GASTBEITRAG

2020 ist selektives Investieren gefragt

Börsen-Zeitung, 9.1.2020 2019 hat sich als durchaus gutes Jahr für die Aktien- wie auch die Anleihenmärkte erwiesen. Mit Blick auf die kommenden beiden Jahre dürften einige ausgewählte Anleihen-, Aktien- und Immobilienmärkte attraktive Erträge...

2020 ist selektives Investieren gefragt

2019 hat sich als durchaus gutes Jahr für die Aktien- wie auch die Anleihenmärkte erwiesen. Mit Blick auf die kommenden beiden Jahre dürften einige ausgewählte Anleihen-, Aktien- und Immobilienmärkte attraktive Erträge erzielen. Daher sollten Investoren ihre Barbestände anlegen und Umschichtungen aus defensiven Anlagen vornehmen, dabei aber selektiv vorgehen. USA hoch bewertetEin sinnvoller Ausgangspunkt sind Bewertungserwägungen. Vor allem gilt dies für Aktienanleger. Die Aktienmärkte haben sich seit dem letzten Winter schrittweise erholt. Amerikanische Aktien sind hoch bewertet und daher auf einen anhaltenden Strom von Positivmeldungen angewiesen. Die Schwellenländer und die paneuropäischen Märkte bleiben so lange attraktiv bewertet, wie die Anleger angesichts der Cashflows davon überzeugt sind, dass die Dividenden aufrechterhalten werden können. Für die meisten Staatsanleihenmärkte stellen die Bewertungen hingegen eine Belastung dar, sofern es nicht zu einer unerwarteten Rezession oder einem anderen wesentlichen Schock kommt, der umfassende Änderungen im Inflations- und Zinsumfeld nach sich zieht.Was die wirtschaftlichen Risiken anbelangt, so blicken wir zunächst auf die unterschiedlichen Belange und Ungleichgewichte in den einzelnen Ländern. Zweifelsohne bereiten einige Faktoren Sorgen, darunter die Haushaltslage in China, die Außenstände der US-Unternehmen, die Schuldensituation in einigen Schwellenländern, die Immobilienmärkte in einigen Industrieländern, das Inflationsrisiko sowie der Margendruck bei kleineren Unternehmen. Insgesamt halten wir diese Probleme aufgrund der sehr niedrigen Zinsen jedoch selbst angesichts des langsamen Wachstums für beherrschbar.Die makro- und geldpolitischen Risiken, die zum Jahreswechsel noch ausgewogener als etwa im Sommer schienen, haben sich jüngst zwar wieder verstärkt, so dass es immer wieder zu politischen und geopolitischen Schocks kommen könnte – vor allem durch die sich verschärfenden Auseinandersetzungen im Nahen Osten oder auch beim Handel zwischen den USA und China. Positiv anzumerken ist aber, dass vor allem in Europa und Japan Anzeichen für eine potenziell expansivere Fiskalpolitik in den Jahren 2020 und 2021 auszumachen sind.Eine Nebenwirkung der jüngsten geldpolitischen Lockerungsmaßnahmen in den USA und in Europa betrifft den dadurch resultierenden Schwerpunkt auf Renditen bei der Zusammenstellung erfolgreicher Portfolios. Versicherer und Pensionsfonds sehen sich mit den Auswirkungen negativ rentierender Anleihen im Umfang von 12 Bill. Dollar konfrontiert. Die Beweggründe für Equity-Income-Anlagen, Unternehmensanleihen und Immobilieninvestments sind offensichtlich – es wird ein Ertragszuwachs angestrebt, solange die künftigen Cash-flows als ausreichend gelten. Turbulenzen möglichDie lockerere Fiskalpolitik stellt nur eine mögliche Antwort auf den populistischen Druck dar, der in zahlreichen Ländern zu beobachten ist – eine verstärkte Regulierung, Handelsprotektionismus, Verstaatlichung und nationale Champions sind weitere propagierte Lösungen. Der Populismus resultiert aus Jahrzehnten mit schwachem Einkommenszuwachs, Sparzwang bei den öffentlichen Ausgaben und rückläufiger Arbeitsplatzsicherheit. 2020 könnten sich dadurch weitere politische Turbulenzen ergeben. Mögliche vorgezogene Neuwahlen in Deutschland und Italien sowie der Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen wären nur einige Beispiele. Eine offensichtliche Folge könnten vorübergehende Abschwünge an den Aktienmärkten von 10 % oder mehr sein. Bedauerlicherweise sind die verschiedenen Anlageklassen in Zeiten erhöhter Risikoaversion stark miteinander korreliert. Daher kommt der Portfoliozusammensetzung eine immer größere Bedeutung zu.Abgesehen von der Politik stellen die Cash-flows der Unternehmen 2020 nach wie vor den Haupttreiber dar. Wir gehen davon aus, dass die Gewinne hoch genug ausfallen werden, um die Dividendenerwartungen zu erfüllen, den Anstieg der Ausfallquote bei Unternehmensanleihen zu begrenzen und den von den meisten Immobilienanlegern geforderten Renditeaufschlag zu realisieren.Unsere Konjunkturprognosen sprechen für ein etwas besseres Umsatzwachstum in diesem und eine weitere Beschleunigung im darauffolgenden Jahr. Vereinfacht ausgedrückt bedeuten die 2019 vorgenommenen und für 2020 erwarteten geld- und fiskalpolitischen Lockerungsmaßnahmen, dass sich das Rezessionsrisiko in Grenzen hält. Dennoch sollte dieses auch nicht ganz vernachlässigt werden, da die Gefahr politischer Verwerfungen, wie wir gerade wieder erleben, weiter besteht. Diversifikation wichtigZusammenfassend lässt sich sagen, dass wir ein diversifiziertes Portfolio mit folgenden Merkmalen bevorzugen: Übergewichtung bei globalen Aktien (aufgrund der Wachstumsaussichten vor allem in den Schwellenländern und Japan), Engagements bei globalen Immobilienanlagen und ein selektives Vorgehen bei Unternehmensanleihen aus den Schwellenländern sowie aus dem Investment-Grade- und Hochzinsbereich. Mit wachsendem Vertrauen in die Zukunft geben wir Schwellenländeranlagen sowohl im Aktien- als auch vor allem im Anleihensegment einen maßvollen Vorzug vor Papieren aus den Industrieländern.Andrew Milligan, Global Head of Strategy bei Aberdeen Standard Investments