Der Euphorie folgt Katerstimmung

An der Mailänder Börse stehen vor allem Bankenwerte unter Druck - Aussichten nicht berauschend

Der Euphorie folgt Katerstimmung

Die Mailänder Börse konnte das hohe Wachstumstempo des ersten Quartals nicht fortsetzen. Neben weltwirtschaftlichen Unsicherheiten belasteten auch die politische Unsicherheit sowie die stagnierende Wirtschaft in Italien den Aktienmarkt. Die Aussichten gelten insgesamt als nicht berauschend.Von Gerhard Bläske, Mailand Der Feierlaune folgte der Kater. Anfang Juli war die Mailänder Börse regelrecht euphorisch. Nachdem die EU-Kommission auf die Einleitung eines Defizitverfahrens gegen Italien verzichtet hatte, waren vor allem Finanzwerte gleichsam explodiert. Jetzt herrscht Ernüchterung. Der Dauerstreit in der Regierung drückt die Kurse genauso wie drohende Handelskonflikte und die stagnierende Wirtschaft. Bis Anfang April legte der Leitindex FTSE Mib um 17 % gegenüber Jahresanfang zu. Seither stagniert er weitgehend. Per Ende Juli lag das Plus bei 16,8 %.Auf dem Börsenparkett werden seit Jahresanfang 26 Unternehmen neu gehandelt. Davon entfallen 22 auf das Kleinwertesegment AIM, dessen Kapitalisierung jedoch lediglich 6,8 Mrd. Euro beträgt. Zu den größeren Neuemissionen gehört das Initial Public Offering (IPO) des Zahlungsdienstleisters Nexi, das auch einer der größten Börsengänge Europas in diesem Jahr war. Angesichts eines Kurszuwachses von 16 % gegenüber der Erstnotierung am 16. April von 8,44 Euro ist der Start durchaus erfolgreich gewesen.Neu auf der Liste des “großen Aktienmarktes” ist auch die von dem früheren Intesa-Sanpaolo-Chef und Ex-Industrieminister Corrado Passera geleitete Digitalbank Illimity. Ebenfalls neu gelistet sind das Wohnungsunternehmen Covivio und die Italian Exhibition Group, ein Veranstalter von Messen und Kongressen in Rimini und Vicenza.Es gab auch einige Delistings. Davon entfielen sieben auf den AIM und acht auf den Hauptmarkt.Der FTSE-Mib-Index steht für 80 % der gesamten Marktkapitalisierung der Piazza Affari, wie der Aktienmarkt in Mailand auch genannt wird. Die Gesamtkapitalisierung ist mit 595 Mrd. Euro (Ende Juli) zwar höher als vor einem Jahr, aber unter den 607 Mrd. Euro vom April. Das ist wenig im Vergleich zu anderen Börsenplätzen. Bezogen auf den Wert börsennotierter Gesellschaften liegt die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt, die nur 457 (davon 125 im Kleinwertesegment AIM) Unternehmen am Aktienmarkt aufweist, damit lediglich auf Platz 19. Die Kapitalisierung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt erreicht nur die Hälfte des deutschen und ein Viertel des britischen Wertes. Wenige SchwergewichteEchte Schwergewichte gibt es nur wenige in Mailand. Gemessen an der Kapitalisierung sind das der Versorger Enel mit 62,5 Mrd. Euro und der Energiekonzern Eni mit 48,3 Mrd. Euro. Großes Gewicht haben auch die Finanzwerte, die im Verhältnis zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung dieses Sektors klar überrepräsentiert sind. So kommt Intesa Sanpaolo auf einen Börsenwert von 33,7 Mrd. Euro, Generali auf 25,8 Mrd. Euro und Unicredit auf 22 Mrd. Euro.Doch vor allem die Bankenaktien haben seit Jahresanfang größtenteils an Wert verloren. Sowohl die Aktienkurse der Großbanken Unicredit (-3 % auf 9,747 Euro) und Intesa Sanpaolo (+0,7 % auf 1,92 Euro) als auch die mittelgroßer Institute wie Ubi Banca (-9,5 % auf 2,257 Euro) und Banco BPM (-10,2 % auf 1,784 Euro) schnitten schlecht ab. Dagegen konnte die Versicherung Generali mit einem Plus von 12,7 % auf 16,345 Euro punkten. Die trüben Konjunkturaussichten und die anhaltend niedrigen Zinsen sowie der immer noch vergleichsweise hohe Zinsabstand zwischen deutschen und italienischen Staatsanleihen (Spread) belasten die Situation gerade der Banken, die ihre Kosten weiter reduzieren müssen.Zu den großen Gewinnern gehört dagegen der Finanzdienstleister Azimut (+73 % auf 16,51 Euro). Auch der Sportwagenhersteller Ferrari (+62,5 % auf 140,55 Euro) fährt ganz vorn mit. Deutlich zugelegt haben seit Jahresanfang ferner der Rüstungskonzern Leonardo (+35,6 % auf 10,415 Euro), der weltgrößte Produzent von Hörhilfen, Amplifon, (+56,9 % auf 21,82 Euro) und das Pharmaunternehmen Diasorin (+51,1 % auf 107,60 Euro). Auf der Verliererseite ist neben den genannten Finanzwerten auch Telecom Italia (TIM) zu finden. Das Unternehmen leidet nicht nur unter einem harten Wettbewerb und schlechten Zahlen, sondern auch unter dem mehr als angespannten Verhältnis zwischen seinen Großaktionären. Der Wert stagnierte bei etwa 48 Euro-Cent.Abwärts ging es auch mit der Notierung des chinesisch dominierten Reifenproduzenten Pirelli (-13,2 % auf 4,819 Euro). Zuletzt einen Aufwärtstrend zeigte dagegen Fiat Chrysler (FCA). Der Kurs des Autoherstellers steht und fällt mit Fusionsgerüchten und verzeichnet viele Aufs und Abs. Gegenüber Jahresanfang ist der Wert etwa auf dem Niveau verblieben, auf dem er zu Jahresanfang stand. Politische UnsicherheitenDie weitere Entwicklung des Aktienmarktes hängt, außer von externen Faktoren, nicht zuletzt von der politischen Entwicklung im Land selbst ab. Ein mögliches Ende der Regierung und anschließende Neuwahlen sind ebenso wenig dazu geeignet, den Aktienmarkt zu beflügeln, wie neue Konflikte mit Brüssel wegen Verstößen gegen die Defizitregeln.