Eskalation am Golf treibt Ölpreis
Der Ölpreis ist am Donnerstag stark gestiegen, nachdem es Angriffe auf zwei Tanker nahe der Meeresenge von Hormus gegeben hat. Befürchtet wird, dass die Ereignisse die Spannungen in der Region deutlich verstärken und sogar zu einem Krieg der USA gegen den Iran führen könnten.Von Dieter Kuckelkorn, FrankfurtDie Eskalation der politischen und militärischen Lage rund um die Meeresenge von Hormus hat den Ölpreis am Donnerstag deutlich nach oben getrieben. Die Notierung der weltweit wichtigsten Sorte Brent Crude zog um 2,9 % auf 61,69 Dollar je Barrel an. In der Spitze erreichte sie sogar 62,64 Dollar (+4,5 %). Vorher war der Preis mit Blick auf den Anstieg der US-Lagerbestände noch mit 59,78 Dollar auf den niedrigsten Stand seit fünf Monaten gefallen.Im Golf von Oman außerhalb der Straße von Hormus hat es Angriffe auf zwei Tanker gegeben. Zwei der Schiffe gerieten etwa 50 Kilometer südlich des iranischen Hafens Bandar-e Jask in Brand, so dass die Besatzung von Bord gehen musste. Die Besetzungen beider Schiffe wurden von iranischen Schiffen aufgenommen. Auffällig ist, dass es sich bei einem der Schiffe um den unter der Fahne von Panama fahrenden japanischen Tanker Kokuka Courageous handelt, der eine Ladung Methanol von Al Jabil in Saudi-Arabien nach Singapur bringen sollte. Zeitgleich findet der Staatsbesuch des japanischen Premierministers Shinzo Abe im Iran statt, wo dieser im Streit zwischen Washington und Teheran vermitteln soll.US-Präsident Donald Trump hatte zuletzt seine kriegerische Rhetorik gegen den Iran zurückgefahren und direkte Verhandlungen zwischen den beiden Staaten ohne Vorbedingungen angeboten. Die iranische Regierung betont allerdings bislang, dass sie erst zu Verhandlungen bereit sei, wenn die USA ihre aus iranische Sicht illegalen Sanktionen beenden. Vor dem Abe-Besuch war bereits Bundesaußenminister Heiko Maas nach Teheran entsandt worden, um die Iraner zu Konzessionen zu bewegen.Einige Marktteilnehmer vermuten, dass es sich bei dem möglichen Angriff auf die Tanker um eine gezielte Provokation von Hardlinern innerhalb der US-Administration oder – was noch wahrscheinlicher ist – von deren regionalen Verbündeten handeln könnte, die den zunehmenden Einfluss des Iran in der Region mit militärischen Mitteln brechen wollen.In den vergangenen Wochen hatte es Berichte aus Washington gegeben, dass der Einfluss von Falken wie dem Sicherheitsberater John Bolton und dem Außenminister Mike Pompeo auf Präsident Trump nachgelassen hat, nachdem dieser von andere Beratern auf die weitreichenden ökonomischen Folgen eines Kriegs zwischen den USA und dem Iran hingewiesen worden ist. So wird davon ausgegangen, dass der Iran im Kriegsfall die Meeresenge von Hormus sperrt, was er nach internationalem Seerecht auch darf, weil die zugewiesenen Fahrspuren für Schiffe in der Straße von Hormus in iranischen Hoheitsgewässern verlaufen und der Iran eine UN-Konvention über Passagerechte nicht ratifiziert hat. Befürchtet wird, dass der Ölpreis in diesem Fall über 100 Dollar und vielleicht sogar über 200 Dollar springt, weil rund 30 % der von Tanker bewegten Ölmengen und Flüssiggastransporte bzw. rund 20 % des gesamten weltweiten Rohölangebots durch die Meeresenge gehen. Dies könnte eine globale Rezession auslösen und möglicherweise sogar eine neue weltweite Finanzkrise wegen der großen Zahl von ausstehenden Derivate-Kontrakte auf Rohöl und Ölprodukte. “Mehr als verdächtig”Dass es sich bei den Angriffen um eine Provokation durch Hardliner innerhalb der iranischen Führung handelt, gilt als eher unwahrscheinlich, da sich auch der als konservativer Hardliner geltende iranische Religionsführer Ali Khamenei mit Abe trifft und da es derzeit hinter den Kulissen intensive diplomatische Bemühungen um eine Deeskalation zwischen den USA und dem Iran gibt. Der iranische Außenminister Javad Zarif bezeichnete das zeitliche Zusammentreffen des Abe-Besuchs und des Angriffs auf den japanischen Tanker als “mehr als verdächtig”. Die US-Nachrichtenagentur Bloomberg äußerte in einem Kommentar die Meinung, dass der Iran durch eine Provokation zum gegenwärtigen Zeitpunkt nichts zu gewinnen habe.Hinsichtlich des japanischen Tankers sprach der zuständige deutsche Flottenmanager und -dienstleister Bernhard Schulte Shipmanagement von einem “möglichen Angriff”, wobei es ein Loch im Rumpf gebe. In Brand geraten ist auch der Tanker Front Altair, der der norwegischen Reederei Frontline gehört. Die Frontline-Aktie verzeichnete am Donnerstag an der Börse Oslo einen auffälligen Kurssprung von rund 8 %, nachdem am Vortag stark unter Druck geraten war, ohne dass dafür eine Erklärung ersichtlich gewesen wäre. Die staatliche taiwanesische Ölgesellschaft CPC, die den unter Flagge der Marshall-Inseln fahrenden Tanker für einen Transport von Rohbenzin gechartert hat, sprach von einem “mutmaßlichen Treffer mit einem Torpedo”. Bei der Kokuka Courageous war in Schifffahrtskreisen von einem Angriff mit einer magnetischen Mine die Rede.Die in der Region operierende fünfte Flotte der US-Marine gab bekannt, ihre Schiffe seien zu Hilfe gerufen worden wegen “berichteter Angriffe”. In dem betroffenen Seegebiet hält sich derzeit der US-Flugzeugträger CVN-72 Abraham Lincoln mit einem Flottenverband auf. Dass sich diese “Carrier Strike Group” nicht im Persischen Golf aufhält, wo der Flugzeugträger ein leichtes Ziel für iranische Vergeltungsangriffe wäre, gilt als Hinweis darauf, dass es einen Angriff auf den Iran geben könnte. Bolton hatte bei Beschädigungen von vier Tanker vor der Küste der Vereinigten Arabischen Emirate am 29. Mai bereits davon gesprochen, diese seien “beinahe sicher” durch iranische Seeminen verursacht worden, ohne jedoch Beweise dafür vorzulegen. Aus dem Weißen Haus hieß es lediglich, Trump sei über die Lage informiert. Angebotsrisiken ignoriertDie Rohstoffexperten des ETF-Spezialisten Wisdom Tree gehen davon aus, dass der Ölpreis weiter steigt: “Die neuerlichen Angriffe könnten der Katalysator sein, der das Öl aus der Baisse der letzten Wochen herausholt”, schreibt Nitesh Shah, Director Research von Wisdom Tree. Die Märkte konzentrierten sich auf steigende US-Lagerbestände und die Bedrohung der Nachfrage durch Handelskriege, ignorierten jedoch die Angebotsrisiken. “Die Kontinuität der Versorgung sollte natürlich nicht als selbstverständlich angenommen werden”, betont er.