Frauen in Führungspositionen

Warum Bulgarien und Rumänien bei Vielfalt als Vorbilder dienen können

Laut dem EU Digital City Index sollten wir uns an den aufstrebenden Technologiezentren Osteuropas ein Beispiel dafür nehmen, wie die Zukunft aussehen könnte.

Warum Bulgarien und Rumänien bei Vielfalt als Vorbilder dienen können

Dass Frauen in Führungspositionen unterrepräsentiert sind, ist bekannt. Daran hat bisher auch das 2016 eingeführte Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst nichts geändert. Der Tech-Bereich sticht hier allerdings besonders negativ hervor. Woran liegt das? Die Zahlen dazu sind zunächst eindeutig: Nach Angaben von Eurostat sind von den rund 73 Millionen Beschäftigten in wissenschaftlichen und technischen Berufen in der EU im Jahr 2020 fast 37,5 Millionen Frauen – das sind 51,3% – gegenüber 35,5 Millionen oder 48,7% Männern. Der Anteil in Führungspositionen lag 2019 dem Marktforschungsunternehmen IDC zufolge allerdings weltweit nur bei 24%, 2018 bei 21%.

Trotz dieses leichten Aufwärtstrends sind Frauen noch immer nicht überzeugt von ihren Aussichten auf eine Führungsposition. Der Bericht von IDC ergab, dass 54% der Männer es für wahrscheinlicher halten, dass sie in ihrem Unternehmen in die Geschäftsleitung aufsteigen könnten. Nur ein Viertel der Frauen sagte dasselbe, wobei die Befragten einen Mangel an Unterstützung, Selbstvertrauen und Mentoren angaben.

Dabei kann sich ein höherer Frauenanteil in Führungspositionen positiv auf das Engagement und die Bindung weiblicher Mitarbeiter auswirken. In Unternehmen, in denen 50% oder mehr Leitungspositionen von Frauen besetzt sind, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie gleiche Bezahlung bieten, zudem bleiben weibliche Mitarbeiter eher länger als ein Jahr im Unternehmen, berichten über eine höhere Arbeitszufriedenheit und empfinden das Unternehmen eher als vertrauenswürdig.

Obwohl Deutschland und die Niederlande über eine hoch entwickelte Volkswirtschaft verfügen, haben sie nicht nur den niedrigsten Frauenanteil in den technischen Berufen in der EU – so eine 2018 im Psychological Science Journal veröffentlichte Studie –, sondern weisen auch das größte geschlechtsspezifische Lohngefälle auf. Dies verdeutlicht, dass das Problem sehr tief verwurzelt ist, und zeigt, dass diese Ungleichheiten auf breiter Ebene angegangen werden sollten, anstatt sich auf bestimmte Nischen zu konzentrieren.

Unbewusst voreingenommen

Stattdessen sollte mehr getan werden, um sicherzustellen, dass ein hoher Anteil von Frauen, die MINT-Fächer studieren, auch zu einem ähnlichen Anteil von Frauen führt, die im Technologiesektor tätig sind. In den USA beispielsweise arbeiten weniger als vier von zehn Absolventinnen von Informatikstudiengängen dann auch in diesem Bereich, verglichen mit mehr als der Hälfte der männlichen Absolventen von Informatikstudiengängen. Das Problem setzt sich automatisch fort, da männerdominierte Arbeitsumgebungen zumindest eine unbewusste Voreingenommenheit gegenüber weiblichen Bewerbern begünstigen können. Im schlimmsten Fall können solche Arbeitsumgebungen offen feindselig gegenüber weiblichen Beschäftigten sein.

Der Bericht „Diversity wins“ von McKinsey, der Daten von 1000 Großunternehmen in 15 Ländern im Jahr 2020 zum Thema Diversität untersucht hat, stellt fest, dass die Unter­repräsentation von Frauen in Führungspositionen für die Gesellschaft insgesamt äußerst schädlich ist und für die Unternehmen ebenso schlecht. Diese Ungleichverteilung ist auf eine Reihe von Ursachen zurückzuführen, die dringend angegangen werden sollten. Zu den Ursachen gehören demzufolge unbe­wuss­te Voreingenommenheit und die Tendenz, dass Frauen nur auf der Grundlage ihrer bisherigen Leistungen eingestellt werden, während Männer häufiger auf der Grundlage ihres künftigen Potenzials eingestellt und befördert werden. Darüber hinaus verbirgt sich hinter den langsamen Fortschritten auf dem Weg zu einer gerechteren Vertretung eine zunehmende Polarisierung zwischen den Unternehmen, die gute Fortschritte machen, und denen, die zurückbleiben.

Osteuropa als gutes Beispiel

Laut dem EU Digital City Index sollten wir uns an den aufstrebenden Technologiezentren Osteuropas ein Beispiel dafür nehmen, wie die Zukunft aussehen könnte. Bulgarien, Rumänien, Litauen und Lettland haben den höchsten Prozentsatz an weiblichen Beschäftigten in der Technologiebranche in Europa, wobei Lettland das geringste Lohngefälle zwischen den Geschlechtern in der Technologiebranche auf dem gesamten Kontinent aufweist. Die Länder, die im Technologiesektor gut abschneiden, sind auch diejenigen, die die größten Fortschritte bei der Gleichstellung in ihrer Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt machen.

Diversität gut fürs Geschäft

Vielfalt wiederum ist ein wesentlicher Faktor für jedes Unternehmen, das Produkte entwickeln will, die der modernen Gesellschaft besser dienen. Nach dem Bericht von McKinsey tritt eine Korrelation zwischen der Zunahme der Vielfalt – insbesondere auf der Führungsebene – und dem Geschäftswachstum zutage. Der Bericht zeigt, dass „Unternehmen im obersten Quartil der Geschlechtervielfalt in den Führungsteams mit 25% höherer Wahrscheinlichkeit eine überdurchschnittliche Rentabilität aufweisen als Unternehmen im vierten Quartil“. Kurz gesagt: Was gut für die Vielfalt ist, ist gut für das Geschäft.

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