Lieferkettengesetz

EU-Parlament prescht mit eigenem Vorschlag vor

Das EU-Parlament hat einen breiten Kompromiss für ein europäisches Lieferkettengesetz gefunden. Der Vorschlag soll in der nächsten Woche verabschiedet werden. Er fällt in vielen Bereichen schärfer aus als der deutsche Gesetzesentwurf.

EU-Parlament prescht mit eigenem Vorschlag vor

ahe Brüssel

Nachdem das Bundeskabinett sich in dieser Woche auf ein deutsches Lieferkettengesetz verständigt hat, kommt nun auch auf europäischer Ebene Bewegung in das Thema. Die EU-Kommission will zwar erst im Juni einen konkreten Gesetzvorschlag vorlegen. Aber in der kommenden Woche will bereits das Europaparlament mit einem eigenen Vorschlag erste Pflöcke einschlagen. Geplant ist die Verabschiedung einer Resolution, auf die sich in den vergangenen Wochen die Fraktionen in zum Teil schwierigen Verhandlungen mit einem umfassenden Kompromiss geeinigt hatten. Und auch wenn noch nicht alle Fragen im Detail untereinander geklärt sind: „Die Stimme des Europaparlaments wird sehr vernehmbar und sehr deutlich sein“, betont Tiemo Wölken, SPD-Abgeordneter und der rechtspolitische Sprecher der Sozialdemokraten.

Es geht darum, ein Zeichen zu setzen – gegenüber der Kommission, aber auch gegenüber den Mitgliedstaaten, die Lösungen auf nationaler Ebene suchen. Ein Flickenteppich von verschiedenen Vorgaben soll mit aller Macht vermieden werden. „Wir brauchen eine europäische Regelung, um den Binnenmarkt aufrechtzuerhalten“, sagt Axel Voss (CDU), der an dem Initiativbericht mit dem Namen „Sorgfaltspflichten und Rechenschaftspflichten von Unternehmen“ beteiligt war.

Im Gegensatz zu dem deutschen Gesetzentwurf bietet das EU-Parlament die etwas schärfere Variante. Dies betrifft den Kreis der Unternehmen und den Teil der Lieferketten, die einbezogen werden, bis hin zu Haftungsfragen.

Risikobasierter Ansatz

So sollen nach dem Willen des EU-Parlaments­ nicht nur große Unternehmen ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl einbezogen werden, sondern grundsätzlich alle im Binnenmarkt tätigen Unternehmen, wenn sie entweder börsennotiert sind oder in Sektoren arbeiten, denen ein besonders hohes Risiko in ihren Lieferketten zugeschrieben wird. Welche Bereiche dies sind, soll die Europäische Kommission noch festlegen. Die EU-Abgeordneten versprechen den Unternehmen, die Verhältnismäßigkeit zu beachten und beispielsweise auch die jeweilige Stellung der Unternehmen in der Lieferkette zu berücksichtigen. Klar ist im Berichtsentwurf des Parlaments allerdings, dass nicht nur die erste Lieferkette beachtet wird, sondern die Sorgfaltspflicht in allen Lieferketten. Auch werden Klima- und Umweltaspekte viel stärker einbezogen als im deutschen Entwurf.

Einer der letzten Streitpunkte im Parlament ist die Haftungsfrage. Zwar gibt es eine Einigung auf eine generelle Anerkennung zivilrechtlicher Haftung (die so ebenfalls in Deutschland nicht vorgesehen ist) und eine Beweisumkehr: Unter­nehmen müssen nachweisen, dass sie der Sorgfaltspflicht nachgekommen sind, sollte trotzdem ein Schaden eingetreten sein. Ob jedoch in allen Fällen EU-Recht gelten soll und wer Zugang zu den EU-Gerichten erhalten soll, ist noch offen.

Und trotz des breiten Kompromisses bleiben auch noch Kritiker, wie etwa der CSU-Abgeordnete Markus Ferber, der die deutsche Vorlage als den „realistischeren Vorschlag mit Augenmaß“ bezeichnet. Wer hingegen von dem Richtlinienvorschlag des EU-Parlaments betroffen sei, stehe­ „einem Bürokratiemonster“ gegenüber, warnt Ferber.

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