nur zäh voran. Zwar haben Rat und EU-Parlament jeweils ihre Positionen abgestimmt. Aber erstens haben sich die Ko-Gesetzgeber dabei deutlich vom ursprünglichen Vorschlag der EU-Kommission entfernt – insbesondere, indem beide Institutionen das Verbot von Provisionen aus dem Text gestrichen haben. Zudem liegen die Positionen von Rat und Parlament in vielen Punkten weit auseinander.

Verwirrende Ansage der EU-Kommission

Vor einigen Wochen hat die EU-Kommission bei der Vorlage ihres Fahrplans für die Spar- und Investitionsunion mit einer sibyllinischen Ansage überrascht: „Die EU-Kommission wird eine Einigung zwischen Parlament und Rat über die Strategie für Kleinanleger erleichtern. Die EU-Kommission wird jedoch nicht zögern, den Vorschlag zurückzuziehen, wenn die Verhandlungen die angestrebten Ziele der Strategie nicht erreichen.“

Seither ist unklar, ob die Kleinanlegerstrategie tatsächlich verabschiedet werden wird. Um im Gesetzgebungsprozess voranzukommen, haben die EU-Kommission sowie die Franzosen mit den Tschechen und auch die Niederländer umfangreiche Vorschläge zur Vereinfachung der Regeln gemacht. In den zuständigen Ratsarbeitsgruppen werden diese Überlegungen aktuell kontrovers diskutiert – insbesondere die Änderungsvorschläge für „Value for money“, also die Sicherung eines angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnisses.

Die EU-Kommission hat in ihrem Arbeitspapier, das der Börsen-Zeitung vorliegt, eine ganze Reihe möglicher rechtlicher Anpassungen aufgelistet, die Kleinanlegern und ihren Beratern das Leben erleichtern sollen. In dem Non-Paper, das die EU-Kommission auf Bitten der EU-Gesetzgeber erstellt hat, wird beispielsweise die Möglichkeit diskutiert, in einem neuen delegierten Rechtsakt die Methodik zu definieren, unter der die Hersteller und Vertreiber von Investmentfonds und strukturierten Produkten die Evaluierung der Werthaltigkeit (Value for Money) ihrer einzelnen Angebote im Vergleich mit ähnlichen Produkten der Konkurrenz vornehmen sollen. In diesem Rechtsakt soll etwa festgelegt werden, wie die Vergleichsgruppe ausgewählt sein muss. Der Peer-Gruppen-Ansatz soll zudem fast nur auf Daten aufbauen, die öffentlich verfügbar sind.

Einstufung als Halbprofi

Änderungen werden auch in Bezug auf die Einstufung von Kunden als Halbprofis vorgeschlagen. „Die Vereinfachung der Mifid-Anforderungen für die Umklassifizierung eines Kleinanlegers in einen professionellen Kunden auf Antrag würde die Belastung für anspruchsvollere Kunden verringern“, heißt es. Die EU-Kommission kann sich vorstellen, bei den Kriterien nachzusteuern, insbesondere mit Blick auf die Transaktionsfrequenzen des Kunden. Auch sei denkbar, für gewisse Investoren oder für bestimmte Wertpapier-Geschäfte (bei Volumen über 500.000 Euro) Ausnahmen von den Mifid-Anforderungen zum Anlegerschutz zuzulassen.

Auch bringt die EU-Kommission die Option ins Gespräch, die Eignungsprüfung (Suitability Text) im Falle einer unabhängigen Beratung teilweise entfallen zu lassen. Schließlich könnten Berichtspflichten reduziert werden, etwa durch die Streichung des Abschnitts über Nachhaltigkeit im Beipackzettel (Priips KID), zumal ja ohnehin an den Vorgaben zur Nachhaltigkeits-Berichterstattung aktuell geschraubt wird.

Weniger Informationspflichten gefordert

Die Niederländer werben wiederum in ihrem Arbeitspapier dafür, bei bestimmten Kunden darauf zu verzichten, umfassende Informationen über deren Finanzlage einzuholen, etwa wenn nur ein relativ bescheidener Teil des Gesamteinkommens investiert werden soll. Auch wird vorgeschlagen, die Anbieter von Finanzprodukten nicht mehr zu verpflichten, Informationen über den Beruf und die Ausbildung des Kunden einzuholen. „Unserer Erfahrung nach sind diese Informationen nicht relevant, um festzustellen, ob ein Kunde über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen in Bezug auf die betreffende Wertpapierdienstleistung/das betreffende Produkt verfügt.“ Aus Sicht der Niederlande wäre zudem denkbar, den Investmentgesellschaften nicht mehr abzuverlangen, Kunden zu informieren, wenn der Wert ihres Portfolios um 10 % oder mehr sinkt. Schließlich ist damit das Risiko verbunden, dass Bärenmärkte bei den Kunden Angst und Panikverkäufe auszulösen.

Frankreich und die Tschechische Republik starten ihr Arbeitspapier mit der Warnung: „Der Text der Kleinanlegerstrategie, der derzeit auf den Tischen von Parlament und Rat liegt, läuft Gefahr, sich vom ursprünglichen Ziel zu entfernen, nämlich das Engagement von Kleinanlegern an den Finanzmärkten anzukurbeln“. Das Papier konzentriert sich auf drei Elemente: die Vereinfachung der Anforderungen an die Kunden, die Vermeidung von Preisregulierung und eines höheren Aufwands bei der Sicherstellung eines angemessenen Preis-Leistungs-Verhältnisses und die Verhinderung von Hürden, was Transparenz der Produkte und Finanzbildung der Kunden angeht.

Konkret schlagen die beiden Regierungen vor, darauf zu verzichten, von Beratern zu verlangen, dass sie die Fähigkeit des Kunden überprüfen, finanzielle Verluste abfangen zu können und zudem auch seine Risikotoleranz zu evaluieren. Der Nutzen, den diese zusätzlichen Anforderungen für die richtige Produktauswahl schaffen, sei begrenzt. Auch die Ergänzung des Angemessenheitstests um eine Diversifizierungsklausel halten die Regierungen von Paris und Prag für überflüssig.