Bei KI-Aktien hält die Realität Schritt mit dem Hype
KI-Aktien "noch billig"
Reale Gewinnentwicklung lässt Kurssprünge hinter sich – 2024 Bremsspuren zu erwarten
Trotz erheblicher Kursgewinne im laufenden Jahr sind die mittlerweile als "KI-Werte" geltenden Aktien der US-Techriesen aus Expertensicht "noch billig". Allerdings dürfte sich die starke Outperformance von Nvidia, Microsoft, Alphabet und anderen Schwergewichten 2024 nicht in dem Maße fortsetzen, wie dies zuletzt der Fall war, glaubt Ben Laidler, Global Markets Strategist bei eToro.
hei Frankfurt
Das enorme Gewicht der sogenannten Magnificent 7 (siehe Grafik) im S&P-500-Index und deren geradezu fabelhafte Performance im Vergleich zum breiten Markt an der Wall Street hat in jüngster Zeit unter Investoren zeitweise die Angst vor einer Blase geschürt, die bald platzen könnte – etwa so wie beim Aufstieg und Fall der „Meme-Aktien“ im Jahr 2021. Während die Meme-Titel durch virale Internetphänomene und Soziale Medien in die Höhe schossen – Beispiel ist etwa der Flashmob bei Gamestop, als sich Kleinaktionäre über Internetforen sammelten und Leerverkäufer aus der Aktie drängten –, treibt seit Jahresbeginn ein ungeahnter Hype um künstliche Intelligenz (KI) insbesondere Aktien von Unternehmen, die diese Technologie vorantreiben. Das Führungschaos bei OpenAI, deren Textroboter ChatGPT den KI-Hype vor Jahresfrist maßgeblich losgetreten hat, schlug sich an der Börse unmittelbar in Kurszuckungen der Tech-Schwergewichte nieder – die Microsoft-Aktie legte zu, nachdem bekannt wurde, dass der geschasste OpenAI-Chef Sam Altman bei der Windows-Company ein neues KI-Team führen soll.
Höhenflug bei Nvidia
Unter den Kursgewinnen des gesamten KI-Sektors an der Börse ragt indes nicht Microsoft, deren Aktie 2023 rund 60% zugelegt hat, besonders heraus, sondern vor allem Nvidia. Die Titel des Chipgiganten, ohne dessen Halbleiter heute kaum eine KI-Anwendung möglich ist, haben im laufenden Jahr bereits über 230% gewonnen, Alphabet-Aktien kletterten 52% und Meta-Papiere kamen stolze 170% voran.
Aus der Sicht von Ben Laidler, Global Markets Strategist bei eToro, besteht dennoch kein Grund zur Sorge, dass sich hier eine Blase bildet. „Hier folgt die Realität dem Hype“, betont der Anlage-Experte. Er verweist auf die Umsatz- und Gewinnentwicklung bei Nvidia. „Der Kurs ist zwar 230% im laufenden Jahr gestiegen, aber der Umsatz dürfte sich mehr als verdoppeln. Allein für das dritte Geschäftsquartal wird ein Gewinnsprung von rund 400% erwartet“, betont Laidler. Damit sei die Nvidia-Aktie „aktuell noch billig“, ebenso andere KI-Titel. Der Experte verweist auf ein 12-Monats-Forward-Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von 30 bei Nvidia. Microsoft und Apple liegen auf ähnlichem Niveau. Ein Ausreißer ist lediglich Tesla, bei der sich die KI-Relevanz noch zeigen muss. Nvidia berichtet am 21. November über ihr drittes Quartal.

Rasante Akzeptanz
Bewegt werde die Fantasie bei den Papieren der KI-Unternehmen zweifellos durch die „beispiellose Wertentwicklung“ von OpenAI, „die nun im privaten Markt auf eine Bewertung von 6 Mrd. Dollar taxiert wird, ein Jahr nachdem man überhaupt erstmals von dem Unternehmen gehört hat“. Allerdings sei die rasante Geschwindigkeit, mit der die neue generative AI global angenommen wurde, „ebenfalls beispiellos“.
Die enormen Kurssprünge bei den ohnehin marktschweren Tech-Werten sind in den Augen von Laidler durchweg sehr solide untermauert. „Die Unternehmen haben wachstums- und margenstarke Geschäftsmodelle. Sie sitzen auf prall gefüllten Kassen und entpuppen sich vom Risikoprofil für Anleger zunehmend mehr als wahre Value-Titel und Growth Stocks in einem, resümiert Laidler. Allerdings gießt der Experte auch etwas Wasser in den Wein. „Im kommenden Jahr wird sich die enorme Outperformance der KI-getriebenen Schwergewichte so nicht fortsetzen“, so seine Einschätzung.
Laidler geht nämlich wie viele andere Kapitalmarktstrategen davon aus, dass sich „das Narrativ schon bald ändert“, indem die Anleger eine erneute Kehrtwende in der Zinspolitik der Notenbanken ins Auge fassen. Dies dürfte dazu führen, dass sich die Investoren allmählich wieder den „jetzt so geschwächten zyklischen Werten zuwenden, die derzeit niemand anfassen will“, so Laidler. Denn diese Aktien locken dann voraussichtlich mit Aufholpotenzial und dies werde die Nachfrage nach den Tech-Titeln etwas dämpfen.
Allerdings könnte sich dann bald „die zweite Phase“ der ganzen KI-Bonanza an der Börse zeigen. „Anleger werden dann wahrscheinlich auch nach den Titeln jener Unternehmen greifen, deren Kunden sich Beratung im Umgang mit KI erhoffen.“ Laidler denkt dabei an Aktien von SAP aber auch an globale Systemintegratoren wie IBM oder Accenture. Deren Titel weisen aktuell im Vergleich zu Big Tech sehr moderate 12-Monats-Forward-KGV aus. In einer dritten Phase dürfte sich dann der „KI-Ertrag“ auch bei den Papieren von Firmen niederschlagen, die operativ von KI-Anwendungen profitieren, und das mit einem großen Skaleneffekt. Dazu zählt der Experte vor allem Einzelhändler wie den Online-Riesen Amazon, aber mehr noch Konzerne wie Walmart, die mit die größten Lieferketten der Welt zu organisieren hätten. Ob es dazu schon 2024 kommt, muss sich zeigen.