Italien schlägt Spanien am Aktienmarkt

Korrelation zwischen Euro-Ländern lässt nach

Italien schlägt Spanien am Aktienmarkt

Bloomberg London – Bei europäischen Aktien war die Auswahl bis vor kurzem einfach: Entweder man entschied sich für stabile Märkte, die von der Schuldenkrise des Euroraums nicht betroffen waren, oder für riskantere Märkte, deren Aktien billiger gehandelt wurden. Aber in diesem Jahr ist alles anders: Aktien aus der sogenannten Euro-Peripherie, beispielsweise aus Italien und Irland, haben sich in diesem Jahr bislang besser entwickelt als Titel aus Deutschland und anderen “Kern”-Ländern der Währungsunion. Die jeweiligen Aktienmärkte reagieren unterschiedlich auf diverse marktbewegende Faktoren, darunter die Konjunkturabkühlung in China, Wahlen und Unternehmensskandale.Italienische Aktien steuern für dieses Jahr erstmals in elf Jahren auf eine bessere Wertentwicklung als deutsche Aktien zu. In Irland verzeichnet der Aktienmarkt das beste Jahr seit 2013. Dagegen ist das Börsenbarometer Ibex 35 in Spanien, das sich in den vergangenen zwei Jahren jeweils in die gleiche Richtung wie der italienische Benchmarkindex FTSE MIB bewegte, eingebrochen. Peripherie-Risiko sinktDiese Unterschiede werden anhalten, sagt Javier Barrio von Banco BPI in Madrid. “Im Moment sind die für jedes Land spezifischen Faktoren das Wichtigste”, erläutert der Aktienhändler. “Die Analyse mit Bezug auf Euro-Kernland oder Peripherie ist jetzt weniger relevant. Ich denke, dass man das Peripherie-Risiko nicht mehr so wie während der Krise bewerten kann.”Während die Anleger auf dem Höhepunkt der europäischen Kreditkrise deutsche und französische Aktien den Titeln aus Irland und Portugal vorgezogen haben, sind inzwischen lokale Faktoren entscheidend. Dazu gehören beispielsweise Wahlen in Spanien und Portugal sowie Nachrichten zu einzelnen Unternehmen. Zudem profitieren die Märkte der Peripherie weiterhin von der Ankündigung der Europäischen Zentralbank (EZB), Unterstützung zu leisten.Allerdings ist in diesem Jahr die Wette, dass die quantitative Lockerung der EZB eine breite Rally an den Aktienmärkten der Region auslösen wird, schlecht gelaufen. Stattdessen haben die Turbulenzen in Asien deutsche Exporttitel belastet, und die Unsicherheit über eine Zinserhöhung der Federal Reserve hat Zweifel an der Euroschwäche, die der Konjunktur in der Region Schub verlieh, aufkommen lassen. Seit März legt die Gemeinschaftswährung gegenüber dem Dollar zu. Das Wachstum in den Ländern der Region ist noch nicht gefestigt, so dass Investoren Aktien sorgfältig auswählen müssen.In Deutschland ist der Dax von seinem Rekord im April angesichts der Konjunkturflaute in China – dem größten deutschen Handelspartner außerhalb Westeuropas – um 24 % eingebrochen. Der Skandal um die Abgasmanipulationen bei Volkswagen und Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen des Atomausstiegs auf die Versorger Eon und RWE haben Schwergewichte im Index belastet. Dagegen sind die Kurse von Industrieunternehmen im französischen CAC 40 gestiegen und haben dem Pariser Leitindex zu einem Gewinn in diesem Jahr verholfen. Hohes NachholpotenzialAuch in Italien hat der Leitindex FTSE MIB deutlich zugelegt, wobei Investoren mit weiteren Kursgewinnen rechnen. Allerdings liegt das Börsenbarometer trotz eines Anstiegs um 8,3 % im laufenden Jahr noch 54 % unter dem Hoch von 2007. Der Dax hingegen markierte dieses Jahr 27-mal ein neues Allzeithoch, bevor er im April zur Talfahrt ansetzte. Italien “kommt von einem niedrigeren Basiswert”, sagt Joe Tracy, Leiter Aktien Kontinentaleuropa bei Svenska Handelsbanken. Das Land habe wenig Exportunternehmen, die wie in Deutschland die Wirtschaft anführten, erläutert er.Aber nicht überall in der Peripherie sieht es rosig aus. In Spanien hat der Ibex 35-Index seit Jahresbeginn 9,6 % eingebüßt. Hintergrund sind Befürchtungen, dass mit Podemos eine Partei, deren Programm gegen die Spar- und Reformpolitik gerichtet ist, an Bedeutung gewinnt. Die Aktie der größten spanischen Bank Santander steht zudem unter Druck, da Anleger befürchten, dass sie sich damit schwertun wird, ihre Kapitalquoten denen der Konkurrenten anzugleichen. Firmendaten wieder wichtigPeter Fitzgerald von Aviva Investors rechnet mit einem weiteren Schwinden der Korrelation zwischen den europäischen Aktienmärkten, da die Händler sich mehr auf unternehmensspezifische Nachrichten konzentrieren als auf breitere wirtschaftliche Risiken in der Region. “Einen großen Unterschied zwischen dem Kern und der Peripherie der Eurozone wird es nur dann geben, wenn die Krise wiederkommt”, erklärt Fitzgerald, Leiter Multi-Asset-Strategie bei Aviva in London. “In einer Krise ist das Länderrisiko wichtiger, aber wenn die Krise beendet ist, betrachten die Anleger die einzelnen Unternehmen stärker.”