Carry Trades erschweren Geldpolitik

Länder wie die Türkei und Thailand ächzen unter den Mittelzuflüssen aus Währungs-Arbitragegeschäften

Carry Trades erschweren Geldpolitik

Die erneute Lockerung der japanischen Geldpolitik lädt die Investoren zunehmend zu sogenannten Carry Trades ein. Dabei verschuldet sich ein Anleger in einer niedrig verzinsten Währung und legt in einer höher rentierenden Valuta an. Für die Empfängerländer sind diese Mittelzuflüsse mitunter ein Problem.Von Grit Beecken, Frankfurt Wenn in Tokio die Geldschleusen geöffnet werden, purzeln in Ankara die Zinsen. Zumindest in dieser Woche: Am Dienstag senkte die türkische Notenbank ihren Leitzins mit 50 Basispunkten deutlich stärker als erwartet. Der Satz liegt nun bei 5 % – damit aber immer noch weit über seinem japanischen Pendant. Daher lohnt es sich für Investoren, Yen zu verkaufen und in die türkische Lira zu investieren, also einen sogenannten Carry Trade einzugehen.Das liegt vor allem an den Wechselkursprognosen der niedrig verzinsten Valuten. “Carry Trader setzen weniger auf die Zinsdifferenz als auf die Abwertung der Finanzierungswährung”, sagt Commerzbank-Analyst Lutz Karpowitz. Schließlich steigert dieser Wertverfall den Ertrag aus dem Carry Trade zusätzlich.Neben dem Yen sind derzeit auch der Euro und der Franken beliebte Finanzierungswährungen, heißt es am Markt. Zahlen, die das belegen könnten, fehlen allerdings. “Es gibt keine Statistik über das Volumen der Carry Trades, da diese aus mehreren Geschäften bestehen, die unabhängig voneinander getätigt werden”, sagt Karpowitz. Ein Beispiel: Wer einen Carry Trade aus Yen und Baht eingehen will, muss die Yen in Dollar konvertieren, bevor er sie in Thailand investieren kann. Untragbare KursniveausDie türkische Notenbank spricht von einer Wiederbeschleunigung der Kapitalzuflüsse, die die Lira auf untragbare Kursniveaus treiben kann. Seitdem die japanische Notenbank Anfang des Monats die Geldschleusen noch weiter als ohnehin schon geöffnet hat, berichten Schwellenländer mit vergleichsweise hohen Zinssätzen von verstärkten Kapitalzuflüssen aus Carry Trades.So ist der thailändische Baht in den vergangenen Tagen auf ein 16-Jahres-Hoch geklettert, von dem er erst gestern leicht wieder abgerückt ist – allerdings nur um 0,1 %. Die Notenbank ist alarmiert: “Die Aufwertung geht zu schnell, und wir sind darüber recht besorgt”, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters den Geldpolitiker Prasarn Trairatvorakul. “Die Umsetzung von Maßnahmen wird aber Nebenwirkungen haben. Also müssen wir vorsichtig sein.”Denn Kapital aus Carry Trades gilt als “Hot Money”, das schnell wieder abgezogen werden kann. Das kann unter Umständen plötzliche Wechselkurseinbrüche auslösen – für die Notenbanken ein schwer kalkulierbares Risiko. Bei der Ratingagentur Moody’s zeigt man sich besorgt. “Hot-Money-Zuflüsse können Preisblasen entstehen lassen, die die Realwirtschaft bedrohen”, schreibt Analyst Fred Gibson. Gleichzeitig belastet der Wechselkurs die Exportwirtschaft des Landes, die Notenbank kann aber nur unter vergleichsweise hohen Risiken den Leitzins senken, weil die Wirtschaft dann zu überhitzen droht. Politische RisikenAm Markt wird erwartet, dass die quantitative Lockerung in Japan und den USA in Verbindung mit dem niedrigen Zinsniveau in der Eurozone vor allem die Schwellenländer zwingt, sich mit den Carry Trades auseinanderzusetzen und nach Lösungen für das Problem zu suchen. Moody’s-Analyst Gibson hält in Thailand beispielsweise Kapitalverkehrskontrollen für möglich. Das Szenario zeigt, dass Carry Trades neben dem Wechselkursrisiko auch politischen Risiken gegenüberstehen.Diese Gefahren müssen die Ertragschancen ausgleichen. Eine Vorstellung von der Renditeentwicklung geben entsprechende Indizes. So bildet der UBS V24 Carry Trade Index die Erträge der Kombination einer Long-Position in den Hochzinswährungen mit einer Short-Position in Währungen mit niedrigem Zinsniveau nach. Die Valuten umfassen die der G 10, den brasilianischen Real, den mexikanischen Peso, den südafrikanischen Rand sowie ausgewählte asiatische und osteuropäische Währungen. Auch J.P. Morgan, Barclays und die Deutsche Bank berechnen entsprechende Indizes.