GastbeitragCO2-Grenzausgleich

Carbon Border Adjustment Mechanism fordert Unternehmen heraus

Unternehmen müssen absehbar die tatsächlich gemessenen und berechneten Emissionswerte ihrer Importe nach Brüssel berichten. Das Zeitfenster zur Beschaffung dieser Daten wird immer enger.

Carbon Border Adjustment Mechanism fordert Unternehmen heraus

Carbon Border Adjustment Mechanism fordert Unternehmen heraus

Standardwerte ab Juli 2024 nicht mehr anwendbar

Von Hartmut Henninger und Lars Hillmann *)

Seit Oktober 2023 gilt das CO2-Grenzausgleichsystem der EU, auch bekannt unter CBAM für Carbon Border Adjustment Mechanism. Importeure von Stahl- und Aluminiumprodukten, Düngemitteln, Zement, Wasserstoff und Strom müssen auf Basis der CBAM-Verordnung berichten, wie viel Treibhausgase in den eingeführten Waren enthalten sind.

Dies scheint die Unternehmen zu überfordern: Nach einer Meldung der Financial Times sollen gerade einmal 10% der circa 20.000 verpflichteten Unternehmen in Deutschland den rechtlich vorgeschriebenen Bericht abgegeben haben.

Dabei profitieren Unternehmen aktuell noch von einer Vereinfachung bei den Eingaben. Anstelle der tatsächlich anfallenden Treibhausgase können sie bei der Einfuhr von Waren Standardwerte verwenden. Zum 1. Juli 2024 ändert sich auch das. Dann müssen Unternehmen die tatsächlich gemessenen und berechneten Emissionswerte ihrer Importe nach Brüssel berichten – so jedenfalls die fragwürdige Rechtsauffassung der EU-Kommission. Das Zeitfenster zur Beschaffung dieser Daten wird immer enger.

CO2-Bepreisung ab 2026

Die CBAM-Verordnung ist Teil des Fit-for-55 Programms der EU. Ab 2026 sind Importeure verpflichtet, einen Ausgleich für die Treibhausgasemissionen zu zahlen, die bei der Herstellung der Waren in Drittstaaten angefallen sind. Der Preis reduziert sich, wenn die Emissionen im Herstellungsland nachweislich bepreist wurden. Tatsächliche Emissionswerte variieren stark. So ergab eine Studie, dass der durchschnittliche Emissions-Wert für Rohaluminium aus Indien den Wert für dieselbe Ware aus Mozambique um mehr als das Vierfache übersteigt. Auch zwischen Herstellern aus demselben Herkunftsland bestehen große Unterschiede, denn es macht einen Unterschied, ob als Energiequelle Kohle oder Biogas genutzt wird und ob der benötigte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt.

Günstige Emissionsdaten werden daher von 2026 an ein Wettbewerbsvorteil sein, weil sich dadurch die Beschaffungskosten für CBAM-Waren verringern. Demgegenüber sind die Standardwerte bewusst überdurchschnittlich hoch festgelegt.

Entlang der Lieferkette

Um ab 1. Juli tatsächliche Emissionswerte berichten zu können, müssen Einführer bei ihren drittländischen Zulieferern zahlreiche Daten abfragen: In welcher Anlage wurden die Waren hergestellt? Welche Produktionsroute wurde gewählt? Welche direkten und indirekten Emissionen sind mit dem Herstellungsprozess verbunden? Wie viele Vormaterialien wurden verwendet und wie viel Treibhausgase wurden bei der Herstellung der Vormaterialien sowie bei der Herstellung der Vormaterialien der Vormaterialien emittiert? Dies gilt für große integrierte Stahlwerke ebenso wie für kleine und mittelständische Lohnveredler.

Die CBAM-Verordnung sieht horrende Strafen vor, wenn ein Unternehmen seiner Berichtspflicht trotz Aufforderung nicht oder nicht richtig nachkommt. So liegt die Bandbreite der möglichen Sanktionen beispielsweise bei Aluminiumprodukten in etwa zwischen 100 und 600 Euro pro Tonne Aluminium.

Mammutaufgabe

Viele Unternehmen bemühen sich seit längerem, diese Daten zu beschaffen. Allein: Die abzufragenden Emissionsdaten sind bei den drittländischen Zulieferern häufig gar nicht vorhanden und auch nicht kurzfristig zu beschaffen. Viele Zulieferer müssen das Emissionsmonitoring erst einrichten – eine kostspielige und zeitaufwändige Mammutaufgabe.

Aber auch Zulieferer, die bereits Emissionsdaten ermitteln haben, stehen vor Herausforderungen, denn die Berechnungsmethode der EU für CBAM weicht teilweise erheblich von den weltweit verbreiteten Standards des Greenhouse Gas Protocol ab.

Zahlreiche Akteure auf dem Markt plädieren daher wegen der kurzen Vorlaufzeiten für ein Beibehalten der Standardwerte über den 1. Juli 2024 hinaus. Das ist auch aufgrund der überstürzten Einführung des CBAM geboten. So wurden die Vorschriften zum Emissionsmonitoring erst im August 2023 verabschiedet. Die entsprechenden Handreichungen erschienen erst Ende letzten Jahres. 

Strategische Überlegungen

Bleibt es bei der aktuellen Regelung werden Unternehmen vor die Abwägung gestellt, entweder Sanktionsrisiken in Kauf zu nehmen, weil Daten nicht verfügbar sind oder auf die Beschaffung zu verzichten und damit eventuell ihre Produktion drosseln zu müssen. Letzteres würde dem Carbon Leakage Vorschub leisten, das die EU mit CBAM gerade verhindern will. Das ist weder im Sinne der Umwelt noch des Wirtschaftsstandorts EU sinnvoll. Unternehmen sollten daher weiterhin versuchen, möglichst rasch belastbare Emissionsdaten von ihren Zulieferern aus Drittstaaten zu erhalten. Dort, wo dies nicht gelingt, bedarf es einer bedachten Beschaffungsstrategie, um die Risiken für die Produktionsabläufe auf ein Mindestmaß zu begrenzen und Sanktionen zu vermeiden.

*) Dr. Hartmut Henninger ist Partner, Lars Hillmann Rechtsanwalt bei GvW Graf von Westphalen. Die Experten für Zoll & Außenhandel beraten Unternehmen zu allen wichtigen Nachhaltigkeitsthemen der Lieferkette.

Dr. Hartmut Henninger ist Partner, Lars Hillmann Rechtsanwalt bei GvW Graf von Westphalen.