Monatsbericht

Bundesbank bemängelt Inflationsmessung

Die deutschen Notenbanker sehen „coronabedingte Sondereffekte“ bei der Berechnung der Verbraucherpreise derzeit zu wenig berücksichtigt. Die Schwankungen könnten größer sein, als von Eurostat Monat für Monat veröffentlicht.

Bundesbank bemängelt Inflationsmessung

rec Frankfurt

Die Bundesbank rechnet laut revidierten Projektionen damit, dass die Verbraucherpreise gegen Ende des Jahres zeitweise die Marke von 3% überschreiten, und kritisiert in diesem Zusammenhang die Kommunikationspolitik der Statistikbehörde Eurostat. „Coronabedingte Sondereffekte“ haben Aktualisierungen der Inflationsprojektionen notwendig gemacht, wie die Bundesbank in ihrem Monatsbericht schreibt. Demnach dürfte sich die Jahresteuerungsrate laut dem einschlägigen Harmonisierten Verbraucherpreisindex (HVPI) im Durchschnitt zwar unverändert auf 1,8% erhöhen, es ist aber mit starken Schwankungen zu rechnen, die größer sind als angenommen.

Hintergrund der Revisionen ist, dass sich die Gewichte etlicher Komponenten im sogenannten Warenkorb, der dem HVPI zugrunde liegt, geändert haben. Durch die Folgen der Coronakrise für den Konsum fallen die turnusmäßigen Änderungen diesmal besonders umfangreich aus. So haben Verbraucher 2020 relativ wenig für Reisen und Restaurantbesuche ausgegeben, dafür ist der Anteil von Mieten und Grundnahrungsmitteln im repräsentativen „Warenkorb“ für die Eurozone gestiegen. Für diese Anpassungen ist Eurostat verantwortlich. Das neue „Wägungsschema“ veröffentlicht die Behörde aber erst an diesem Dienstag. Bis dahin müssen Ökonomen eigene Schätzungen zugrunde legen.

Das stößt in der Bundesbank auf Kritik. Die „genauen Auswirkungen von Gewichtsverschiebungen im Euroraum“ seien „nach wie vor unklar“, bemängeln die Notenbanker. Normalerweise fällt das nicht stärker ins Gewicht, weil marginale Veränderungen des HVPI-Warenkorbs die Inflationsrate allenfalls minimal bewegen. „Sollten solche Gewichtsanpassungen aber zu starken Schwankungen der geldpolitisch relevanten HVPI-Vorjahresrate führen, die rein statistischer Natur sind, wäre es wünschenswert, dass die amtliche Seite sie zumindest im Vorfeld besser kommuniziert“, kritisierte die Bundesbank.

Im Januar sprang der HVPI in Deutschland um 2,3 Prozentpunkte auf 1,6% ­ und damit deutlich stärker als erwartet. Auch fiel die üblicherweise geringe Differenz zur Inflationsrate nach nationaler Rechnung (VPI), die mit 1,0% ausgewiesen wurde, substanziell aus. Das erklärt die Bundesbank mit dem Turnus in der Anpassung der Gewichte im Warenkorb: beim HVPI jedes Jahr, beim VPI nur alle fünf.

Immobilien überteuert

Unterdessen erneuerte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht ihre Warnung vor überhöhten Immobilienpreisen. Die Immobilienpreise lägen in den Städten immer noch zwischen 15 und 30% über dem gerechtfertigten Niveau. Indikatoren deuteten sogar darauf hin, „dass die markanten Preisübertreibungen auf den städtischen Wohnungsmärkten während der Coronavirus-Pandemie im Berichtsjahr etwas zunahmen“. Es gibt Bestrebungen im EZB-Rat, die Kosten für selbst genutztes Wohneigentum künftig bei der Inflationsmessung zu berücksichtigen.

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