Digitalisierung

ESG hält in der Telekombranche Einzug

Die Telekombranche spielt als Enabler der Digitalisierung eine Schlüsselrolle. Gleichwohl richten nachhaltig orientierte Bondholder den Blick berechtigterweise auf die anstehenden Herausforderungen.

ESG hält in der Telekombranche Einzug

Von Bettina Deuscher*)

Die Telekombranche spielt mit ihren breitbandigen Übertragungsnetzen und ultraschnellen Internetzugängen als Enabler der Digitalisierung eine Schlüsselrolle. Gleichwohl richten nachhaltig orientierte Bondholder infolge des für den Netzbetrieb erforderlichen Strombedarfs den Blick berechtigterweise gerade auf die anstehenden He­rausforderungen bezüglich eines tendenziell steigenden Energiebedarfs. Die Digitalisierung wird in den nächsten Jahren mehr Breitbandnutzer bzw. -anschlüsse und vernetzte Endgeräte mit sich bringen – der Energiebedarf steigt. Gleichzeitig führt diese Entwicklung dazu, dass die Verbesserung der Energieeffizienz ein wichtiger Nachhaltigkeitstreiber der Digitalisierung bleibt, die in nahezu allen Wirtschaftsbereichen, der öffentlichen Verwaltung sowie staatlichen (Bildungs-)Institutionen Fahrt aufnimmt. Unter Nachhaltigkeitsaspekten wird die Effizienzverbesserung vom technologischen Fortschritt, den Glasfaser ermöglicht, mit dem Breitbandnetzausbau maßgeblich vorangetrieben. Internationale wissenschaftliche Studien belegen, dass glasfaserbasierte Zugangsnetze gemessen an der Bitrate um ein Vielfaches energieeffizienter sind als Zugangstechnologien auf Basis der alten Kupferdoppelader. Aber der Breitbandausbau mit Glasfaser entwickelt sich innerhalb Europas sehr heterogen. Während Lettland, Litauen, Spanien, Portugal und Schweden mit einer Glasfaserversorgung von mehr als 80% der Haushalte führend sind, bewegt sich der EU-Durchschnitt inklusive UK aktuell bei knapp 44%. In Deutschland ist der Nachholbedarf vergleichsweise hoch – die Versorgungsquote liegt bei lediglich 16%. Dies dürfte einer der Haupttreiber dafür sein, dass innerhalb der Branche die Netzbetreiber zu unterschiedlichen Zeitpunkten nachhaltige Finanzierungsinstrumente für sich entdecken. Das schließt sowohl bilateral vereinbarte Kredite mit Banken mit Nachhaltigkeitsbezug als auch die Platzierung sogenannter ESG-Bonds (Environment, So­cial, Governance) ein. Beispielsweise zählen Vodafone, Telefónica S.A., Telefónica Deutschland und Telia zu den ersten Telekomunternehmen, die in den Jahren 2019/20 den Startschuss im Bereich Sustainable Finance gaben. Seither wächst die Anzahl von Telekomunternehmen in diesem Bereich kontinuierlich, ebenso wie das ausstehende Finanzierungsvolumen.

Neben Green und Sustainability Bonds erfreuen sich dabei insbesondere Sustainability-Linked Bonds und -Kredite besonderer Beliebtheit. Bei letztgenannten wird die Zinshöhe während der Laufzeit von Nachhaltigkeitszielen bestimmt. Üblich ist ein Anstieg des Zinskupons bei Nichterreichung der Ziele.

Die Dynamik des Wachstums von Sustainable Finance bei Telekomkonzernen wird deutlich, betrachtet man das in den vorigen drei Jahren bis dato auf mehr als 17 Mrd. Euro angewachsene Volumen nachhaltiger Kredite und Bonds in diesem Sektor. Auf kumulierter Basis entfiel davon etwa die Hälfte auf Sustainability-Linked-Kredite. Etwa 8,5 Mrd. Euro waren ESG-Bonds. Letztgenannten steht ein gesamtes Bondemissionsvolumen europäischer Telekomkonzerne der vorigen zwölf Monate von rund 14 Mrd. Euro gegenüber. Davon hatten gut zwei Drittel der Bonds ESG-Bezug. Der Anteil von ESG Senior Bonds betrug 22%, rund 12% waren ESG Hybrid Bonds.

