Gamestop trotz Hype im Niedergang
Von Dieter Kuckelkorn, Frankfurt
Es gibt in den USA einen recht großen Einzelhändler für Computerspiele, der börsennotiert ist. Das Unternehmen, es heißt übrigens Gamestop, hat zwar in den USA unter Gamern einen relativ hohen Bekanntheitsgrad, weil viele der heute jüngeren Erwachsenen als Teenager in den Gamestop-Filialen ihre Computerspiele gekauft haben. Als Anleger musste man das Unternehmen bis vor kurzem aber nicht unbedingt kennen.
Dass dann ab Anfang Januar quasi die Apokalypse über die Aktie hereinbrach und das Unternehmen mittlerweile einen globalen Bekanntheitsgrad wie die gehypten FAANG-Technologieaktien aufweist, konnte man vor wenigen Wochen noch nicht ahnen. Hedgefonds nahmen sich die Aktie vor und bauten enorm hohe Leerverkaufspositionen auf, die zeitweise mehr als die Gesamtanzahl der ausgegebenen Aktien ausmachten – nämlich bis zu 140%. So etwas ist übrigens auch in den USA illegal, letztlich aber von den Behörden schwer nachzuweisen, selbst wenn diese ein Interesse daran gehabt hätten, derartige Praktiken zu stoppen.
Wegen des hohen Bekanntheitsgrades der Aktie in der Gamer-Community entging diese Entwicklung einer großen Gruppierung über das Internet koordinierter jüngerer Privatanleger indes nicht, die jetzt die einmalige Gelegenheit sahen, mit der Wall Street diverse offene Rechnungen zu begleichen. Darum soll es hier aber nicht gehen, sondern stattdessen um die Aktie, die letztlich nur das Vehikel für den Machtkampf an der Wall Street ist.
Analysten skeptisch
Aus Sicht der Analysten musste man auch vor dem Beginn der Turbulenzen nicht in der Aktie investiert sein. So rieten die wenigen Analysten, die die Aktie auf ihrem Radarschirm hatten, vor drei Monaten überwiegend dazu, die Aktie im Portfolio zu halten oder zu verkaufen. Es gab eine einzige Kaufempfehlung, dafür aber fünf Einstufungen mit „Hold“, eine mit „Underweight“ und zwei mit „Sell“. Aktuell lässt sich keine höhere Zuneigung der Analysten feststellen. Die eine Kaufempfehlung ist weggefallen, es gibt auch nur noch vier Einstufungen mit „Hold“, dafür inzwischen aber drei Verkaufsempfehlungen. Das durchschnittliche Kursziel für die Aktie in zwölf Monaten wird von den Analysten bei 13,44 Dollar gesehen.
Enttäuschende Perspektive
Dies liefe gegenüber dem aktuellen Kursniveau von 83 Dollar oder gar gegenüber dem jüngsten Rekordhoch von deutlich mehr als 400 Dollar auf eine äußerst enttäuschende Kursentwicklung hinaus. Aber auch gegenüber dem von den Turbulenzen noch unbeeinflussten Kurs vom Jahresanfang von 17,25 Dollar wäre das nicht gerade eine zufriedenstellende Perspektive für Anleger. Die angegriffenen Hedgefonds sahen die Zukunft des Unternehmens sehr negativ, bei einer Pleite des Unternehmens hätten sie beispielsweise mit ihren Leerverkaufspositionen enorme Gewinne eingestrichen.
Gamestop geht auf einen Softwarehändler namens Babbage’s aus den 1980er Jahren zurück. Nach einer Fusion firmierte das Unternehmen zeitweise als Neostar Retail Group. 1999 wurde die Firma von dem großen Buchhändler Barns & Noble für 215 Mill. Dollar gekauft. Zusammengefügt mit einem weiteren Computerspielehändler namens Funco wurde das Unternehmen dann 2002 unter dem neuen Namen Gamestop an die Börse gebracht.
Der damalige Aufschwung des Unternehmens ist auch darauf zurückzuführen, dass mit gebrauchten Spielen und gebrauchter Hardware zu günstigen Preisen gehandelt wurde. Der stark expandierende Online-Handel führte dann jedoch ab 2016 zu einem Niedergang des Unternehmens und des Börsenwertes. Vor dem Beginn des Hypes kam das Unternehmen auf einen Börsenwert von 1,3 Mrd. Dollar, im Rahmen der Turbulenzen waren es zeitweise mehr als 30 Mrd. Dollar.
Schließung von Filialen
2012 gab es bereits die ersten Schließungen von mehreren Hundert Filialen. Eine ähnliche Anzahl von Geschäftsstellen wurde ab 2017 dichtgemacht. 2019 kann das Unternehmen mit 794,8 Mill. Dollar auf den bis dahin größten Verlust der Unternehmensgeschichte. 2019 war dann die Rede davon, dass weitere 200 Filialen geschlossen werden sollen. Die Covid-19-Pandemie setzt seither dem Unternehmen zusätzlich zu. Für 2020 lief ein Verlust von 464,4 Mill. Dollar auf, bei einem Umsatzrückgang um 22% auf 6,47 Mrd. Dollar. 2019 war das Unternehmen noch auf Erlöse von 8,3 Mrd. Dollar gekommen und 2016 von 9,4 Mrd. Dollar. Der Trend weist also eindeutig nach unten.
Starke Online-Konkurrenz
Das Unternehmen leidet nicht nur darunter, dass der Anteil des Online-Handels auf Kosten des stationären Einzelhandels zunimmt. Von noch größerer Bedeutung dürfte sein, dass die Hersteller von Computerspielen diese zunehmend über eigene Plattformen wie Steam vermarkten, was den Einzelhändlern genauso wenig Raum lässt wie den Kinoketten für Spielfilme. Dass das Unternehmen in die Gewinnzone zurückkehrt, damit rechnen die Analysten auch für 2021 nicht. Sie erwarten für den laufenden Turnus einen Verlust je Aktie von 2,18 Dollar.
Seit ungefähr 2018 rechnen viele Beobachter damit, dass das Unternehmen nach einem Investor für eine Übernahme suchen könnte. Es ist allerdings fraglich, worin der Wert des Unternehmens für einen Investor gesehen werden könnte. Vor allem aber dürfte das aktuelle, mit fundamentalen Gegebenheiten in keiner Weise zu rechtfertigende Kursniveau eine Übernahme unmöglich machen, so dass das Unternehmen auf sich selbst gestellt sein dürfte.
Keine Kaufempfehlung
Wie schon die Tatsache, dass es keine einzige Kaufempfehlung gibt, klarmacht, stehen die Chancen für eine Sanierung des Unternehmens nicht nur nach Einschätzung vieler Analysten – und Hedgefonds – nicht allzu gut. Daher ist nicht auszuschließen, dass sich Spekulanten bald ein neues Objekt für ihre Leerverkäufe und aktivistische Privatanleger ein solches für ihre Attacken auf Hedgefonds und das US-Finanzsystem suchen.