GastbeitragAnlagethema im Brennpunkt

Die versteckten Gewinner des Halbleiter-Booms durch künstliche Intelligenz

Tobias Rommel, Fondsmanager des DWS Invest Artificial Intelligence, zeigt in einem Gastbeitrag die versteckten Gewinner des Halbleiter-Booms durch künstliche Intelligenz auf.

Die versteckten Gewinner des Halbleiter-Booms durch künstliche Intelligenz

Gastbeitrag: Anlagethema im Brennpunkt (286)

Versteckte Gewinner des Halbleiter-Booms durch KI

ChatGPT hatte schon nach zwei Monaten rund 100 Millionen Nutzer, und fast ausnahmslos jedes Unternehmen, das wir derzeit besuchen, spricht von künstlicher Intelligenz (KI), eigenen Large-Language-Modellen und deren Implementierung ins operative Geschäft. Man muss keine Glaskugel besitzen, um zu erkennen, dass dies zu einem massiven Anstieg der Nachfrage nach Rechenleistung und damit nach KI-Halbleitern führen wird. In diesem Jahr dürfte der Umsatz mit KI-Halbleitern weltweit rund 43 Milliarden Dollar erreichen, innerhalb der kommenden vier Jahre sollte sich diese Summe verdreifachen. Gleichzeitig wird der Markt von einem US-Platzhirsch dominiert, auf den 2023 mit etwa 30 Milliarden Dollar rund 70% des Umsatzes entfallen sollten und der diese Chips nicht nur für teures Geld losschlägt, sondern damit auch noch eine Bruttomarge von 70 bis 80% erzielt. Doch warum ist die Stellung dieses Unternehmens im sogenannten „Accelerated Computing“ so stark? Weil ihm seine Historie als Designer von Grafik-Halbleitern in die Hände spielt. Denn diese Chips können alle Bildpunkte eines Monitors parallel berechnen, und genau diese Architektur ist für KI-Anwendungen besonders hilfreich, da diese neuronalen Netzte ebenfalls parallele Prozesse erfordern.

Angesichts hoher Preise und ordentlicher Bruttomargen machen sich die großen Cloud-Anbieter nachvollziehbarerweise derzeit allerdings intensiv Gedanken, wie sie die Halbleiter des Platzhirschs durch eigene, anwendungsspezifische Chips ersetzen können. Die Unternehmen sind dabei zwar unterschiedlich weit fortgeschritten, es dürfte aber außer Frage stehen, dass in wenigen Jahren ein erheblicher Marktanteil auf diese „Application-specific Integrated Circuits“ entfallenen wird. Dafür spricht zum Ersten, dass es sich bei den Cloud-Anbietern ebenfalls um Schwergewichte im Technologiesektor handelt. Und je größer der Markt wird, desto einfacher sollte es ihnen zum Zweiten fallen, die nötigen Millionen an Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen in die Hand zu nehmen. Genau hier kommen nun die ersten versteckten Gewinner ins Spiel. Denn die Unternehmen, die nicht über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und der Herstellung von Halbleitern verfügen, benötigen dabei die Unterstützung von Spezialisten, die das physische Design der Chips übernehmen und eng mit den Auftragsfertigern zusammenarbeiten können. Auch die Anbieter von Software, mit der Chips designt werden, könnten von dieser Entwicklung profitieren. Und nicht nur die Cloud-Anbieter könnten künftig zu deren Kundschaft gehören, sondern auch die Anbieter von Elektroautomobilen, von denen sich erst unlängst ein prominenter Vertreter dazu entschlossen hat, seine eigenen Halbleiter zu entwickeln.

Bemerkenswert ist mit Blick auf die KI-Chips noch eine andere Entwicklung: Lange Zeit wurden Halbleiter etwa alle 18 Monate kleiner und gleichzeitig leistungsfähiger. Doch diese im „Mooreschen Gesetz“ festgehaltene Dynamik hat sich in den vergangenen Jahren nicht nur bereits deutlich verlangsamt, sondern vor allem die KI-Halbleiter des US-Platzhirschs werden sogar wieder größer und wachsen dabei auch in die dritte Dimension.

Bedeutet das auch das Ende für den „Schweinezyklus“ im Halbleitersektor? Leider nicht, das belegt gerade der Preisverfall bei den unintelligenten Speicherchips, und auch bei Halbleitern für die Automobilindustrie sind die Lager jetzt wieder voller. Die Nachfrage nach smarten Chips etwa für KI-Anwendungen oder für das „Internet of Things“ dürfte jedoch längerfristig gut unterstützt sein. Nun mag man einwenden, dass auch das Angebot anziehen wird, denn um etwa die Abhängigkeit von Taiwan zu verringern, liefern sich die Regierungen der westlichen Welt schließlich einen veritablen Subventionswettlauf um die Ansiedlung von Halbleiterfabriken, was letztlich auch die Produktion befeuern sollte. Doch gemach, denn jene Unternehmen aus Taiwan, Südkorea oder den USA, die jetzt damit beginnen, in den USA und in Europa neue Kapazitäten aufzubauen, sind auch die Betreiber der bestehenden Fertigungsstätten auf Taiwan. Und die werden den Ausstoß ihrer hochwertigsten Chips wahrscheinlich so steuern, dass die Margen nicht sonderlich unter Druck kommen sollten.

Tobias Rommel

Fondsmanager
des DWS
Invest Artificial Intelligence