„Ich glaube nicht, dass wir in Sachen ESG zu viel von den Mitarbeitern verlangen.“
Im Gespräch: Nicolas Chaput
„Eine ernsthafte Konkurrenz durch die Banken“
Umkämpftes Geschäft um Zinsanlagen – CEO von Oddo BHF Asset Management spürt großen Druck durch ESG und künstliche Intelligenz
Der CEO von Oddo BHF Asset Management, Nicolas Chaput, sieht ESG und künstliche Intelligenz (KI) als revolutionäre Entwicklungen an und erwartet, dass sie die Industrie grundlegend verändern werden. Der Assetmanager der deutsch-französischen Bank profitierte 2023 vom Trend zu Zinsanlagen.
„Was das Geschäft angeht, kann die Branche in diesem Jahr deutlich zufriedener sein als 2022“, sagt Nicolas Chaput von Oddo BHF Asset Management. Das Unternehmen konnte in Frankreich und Deutschland rund 2 Mrd. Euro einsammeln. „Das ist in Ordnung. Das meiste kam in dem Bereich Zins- und Geldmarktanlagen herein. Glücklicherweise verwalten wir rund zwei Drittel in Fixed-Income-Anlagen.“ Da sei es nun mal ein Vorteil, wenn diese Assetklassen gefragt sind. Besonders bei Investment-Grade-Anlagen habe Oddo BHF eine große Nachfrage gesehen, da man ohne allzu großes Risiko sehr gute Konditionen erhalte.
Neu disponieren
Die Lage an den Märkten werde im kommenden Jahr jedoch zu einem geänderten Anlageverhalten bei den Investoren führen. In Anbetracht der Zinskurve seien zuletzt kurzfristige Anlagen und Geldmarkttitel stark gefragt gewesen. „Viele Kunden nutzen Zinsanlagen erst einmal als Parkplatz, um abzuwarten, wie sich die Märkte entwickeln."
Chaput ergänzt: „Auf Dauer wird sich die Zinskurve normalisieren, so dass man mittelfristig neu disponieren muss.“ Den Fixed-Income-Kuchen müsse man sich natürlich mit anderen Häusern teilen. „Leider sind wir nicht die Einzigen, die von den höheren Zinsen und dem Trend zu Fixed Income profitieren. Die Konkurrenz ist groß. Nicht nur Bankeinlagen, sondern auch Schuldscheine erleben eine Renaissance. Das ist auch eine ernsthafte Konkurrenz durch die Banken.“ Diese Konkurrenz verändere die Fondsindustrie.
Nicolas Chaput, Oddo BHFSolch hohe Zinsen gab es in den letzten 15 Jahren nicht. Diese Faktoren haben eine große Wirkung auf die Portfolios.
Zinsen verändern die Branche
Die Zinsentwicklung zählt aus Sicht von Chaput zu den größten Veränderungen der letzten 15 Jahre für die Branche. „Solch hohe Zinsen gab es in den letzten 15 Jahren nicht. Diese Faktoren haben eine große Wirkung auf die Portfolios.“ Die Inflation treffe Unternehmen negativ, mit entsprechenden Rückwirkungen auf die Investments. Andererseits böten sich neue Chancen, zum Beispiel im Fixed-Income-Bereich.
Ein markanter Trend sei auch die viel stärkere Volatilität der Märkte, die Investoren zu schaffen mache. „Das hat unterschiedliche Gründe und liegt zum einen an den Marktbedingungen, zum anderen an politischen Faktoren. Klar ist, dass die Stabilität an den Märkten nicht mehr so gegeben ist wie bisher.“
In Anbetracht dieser Marktentwicklungen ist es nach Ansicht von Chaput wichtig, wieder stärker zu diversifizieren und mehr in Private-Market-Anlagen zu gehen. „Bei diesen Entwicklungen wird es in unserer Branche Gewinner und Verlierer geben. Damit wir zu den Gewinnern zählen, versuchen wir unser Bestes zu geben und den Kunden die Lösungen zu bieten, die sie brauchen.“
Zwei große Umbrüche
Zwei große Umbrüche werden nach Einschätzung von Oddo BHF in den nächsten Jahren das Assetmanagement bestimmen und das Geschäft stark verändern: ESG und künstliche Intelligenz (KI). „Die ökologische Revolution wird weitergehen. Von vielen wird dies als Belastung angesehen, beispielsweise wegen der umfangreichen Regulierung.“ Aber Regulierung gebe es für die Finanzbranche in ganz vielen Bereichen, nicht nur bei ESG. „Ich sehe durch die ökologische Revolution für unsere Industrie Chancen und Gelegenheiten zu investieren. Die Transformation wird dazu führen, dass sich neue Technologien entwickeln, und einen enormen Schub für die Wirtschaft bringen.“ In Ansätzen sei das schon in den USA erkennbar, etwa im vermeintlichen Öl-Staat Texas, wo der Inflation Reduction Act sehr geschätzt und stark in ökologische Technologien investiert werde.
Spannend werde das Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz und ökologischer Transformation. „Das wird sich an vielen Punkten befruchten.“ So habe sein Haus einen Artikel-9-Fonds aufgelegt, der sich auf Aktien im Bereich KI konzentriere.
ESG und KI zwingen die Branche dazu, neue Teams und Ressourcen aufzubauen. „Die Zeiten, in denen ein Portfoliomanager ausschließlich ein Spezialist für Finanzanalyse und Finanzzahlen war, sind vorbei“, sagt Chaput. „Die Herausforderungen bei ESG und KI fordern die Menschen. Wir trainieren die Portfoliomanager daher in diesen Feldern und haben zusätzlich spezielle Sustainability-Teams. Aber alle müssen sich mit diesen Themen auseinandersetzen.“
Nicolas Chaput, Oddo BHFIch glaube nicht, dass wir in Sachen Nachhaltigkeit und ESG zu viel von den Mitarbeitern verlangen.
Das gelte auch für Vertriebsleute, die die Bedürfnisse der Kunden verstehen müssten. Alle institutionellen Kunden würden einer entsprechenden ESG-Regulierung unterliegen, und die Vertriebsmitarbeiter müssten sich damit auskennen. „Ich glaube nicht, dass wir in Sachen Nachhaltigkeit und ESG zu viel von den Mitarbeitern verlangen. Letztlich ist es wie überall, einige Menschen werden das sofort aufnehmen, andere nach und nach lernen. Das ist also machbar.“
Skeptischer Blick nach vorn
Mit Blick nach vorn ist der Assetmanagement-Chef skeptischer. „Das nächste Jahr könnte schwieriger werden. Heikle Themen sind die weitere Entwicklung der Zinsen und die US-Wahlen. Wenn es aber gut läuft, stehen wir bereit für Kunden, die wieder in Aktien investieren möchten.“ Die Nachfrage könne man mit einer „hocheffizienten Assetmanagement-Maschine“ bedienen, die in Deutschland besonders bei Fixed Income sehr gut laufe.