Deepmind-Chef weitet Einfluss aus

Google schüttelt in KI-Wettrennen die Führungsebene durch

Der Alphabet-CEO steht wegen einer angeblich zu langsamen Kommerzialisierung von KI-Anwendungen bei Anlegern in der Kritik. Nun will er mit einer Neuaufstellung von Forschungsteams verhindern, dass der Konzern den Anschluss an Rivalen verliert.

Google schüttelt in KI-Wettrennen die Führungsebene durch

Google schüttelt in KI-Rennen Entwicklungsteams durch

xaw New York

Alphabet-CEO Sundar Pichai will eine stromlinienförmigere Struktur schaffen, um im KI-Wettrennen mit Microsoft den Anschluss zu halten. Dafür schüttelt der Vorstandschef der Google-Mutter nach Kritik an zu langsamen Fortschritten bei mittels künstlicher Intelligenz betriebenen Produkten seine Entwicklungsabteilungen durch. Alle Teams, die an entsprechenden Modellen arbeiten, werden laut einer am Donnerstag versandten Mitteilung an Mitarbeiter künftig unter dem Dach der 2014 übernommenen Programmiersparte Deepmind zusammengelegt. Damit weitet deren Gründer Demis Hassabis seinen Einfluss im Konzern noch bedeutend aus.

Der Brite gilt als Multitalent. Nach seinem Studium der Computerwissenschaften am Queens’ College der Universität Cambridge arbeitete er zunächst als Videospieldesigner, bevor er am University College London in kognitiver Neurowissenschaft promovierte und unter anderem am Massachusetts Institute of Technology und in Harvard zu dem Thema forschte. Sein Ziel: im menschlichen Hirn Inspirationen für neue KI-Algorithmen zu finden.

Peinliche Chatbot-Panne

Im Jahr 2010 rief der heute 47-Jährige die 2023 mit der Abteilung Google Brain verschmolzene Deepmind ins Leben, mit der er entscheidend an der Entwicklung des fortschrittlichsten KI-Modells von Alphabet – dem Chatbot Gemini – mitwirkte. Investoren reagierten im vergangenen Frühjahr zunächst euphorisch auf den Launch der damals noch unter dem Namen Bard vermarkteten Anwendung. Im Februar geriet der Konzern allerdings in die Kritik, weil das Bilderstellungstool des Chatbots verschiedene Ethnien und Geschlechter historisch unzutreffend darstellte. Google musste die Funktion daraufhin aussetzen. Der peinliche Zwischenfall verstärkte den Eindruck von Marktteilnehmern, dass der Suchmaschinenriese bei der KI-Entwicklung hinter Konkurrenten wie Meta Platforms sowie Technologieschmieden wie Anthropic und OpenAI zurückgefallen ist.

Letztgenanntes Start-up steht durch seinen Textgenerator ChatGPT seit November 2022 besonders im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Microsoft hat insgesamt rund 13 Mrd. Dollar in das junge Unternehmen gesteckt und sich im Gegenzug eine effektive Beteiligung an 49% der zukünftigen Gewinne gesichert. Über das vergangene Jahr hinweg hat Microsoft die Suchmaschine Bing mit OpenAI-Anwendungen ausgerüstet und den Software-Assistenten Copilot für die Office-Produktsuite aufgelegt. „Wir sind vom Reden über KI zum Einsatz von KI im großen Stil übergegangen“, betonte CEO Satya Nadella zu Jahresbeginn. Der Assetmanager Alliance Bernstein bezeichnet die KI-Produkte von Microsoft als „bedeutend fortschrittlicher als das, was vonseiten der Konkurrenz verfügbar ist“.

Alphabet hatte sich mit der Einführung neuer KI-Tools nach eigenen Angaben lange zurückgehalten, weil der Konzern „verantwortungsvoll agieren“ und keine unreifen Anwendungen auf den Markt werfen wollte. Nachdem der Druck durch Microsoft stieg, Analysten über einen Verlust der Vormachtstellung von Google im Suchmaschinenmarkt unkten und sich die Kritik der Anleger häufte, sah sich CEO Pichai zu einer schnelleren Kommerzialisierung der Technologie gezwungen.

Mit der nun beschlossenen Zusammenlegung der verschiedenen Entwicklerteams setze Alphabet „die Arbeit fort, mit der wir über das vergangene Jahr unsere Struktur zu vereinfachen und unsere Geschwindigkeit und Ausführung zu verbessern versucht haben“, teilte der Konzernchef der Belegschaft nun mit. Dies werde dabei helfen, das Smartphone-Betriebssystem Android und den Webbrowser Chrome wesentlich leistungsfähiger zu machen. Zudem würden sich somit künftig die internen Entscheidungsprozesse beschleunigen.

„Chief Scientist“ gibt Richtung vor

Denn der Machtgewinn für Deepmind-Chef Hassabis stellt nicht die einzige Veränderung dar. Jeff Dean, bisher als leitender Programmierer von Google Brain für die KI-Bemühungen des Konzerns verantwortlich, ist Pichai als neuer „Chief Scientist“ künftig direkt unterstellt und soll die strategisch bedeutsamsten technischen Projekte von Deepmind betreuen und die Richtung für die konzernweite Forschung vorgeben.

Zudem schafft Alphabet ein neues Team unter der Führung des erfahrenen Gadget-Entwicklers Rick Osterloh, das an der Software und Hardware hinter dem Chrome-Browser, der Suchmaschine, Fotoanwendungen sowie Android arbeiten soll. Der bisher für die Weiterentwicklung des Smartphone-Betriebssystems zuständige japanisch-deutsche Softwareentwickler Hiroshi Lockheimer soll sich künftig anderen Produkten widmen. Stattdessen rückt der Produktmanager Sameer Samat, der in der Vergangenheit mit Sticheleien gegen den wichtigsten Smartphone-Konkurrenten Apple aufgefallen war, ins neue Team auf.

Von Alex Wehnert, New York