Das tatsächliche Kreditrisiko entscheidet, nicht die rechtliche Struktur

Investoren ist mit einer einfachen Unterscheidung am meisten gedient

Das tatsächliche Kreditrisiko entscheidet, nicht die rechtliche Struktur

Allein auf Xetra können Investoren aus weit mehr als 1 000 verschiedenen Exchange Traded Products (ETP) wählen. Aus dem ursprünglichen Angebot voll replizierender Exchange Traded Funds (ETF) ist ein breites Spektrum unterschiedlicher Produktstrukturen entstanden. Beispielsweise notieren allein im ETC-Segment aktuell mehr als 230 Produkte. Die Produktvielfalt macht auch bislang kaum investierbare oder schwer abbildbare Anlageklassen wie einige Emerging Markets, Rohstoffe oder Währungspaare einfach investierbar. Investoren schätzen dieses breite Angebot. So übersteigt das durchschnittliche monatliche Handelsvolumen im ETC-Segment bereits 900 Mill. Euro. Vergleich immer schwierigerGetrübt wird die Freude an diesem breiten Angebot allerdings durch den immer schwieriger werdenden Vergleich der unterschiedlichen Produkte und Produkteigenschaften. Insbesondere seit der Kritik des Financial Stability Board (FSB) an einigen swapbasierten Indexfonds und der Wertpapierleihe, wie sie von einigen ETF-Anbietern und auch aktiven Fondsmanagern betrieben wird, rücken die Unterschiede zwischen den einzelnen Produktstrukturen in das Blickfeld der Investoren. Sie erwarten Antworten auf ihre drängenden Fragen, wie die Kredit- oder Gegenparteirisiken eines Produktes. Dabei reichen rein rechtliche Unterscheidungen der Produktstruktur nicht aus.Die französische Universität Edhec, die seit Jahren zu börsengehandelten Indexprodukten forscht, hat in einer Studie von Anfang des Jahres hervorgehoben, dass die jeweils genutzten Instrumente, seien es Swap-Vereinbarungen oder Wertpapierleihe, nicht entscheidend sind, um die einzelnen Produktstrukturen zu unterscheiden. Vielmehr komme es auf das tatsächliche wirtschaftliche Risiko an. Denn beide Produktstrukturen sind durch die europäische Richtlinie Ucits streng reguliert, weshalb für beide maximale Gegenparteirisiken gelten. So darf das Ausfallrisiko bei swapbasierten ETF maximal 10 % betragen und liegt in der Praxis meist weit darunter. Die ETF-Anbieter besichern ihre Swap-Positionen und arbeiten vielfach bereits mit mehreren Swap-Anbietern zusammen, um Risiken zu streuen und Wettbewerbspreise für die jeweilige Swap-Vereinbarung sicherzustellen. Auch für die Wertpapierleihe definiert die europäische Richtlinie Grenzen. So dürfen maximal 20 % des Fondsvermögens an eine Gegenpartei verliehen werden, wobei mit der Hinterlegung von Kreditsicherheiten und einem effektiven Risikomanagement die Risiken aus der Wertpapierleihe zusätzlich eingegrenzt werden. Die Gegenüberstellung und Unterscheidung der Kreditrisiken von swapbasierten und voll replizierenden ETF ist daher wenig zielführend.Die Empfehlung von Edhec, sich am tatsächlichen wirtschaftlichen Risiko zu orientieren, lässt sich jedoch über den Rahmen der europäischen Richtlinie Ucits und die Unterscheidung der verschiedenen ETF-Strukturen hinaus nutzen. Sie besitzt vielmehr auch für den Vergleich von ETF mit ETC und ETN Gültigkeit, auch wenn Letztgenannte nicht den Vorgaben von Ucits entsprechen, da sie keine ausreichende Diversifikation vorsehen, sondern ein gezieltes Investment in einzelne Rohstoffe ermöglichen. Auch bei diesen Produkten ist für Investoren das tatsächliche wirtschaftliche Risiko relevant, das nicht allein von den regulatorischen Vorgaben bestimmt wird. So lassen sich mit ETP, die 100 % der zugrunde liegenden Wertpapiere halten und diese Anlagewerte nicht verleihen, jegliche Kreditrisiken wirksam ausschließen.Ursprünglich folgten ETF bei ihrem Start 1993 diesem Konzept. Damals kamen die ersten ETF als Sondervermögen mit einer exakten Abbildung der zugrunde liegenden Wertpapiere auf den Markt. Ein ähnliches Konzept wurde rund zehn Jahr später auch auf Edelmetalle übertragen, als 2003 das weltweit erste physisch hinterlegte börsengehandelte Goldprodukt angeboten wurde. Diese Produkte nutzen weder eine optimierte Abbildung noch verleihen sie die zugrunde liegenden Anlagewerte, um zusätzliche Renditen zu erzielen. Neue Anteile