Berenberg erwartet Aufschwung

Impffortschritte stimmen optimistisch für Märkte und Wirtschaft - Notenbanken weiter reaktionsbereit

Berenberg erwartet Aufschwung

Die Privatbank Berenberg beurteilt die Aussichten für Wirtschaft und Aktienmärkte positiv. Wichtig sei neben den Impffortschritten im Kampf gegen die Coronakrise auch eine Beruhigung des Welthandels unter dem neuen US-Präsidenten Joe Biden. Eine geldpolitische Wende sei erst ab Ende 2022 zu erwarten.xaw Frankfurt – Die Privatbank Berenberg beurteilt die ökonomischen Aussichten für das laufende Jahr und das bevorstehende Jahrzehnt äußerst optimistisch. “Wir rechnen mit einem sehr starken Wiederaufschwung ab dem zweiten Quartal des laufenden Jahres, und zwar quer durch die gesamte westliche Welt”, sagt Holger Schmieding, Chefvolkswirt von Berenberg. In der Coronakrise seien gerade dort ausgesprochen schnelle Impffortschritte zu beobachten, wo die Belastung durch die Pandemie besonders hoch sei – also insbesondere in den USA und Großbritannien. Dies lasse darauf hoffen, dass die Zahl der Patienten auf Intensivstationen abnehmen werde und das Gesundheitssystem so entlastet werde.Bereits im vierten Quartal 2020 habe die Pandemie weniger wirtschaftlichen Schaden angerichtet als befürchtet. Und im Verlauf der Krise hätten die Verbraucher hohe Zusatzersparnisse gebildet, allein in den USA habe sich deren Volumen in den ersten drei Quartalen 2020 auf 1,4 Bill. Dollar belaufen, dies sei äquivalent zu fast 10 % der gesamten Konsumausgaben des Jahres 2019. Und auch in Europa hätten die Haushalte wesentlich mehr zusätzliche Reserven gebildet als in den Vorjahren. “Wenn sie nur die Hälfte dieses Geldes ausgeben, während sich die Sparquote normalisiert, würde das in der frühen Phase des Aufschwungs erheblichen Rückenwind bedeuten”, führt Schmieding aus. Im Zusammenspiel mit dem aufgestauten Nachholbedarf bei Dienstleistungen, deren Nutzung im Verlauf der Krise nicht möglich gewesen sei, entstehe so im Sommer Potenzial für einen Konsumschub, wie er auch im dritten Quartal des vergangenen Jahres zu beobachten gewesen sei. Biden bringt RuheHinzu komme, dass sich das verarbeitende Gewerbe vermutlich weiterhin stark entwickeln werde, während Fiskal- und Geldpolitik stärkere Unterstützung für Wirtschaft und Märkte lieferten als jemals zuvor. Zudem biete der bevorstehende Amtsantritt des neuen US-Präsidenten Joe Biden Anlass zum Optimismus. Unter dessen Vorgänger Donald Trump habe die Unsicherheit in Bezug auf den Welthandel massiv zugenommen. “Dies hatte einen erheblichen Einfluss auf das verarbeitende Gewerbe und hat den europäischen Kontinent im Jahr 2019 1 % an Wachstum gekostet”, sagt Schmieding. Nun stünden aber ruhigere Zeiten bevor.Das von Biden avisierte massive Konjunkturprogramm sei für sich betrachtet positiv für den Dollar, da der zusätzliche Kapitalbedarf zu etwas höheren Renditen auf Staatsanleihen führe und dies wiederum die Attraktivität ausländischer Investitionen in die USA erhöhe. Im derzeitigen Makroumfeld aber, in dem Investoren voraussichtlich zunehmend risikoaffin gestimmt seien, werde insgesamt wohl Geld aus sicheren Häfen abfließen. Der größte dieser Häfen seien nun einmal Staatsanleihen der USA. Es sei also mit Mittelabflüssen aus Treasuries bzw. weiter steigenden Renditen und Abflüssen aus dem Währungsraum Dollar gerade in Schwellenländer zu rechnen. “Infolgedessen dürfte der Dollar abwerten, wir rechnen bis zum Ende des laufenden Jahres mit einem Anstieg des Euro auf 1,28 Dollar”, sagt Schmieding.Für ein schnelles Wirtschaftswachstum der meisten Industrie- und vieler Schwellenländer unter rekordhoher fiskal- und geldpolitischer Unterstützung dürfe die Inflation aber nicht so rapide ansteigen, dass Notenbanken früh zu kontraktiveren Maßnahmen gezwungen würden. Dies spiele auch an den Aktienmärkten, die im März des vergangenen Jahres in irrationale Panik verfallen seien und anschließend selbst die bullishen Prognosen der Berenberg-Analysten bezüglich der Entwicklung des nominalen Bruttoinlandsprodukts der Industrienationen weit hinter sich gelassen hätten (siehe Grafik), eine Rolle.Sobald die Aktienmärkte einen nachhaltigen Anstieg der Inflation einzupreisen begännen, dürfte die Outperformance der Börsen gegenüber der realwirtschaftlichen Aktivität ein Ende finden. “Ein erheblicher Teil der Inflationsbeschleunigung dürfte an den Aktienmärkten tatsächlich schon vorweggenommen sein, insgesamt besteht aber noch Luft nach oben”, kommentiert Schmieding. Der konjunkturelle Ausblick werde mehr Anleger in riskantere Anlagen treiben – zumal die Notenbanken bereitstünden, um zu verhindern, dass der wirtschaftliche Aufschwung infolge höherer Finanzierungskosten über die Rentenmärkte gedämpft werde. Das könne unter anderem geschehen, indem führende Währungshüter öffentlich betonten, mit dem Tapering keine Eile zu haben. Zwar werde es immer wieder Unruhe an den Märkten geben, diese sei allerdings verfrüht. Schließlich wolle die Fed ein längeres Überschießen der Inflationsziele dulden. Auch andere Notenbanken würden voraussichtlich abwarten, ob Inflationsanstiege längerfristig anhielten, bevor sie zu Gegenmaßnahmen übergingen. Neue Anleihekäufe möglichEs sei zwar gut möglich, dass die zehnjährige Bundrendite bis zum Ende des laufenden Jahres wieder auf 0 % anziehe. Falle der Anstieg stärker aus und weiteten sich die Spreads erheblich aus, würden die Zentralbanken insbesondere in der Eurozone dagegen mit mehr Anleihekäufen vorgehen. Dennoch seien Diskussionen um eine geldpolitische Wende unvermeidbar – allerdings stünden diese erst ab dem kommenden Jahr an. Ende 2022 oder 2023 werde der Prozess zu einer kontraktiveren Politik dann wohl beginnen.Eine Zinskurvenkontrolle seitens der Zentralbanken hält Schmieding nicht für ratsam. “Gerade in großen Volkswirtschaften ist es wichtiger, die heimische Konjunktur im Blick zu behalten und die geldpolitischen Instrumente daran auszurichten”, sagt der Volkswirt. Die Begrenzung der Staatsanleiherenditen auf einen bestimmten Wert könne der Glaubwürdigkeit der jeweiligen Notenbank schaden, wenn sich dieser Wert als verfehlt herausstelle.