Zusätzlich sichern sich Telekomnetzbetreiber zunehmend syndizierte Kredite mit ESG-Bezug. Als weitere Finanzierungsquelle dienen diese Mittel in erster Linie zur Abdeckung schwankender kurz­fristiger Working-Capital-Spitzen. Dabei ragte voriges Jahr insbesondere ein Telekomunternehmen aus der Reihe hervor: Telecom Italia vereinbarte im Juni vergangenen Jahres mit insgesamt 25 nationalen und internationalen Banken eine Sustainability-Linked Revolving Credit Facility in Höhe von 4 Mrd. Euro – die bislang höchste ESG-bezogene Kreditfazilität innerhalb der Telekombranche. Darüber hinaus beschäftigten sich in den vorigen Monaten auch andere Telekomunternehmen mit Neuvereinbarungen sogenannter Sustainability-Linked Revolving Credit Facilities, u.a. Elisa und KPN. Mit Blick auf Elisas Bilanzvolumen be­wegte sich deren ESG-Linked-Kreditvolumen im niedrigen dreistelligen Millionenbereich. KPN vereinbarte eine Sustainability-Linked Re­­volving Credit Facility über 1 Mrd. Euro.

Neue Gesichter

Der Blick auf die ESG-Bondemissionen im zurückliegenden Jahr zeigt sowohl bekannte als auch neue Gesichter. Nach bereits zwei Green-Bond-Emissionen in den Jahren 2019 (1 Mrd. Euro) und 2020 (500 Mill. Euro) kann man Spaniens Nummer 1, Telefónica, bereits zu den Wiederholungsemittenten zählen. Im vergangenen Jahr platzierte der Telekomkonzern gleich zwei Sustainability Hybrid Bonds in Höhe von insgesamt 1,75 Mrd. Euro. Nachhaltig orientierte Bondholder können vor allem an Telefónicas führender Marktposition bei Glasfaser partizipieren. Die angestrebte komplette Glasfaserabdeckung in Spanien soll bereits bis Ende 2025 realisiert sein. Anders als in Deutschland waren in Spanien historisch bedingt keine riesigen Kupferkabelinvestitionen zu schützen. Telefónica setzte daher viel früher bei ihrer Netzmodernisierung auf Glasfaser als ökologisch effizienteres Medium. Darüber hinaus wird unter Ratingaspekten aufgrund der 50-prozentigen Eigenkapitalanrechnung des nachrangigen Hybridkapitals das Investment-Grade-Rating zusätzlich ab­gesichert. Parallel dazu ist Telefónica derzeit mit Entschuldungsmaßnahmen be­fasst.

Zu den Newcomern am europäischen ESG-Markt zählten CK Hutchison, der Mutterkonzern des Mobilfunkanbieters Three, sowie Proximus und KPN. CK Hutchison stellte im Herbst vergangenen Jahres ihr Sustainable Finance Framework vor und platzierte kurz darauf bereits den ersten Green Bond in Höhe von 500 Mill. Euro (Kupon 1%, Laufzeit 2.11.2033). Ebenfalls kurz vor Jahresende emittierte zudem der in Belgien beheimatete Proximus-Konzern erstmals einen Green Bond in Höhe von 750 Mill. Euro (0,75%, 17.11.2036).

Eine weitere Premiere betraf die bislang noch nicht in der Telekombranche vorhandenen Sustainability-Linked Bonds (SLBs). Debütant eines SLB mit 700 Mill. Euro war KPN (0,875%, 15.11.2033). Das betreffende SLB-Framework stellte KPN im November vor. Es wird ein Step-up-Kupon in Höhe von 0,375% ab 2031 fällig, sollte KPN bis Ende 2030 die angestrebte 30-%-CO2-Reduzierung gegenüber dem Ausgangsjahr 2014 verfehlen.

Die derzeit erhöhte Investitionsbereitschaft in Ländern mit Nachholbedarf bei Glasfaser dürfte 2022 ein anhaltendes Wachstum von ESG-Neuemissionen von Telekomkonzernen mit sich bringen. Außer Emittenten wie Telekom Austria, Telenor oder BT Group ist auch die Deutsche Telekom bisher noch nicht am ESG-Markt vertreten. Letztgenannte legte aber bereits im Sommer vorigen Jahres mit der Vorstellung ihres Sustainability-Linked Bond Financing Framework den entsprechenden Grundstein. Es erscheint daher insbesondere für nachhaltig orientierte Investoren lohnenswert, künftige Neuemissionen aus der Telekombranche genauer unter die Lupe zu nehmen.

*) Bettina Deuscher ist Senior-Analystin bei der Landesbank Baden-Württemberg.

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