China-Hausse am Scheideweg

Anleger fürchten reduzierte Stimulierungsbereitschaft der Regierung - Mai als kritischer Monat

China-Hausse am Scheideweg

Chinas Festlandbörsen haben im ersten Quartal trotz wackliger Konjunkturperspektiven eine unerwartet stramme Hausse hingelegt. Nun aber, da sich erste Anzeichen einer konjunkturellen Erholung manifestieren und Pekings Stimulierungspolitik zögerlicher wirkt, mehren sich die Anzeichen für eine Unterbrechung der Rally.Von Norbert Hellmann, SchanghaiAn Chinas Aktienmärkten droht die optimistische Grundstimmung flötenzugehen. Die Anleger stehen vor einem Realitätscheck mit der Frage, wie intensiv sich die Bereitschaft der chinesischen Regierung zur Anregung der Konjunkturkräfte mit fiskalischen und monetären Impulsen im weiteren Jahresverlauf darstellt. Seit Mitte April hat die im bisherigen Jahresverlauf praktisch ununterbrochene Haussestimmung Kratzer bekommen.Zwar gibt es derzeit kaum warnende Stimmen, die eine heftige Korrektur prophezeien, allerdings muss man befürchten, dass in den ersten vier Monaten des Jahres das Pulver schon weitgehend verschossen worden ist. Schließlich liegt der Blue-Chip-Index CSI 300 mit knapp 34 % vorn, beim marktbreiten Shanghai Composite sind es gut 28 %. Dies bedeutet weltweit die mit Abstand stärkste Performance unter den großen Börsen im Jahr 2019. Andererseits ist damit nur die Scharte vom Vorjahr ausgewetzt worden, als Chinas Festlandbörsen unter dem Eindruck einer Konjunkturabkühlung und des zermürbenden Handelskonflikts mit den USA fast 30 % eingebüßt hatten.Kann die Reise nun weitergehen? In der Logik der vor allem von geldpolitischen Impulsen und Regierungsprogrammen inspirierten chinesischen Anleger fehlt es nun aber an neuen Perspektiven, an denen sich Kursfantasie entzünden könnte. Zuletzt hat vor allem die Tonlage nach einer Klausursitzung des Politbüros etwas Nervosität in das Marktgeschehen gebracht. Eine Mitteilung des Lenkungsgremiums verbreitete Optimismus zur Stabilisierung der Konjunkturlage. Dies ist von den Marktteilnehmern als Signal verstanden worden, dass Pekings Wirtschaftsplaner vorerst keinen Bedarf für weitere energische Stimulierungsmaßnahmen sehen.Zu Wochenbeginn haben die Märkte denn auch einen kleinen Wackler erlebt, der CSI 300 hat binnen zwei Handelstagen rund 2,5 % eingebüßt, sich aber nach einem leichten Plus am Mittwoch bei 4 031 Punkten über der 4 000er Marke gehalten. Dabei hat ein Liquiditätseinschuss der chinesischen Zentralbank über eine mittelfristige Kreditfazilität ein wenig geholfen. Die Geldhüter wehrten sich zwar gegen Spekulationen, dass neue Mindestreservesatzsenkungen anstehen, sorgen aber mit anderen Instrumenten für eine großzügige Liquiditätsausstattung. Mit Krediten finanziertAngesichts der Anfälligkeit des chinesischen Aktienmarktes für Boom-and-Bust-Phasen und eines wachsenden Anteils an wertpapierkreditfinanzierten Engagements kann ein neuerlicher heftiger Rückschlag an den Festlandbörsen nicht ausgeschlossen werden. Die überschäumende Performance im ersten Quartal macht den Markt durchaus korrekturverdächtig, doch betonen Analysten, dass jüngste Konjunkturdaten nun fundamental abstützen. Die Erwartungen laufen darauf hinaus, dass sich das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei zuletzt 6,4 % im ersten Quartal im weiteren Jahresverlauf nicht mehr abkühlt. Hatte man zuvor befürchten müssen, dass der CSI 300 zu weit vorangeprescht ist, gibt es nun Anzeichen für eine Kräftigung auch auf Ebene der Unternehmensgewinne.Der Leiter des Aktiengeschäfts China bei der UBS, Thomas Fang, spricht mit Blick auf die fundamentale Bewertungssituation von vorsichtigem Optimismus. Nach dem jüngsten Konjunkturdatenkranz hat man im Hause UBS die Wachstumsschätzung für 2019 von 6,1 % auf nunmehr 6,4 % kräftig angehoben. Für die im CSI 300 vertretenen Werte wird nun mit einem sehr soliden Anstieg der Gewinne um 7,3 % (nach bislang 5,4 %) im Jahr 2019 gerechnet. Dabei werden vor allem Konsumwerte und Finanzdienstleister -insbesondere Broker und Versicherungsgesellschaften – favorisiert.Die Prognose für den CSI 300 zum Jahresende ist seitens der UBS von 3 800 auf 4 150 korrigiert worden, sie liegt damit in etwa auf Höhe der Konsensschätzung. Damit wird dem Blue-Chip-Index im weiteren Jahresverlauf noch eine Avance um knapp 10 % zugetraut. In den kommenden Tagen steht eine erste Belastungsprobe mit der geballten Vorlage der Ergebnisse für das erste Quartal an, die bis zum 30. April einlaufen müssen. Diese könnten einen ersten Impuls für Gewinnmitnahmen bringen. Handelsstreit als RisikoEinen besonders kritischen Faktor stellen die Handelsgespräche zwischen China und den USA dar. Sie sollen in den kommenden drei Wochen weiter vorangetrieben werden und lassen bis Anfang Juni den Abschluss eines förmlichen Deals zur Beilegung des Konflikts erwarten. Der gütliche Ausgang ist in den Kursen bereits weitgehend reflektiert. Zusätzliche Impulse für den Aktienmarkt könnte lediglich ein kompletter Wegfall der bislang von den USA verhängten Strafzölle bringen.Auch dabei aber dürfte als Maxime der Marktteilnehmer “buy on the rumour, sell on the facts” gelten. Zahlreiche Analysten empfehlen denn auch, China-Aktienpositionen im Mai eher zurückzufahren, um dann erst in der zweiten Jahreshälfte wieder breiter einzusteigen.