Deutsche Berichtssaison enttäuscht

Überraschungsbilanz deutlich negativer als im europäischen Ausland - Brexit und Handelskonflikt belasten

Deutsche Berichtssaison enttäuscht

Die aktuelle Unternehmensberichtssaison verläuft in Deutschland sehr enttäuschend. Im Dax gibt es deutlich mehr negative Überraschungen als positive.Hinzu kommt eine Vielzahl an Gewinnwarnungen bzw. zurückhaltender Ausblicke auf dasJahr 2019.Von Christopher Kalbhenn, FrankfurtNach der Schwäche des vierten Quartals hat sich der Aktienmarkt in den ersten Wochen des Jahres erholt; der Dax hat um 7 % zugelegt. Die Erholung ist Folge einer vorangegangenen Übertreibung nach unten, wird aber auch getragen von Hoffnungen, dass die Handelskonflikte entschärft werden könnten und möglicherweise auch noch eine Last-Minute-Lösung gefunden wird, die einen Hard Brexit verhindert.An einer anderen – und für den Aktienmarkt allerdings entscheidenden Stelle – herrscht jedoch Trübsal. Die Berichtssaison in Deutschland ist bislang eine herbe Enttäuschung. In Zahlen: Nach sechs Quartalen, in denen die Dax-Unternehmen mit ihren Ergebnissen mehr positive als negative Überraschungen geliefert hatten, war der Anteil negativer Überraschungen in der Berichtssaison zum dritten Quartal 2018 mit 26,7 % über den Anteil positiver Überraschungen (23,3 %) gestiegen. In der Berichtssaison zum vierten Quartal hat sich die Bilanz dann drastisch verschlechtert. Der Anteil der positiven Überraschungen beschränkt sich bislang auf 7,7 %, während der Anteil der Dax-Firmen, die die Ergebniserwartungen der Marktteilnehmer verfehlt haben, auf nahezu 31 % gestiegen ist.Die Bilanz fällt auch deutlich schlechter aus als im europäischen Ausland. Laut Morgan Stanley haben die deutschen Konstituenten des MSCI Europe, die bislang ihre Zahlen vorgelegt haben, zu 53 % enttäuscht. Nur 13 % haben positiv überrascht. Europaweit überwiegen dagegen die positiven Überraschungen. Von den MSCI-Europe-Unternehmen, die berichtet haben, haben bislang 38 % positiv und 30 % negativ überrascht. In Frankreich liegt der Anteil positiver Überraschungen mit 53 % deutlich über dem Anteil der Firmen, die die Erwartungen verfehlt haben (7 %). Großbritannien verbuchte bislang einen Anteil positiver Überraschungen von 75 %. Eine Enttäuschung gab es bisher nicht. Allerdings ist auch das europaweite Bild nicht gerade berauschend. Tatsächlich muss das Wort Überraschung in vielen Fällen mit Anführungszeichen versehen werden. Morgan Stanley verweist darauf, dass die positive Überraschungsbilanz zu einem großen Teil darauf zurückzuführen sei, dass es kurz vor Beginn der Berichtssaison zu einer schnellen und extremen Welle an Senkungen der Konsenserwartungen gekommen ist. Zu den Branchen, die dann am deutlichsten positiv überrascht hätten, zählten auch diejenigen wie die Energie- und Materials-Sektoren, in denen die Konsensprognosen zuvor am stärksten reduziert worden seien. Während die Gewinne nun auf Kurs seien, eine positive Überraschungsbilanz zu erreichen, hinkten sie immer noch der Erlösentwicklung hinterher. Das deute darauf hin, dass sich der Margendruck der beiden vorangegangenen Quartale fortsetze.Neben den enttäuschenden Zahlen haben auch Gewinnwarnungen bzw. skeptische Ausblicke im Inland für Enttäuschung gesorgt. So sackte die Daimler-Aktie in drei Tagen um 9 % ab, nachdem das Unternehmen einen überraschend deutlichen Gewinneinbruch um 22 % ausgewiesen, die Dividende gekürzt und einen weiteren Margenrückgang prognostiziert hatte. Die Deutsche Börse zählt zwar zu den Ausnahmen, die mit ihren Zahlen positiv überrascht haben. Da der Marktbetreiber anders als ein Jahr zuvor nicht mehr einen Ergebnisanstieg von 10 % bis 15 %, sondern einen von rund 10 % prognostiziert, verlor seine Aktie nach der dieser Ankündigung 3,2 %.Als Folge der eher mauen Berichterstattung sind die Erwartungen an die Ergebnisse dieses Jahres gesenkt worden. Die Konsenserwartungen für den aggregierten Gewinn der Dax-Unternehmen, zu Jahresbeginn noch bei 961, liegt nur noch bei 922 Indexpunkten. Europaweit sieht es nicht besser aus. Wurde vor drei Monaten noch ein Gewinnwachstum für die Stoxx-Europe-600-Unternehmen von 9,1 % erwartet, geht der Konsens jetzt nur noch von 6,8 % aus.Bank of America Merrill Lynch hat sich die Belastungsfaktoren angeschaut, die die Stoxx-600-Unternehmen in der Berichtssaison nennen. Neben Währungseffekten mit 43 Nennungen und Rohstoffkosten/Inflation (35) wurden der Brexit (35) sowie Handelskrieg/Zölle zu den am häufigsten genannten Negativfaktoren. Dies verdeutlicht, wie stark eine Fortsetzung der Markterholung von Lösungen in Sachen Handelskonflikte und Brexit abhängt. Würden etwa die drohendenden US-Zölle von 25 % auf Autoimporte aus der EU umgesetzt, würde das angesichts des hohen Gewichts der Branche gerade den Dax hart treffen.