Frauenpower im Vorstand von Evonik

„Wir wissen, wovon wir reden“

Evonik hat sich neue mittelfristige Finanzziele gesteckt. Die neuen Vorgaben tragen auch die Handschrift der beiden neuen Vorstandsfrauen Claudine Mollenkopf und Lauren Kjeldsen. Sie sorgen im Vorstand für frischen Wind.

„Wir wissen, wovon wir reden“

„Wir wissen, wovon wir reden“

Von Annette Becker, Essen

Pünktlich zum Kapitalmarkttag stehen die beiden neuen Vorstandsfrauen von Evonik, Lauren Kjeldsen (51) und Claudine Mollenkopf (58), ihren diversen Stakeholdern Rede und Antwort. Aufgeregt sind die beiden Chemieingenieurinnen nicht – und falls doch, verstehen sie es gut zu kaschieren. Seit zwei Monaten sitzen die beiden Frauen im Vorstand von Evonik. Die neuen mittelfristigen Finanzziele tragen folglich auch ihre Handschrift. Und wichtiger noch: Beiden ist der absolute Wille zum Erfolg gemein.

Den Auftakt machte am Montag die Führungskräftetagung, am Mittwoch folgte ein Pressegespräch, am Donnerstag waren Analysten und Investoren geladen, am nächsten Mittwoch stellen sich die beiden „Neuen“ den Fragen in der Hauptversammlung. Ein straffes Programm, doch Mollenkopf war es wichtig, dass die Führungskräfte noch vor dem Kapitalmarkttag informiert werden. Schließlich sitze man im gleichen Boot – die Ziele ließen sich nur gemeinsam erreichen.

Evonik setzt sich neue Wachstumsziele

Ausgehend vom Krisenjahr 2023 will Evonik das operative Ergebnis bis 2027 um 1 Mrd. Euro steigern, was einem Zielwert von 2,7 Mrd. Euro entspricht. Die Ergebnissteigerung soll sich zur Hälfte aus Kostensenkungen und zur Hälfte aus Wachstum speisen. Da Evonik für den laufenden Turnus mit einem bereinigten operativen Ergebnis zwischen 2 und 2,3 Mrd. Euro kalkuliert, scheinen die Vorgaben auf den ersten Blick nicht allzu ambitioniert. Diesem Eindruck treten Kjeldsen und Mollenkopf jedoch vehement entgegen. Wachstum falle Unternehmen dieser Tage nicht in den Schoß, schon gar nicht Chemieunternehmen mit großem Anlagenpark in Europa.

„Wir wollen die Marktschwäche nutzen, um das Unternehmen dorthin zu bringen, wo es schon längst sein sollte“, übt Mollenkopf leise Kritik. Dabei helfe, dass mit Kjeldsen und ihr nun zwei Führungskräfte im Vorstand sitzen, die direkt aus dem operativen Geschäft kommen und das erforderliche Gespür mitbringen, was machbar ist und was nicht. Die Leiter der Geschäftseinheiten berichten neuerdings direkt an den Vorstand. „Wir wissen, wovon wir reden und wollen kein Larifari hören“, sagt Mollenkopf und Kjeldsen ergänzt: „Wir sind KPI-getrieben.“

Lauren Kjeldsen ist Vorstand des Segments Custom Solutions. Zusätzlich verantwortet sie Innovation und die Region Americas. Quelle: Evonik Industries

Die Einsparungen von 500 Mill. Euro scheinen leichter machbar als das geforderte Wachstum, zumal darin die mit dem Effizienzprogramm „Evonik Tailor Made“ verbundenen Einsparungen von 400 Mill. Euro bis 2026 enthalten sind. Die verbleibenden 100 Mill. Euro sollen aus verschiedenen Initiativen in einzelnen Geschäftseinheiten, den Business Lines, kommen. Bis 2027 legt Evonik den Schwerpunkt klar auf die Stärkung der Bilanz. Die Kapitalverzinsung (Return on Capital Employed, Roce) wird künftig zum Maß aller Dinge. Die Rendite auf das eingesetzte Kapital soll bis 2027 auf 11% gesteigert werden. 2024 waren es 7,1%. Die logische Konsequenz: Bis 2027 stehen auch keine Akquisitionen mehr auf der Agenda. Stattdessen bringt Evonik neuerdings auch Aktienrückkäufe ins Spiel.

Kjeldsen und Mollenkopf wurden in den Vorstand geholt, um nach dem Ausscheiden von Harald Schwager wieder mehr operativen Sachverstand in das Führungsgremium zu bringen. Die beiden Vorstandsfrauen gehörten bislang dem erweiterten Vorstand an. Diese Führungsebene wurde mit dem Vorstandsumbau und der neuen organisatorischen Aufstellung gestrichen. Seither gibt es mit Custom Solutions (Kjeldsen) und Advanced Technologies (Mollenkof) nur noch zwei Segmente, auf welche die 14 Business Lines aufgeteilt sind. Es gibt zweifelsohne Überlappungen, die eine enge Zusammenarbeit der beiden Segment-Chefinnen erforderlich machen.

Sachlich, nüchtern und humorvoll

Daher ist es wohl auch mehr als Zufall, dass die Wahl auf die beiden Managerinnen fiel, die sich schon viele Jahre kennen und offensichtlich blendend verstehen. Sie sitzen nicht nur an diesem Abend Seit' an Seit', sondern auch Büro an Büro. Sie beschreiben sich als analytisch und zielorientiert. Doch trotz aller Sachlichkeit haben sie das Lachen nicht verlernt.

„Wir sitzen hier, weil wir Leistung gezeigt haben. Das verlangen wir auch von unseren Leuten“, sagt die gebürtige US-Amerikanerin Kjeldsen. Sie arbeitet seit 2015 in Deutschland und bemüht sich derzeit um die Einbürgerung der vierköpfigen Familie. Die im Elsass geborene Mollenkopf, Mutter von erwachsenen Drillingen, besitzt dagegen schon länger einen deutschen Pass. Beruflich groß geworden sind beide in der Degussa. Die promovierte Chemikerin Mollenkopf startete ihre berufliche Karriere 1996 im Katalysatorengeschäft der Degussa in Frankfurt, Kjeldsen heuerte 2002 ebenfalls im Katalysatorengeschäft der Degussa an, allerdings in Parsippany (USA).