beispielsweise an einem physisch hinterlegten Gold-ETC werden nur im Austausch gegen das entsprechende physische Gold emittiert. Wirtschaftlich sind sie daher mit ETF, die keine Wertpapierleihe betreiben, zu vergleichen. Bei tatsächlich physisch hinterlegten Produkten können Investoren die gehaltenen Positionen vergleichsweise einfach erfassen. Denn die Produkte halten diese zu 100 % und verzichten auf jegliche Wertpapierleihe. Obwohl es sich rechtlich bei physisch hinterlegten ETC um Inhaberschuldverschreibungen handelt, schließen sie Kreditrisiken durch die physische Hinterlegung aus. Nicht immer umsetzbarFür viele Märkte und Anlageklasse ist dies auch heute noch die beste Struktur. Allerdings lässt sie sich nicht für alle Anlageklassen effektiv umsetzen. Bei Rohstoffen verfügen etwa nur Edel- und Industriemetalle über die für eine physische Lagerung notwendige Haltbarkeit, Wertbeständigkeit und Handelseigenschaften. Aber beispielsweise auch bei ETF auf Fortsetzung Seite B 6weniger liquide Aktienmärkte, wie einzelne Emerging Markets oder sehr breite Aktienindizes, ist ein physisches Investment in die zugrunde liegenden Wertpapiere nicht oder zumindest nicht vollständig möglich. Die ETC und synthetischen ETF weisen daher unabhängig von der rechtlichen Struktur ein nahezu identisches wirtschaftliches Risiko auf.Um Investments in ein breites Spektrum an Rohstoffen, aber auch für unterschiedliche Positionen auf der Futures-Kurve anbieten zu können, nutzen ETC – ähnlich wie synthetische ETF – Swap-Vereinbarungen. Sie bewerten diese täglich, wodurch sich das Ausfallrisiko aus der Swap-Vereinbarung begrenzen lässt. Auch sind die eingegangenen Swap-Vereinbarungen der Rohstoffprodukte vollständig mit Kreditsicherheiten hinterlegt. Für unabhängige Anbieter von ETP besteht hierbei kein Anreiz, wenig liquide Wertpapiere als Kreditsicherheiten zu akzeptieren. Die Überbesicherung der meisten Produkte und die Hinterlegung ausschließlich mit Anleihen höchster Bonität und liquiden Wertpapieren gewährleisten auch bei ihnen eine hohe Kreditsicherheit, die erheblich unterhalb der von Ucits gesetzten Grenze von 10 % des Anlagevermögens liegt.Zudem bieten die swapbasierten ETC Investoren eine hohe Transparenz. Anleger können die Zusammensetzung des Wertpapierportfolios jederzeit transparent nachverfolgen. So weist ETF Securities die hinterlegten Kreditsicherheiten und den Grad der Überbesicherung auf täglicher Basis auf seiner Website aus. Auch gegen einen Ausfall des Emittenten sind die Anleger abgesichert. Die einzelnen emittierenden Gesellschaften sind haftungsrechtlich strikt voneinander getrennt. Die Erträge aus den Swap-Vereinbarungen werden an die Anleger verpfändet. Falls der Emittent zahlungsunfähig ist, fordert der Treuhänder die jeweiligen Zahlungen beim Swap-Anbieter ein und zahlt die Anleger aus. Trotz ihrer rechtlichen Struktur als Schuldverschreibung grenzen damit auch besicherte ETC mögliche Kreditrisiken effektiv ein.Neben diesen besicherten ETC und ETF gibt es eine vergleichsweise kleine Gruppe unbesicherter Produkte. Hierzu zählen ETN, Zertifikate und auch die Produkte von ETFS Oil Securities Limited. Letztere sind durch Energiekontrakte von Shell Trading Switzerland hinterlegt, jedoch nicht besichert. Die meisten ETN werden dagegen direkt aus der Bankbilanz des emittierenden Instituts begeben und sind ebenfalls unbesichert. Anleger gehen mit den Produkten somit wie bei unbesicherten Zertifikaten ein volles Emittentenrisiko gegenüber dem Institut ein. Intensive DiskussionDie Diskussion um die verschiedenen börsengehandelten Produkte und ihre Regulierung ist sehr intensiv. Allerdings ist Investoren mit einer einfachen Unterscheidung zwischen physisch besicherten Produkten ohne jedes Kreditrisiko, besicherten und unbesicherten Produkten vielfach am besten gedient. Dann können sie die Vielzahl der verschiedenen Produkte einfach unterscheiden und gewinnen Klarheit über das tatsächliche wirtschaftliche Ausfallrisiko des jeweiligen Produktes. Dann wird auch deutlich, welchen hohen Standard ETF und physisch hinterlegte oder besicherte ETC bei Kreditsicherheit, Transparenz und Liquidität im Vergleich zu anderen Produkten setzen.