GASTBEITRAG ZUR SERIE: ANLAGETHEMA IM BRENNPUNKT (56)

Januareffekt - Irrationalität mit Aussagekraft?

Börsen-Zeitung, 30.1.2019 Die Aktienmarktprognosen für 2019 liegen inzwischen zahlreich vor. Spannend wird sein, welche dieser unzähligen Meinungen am Ende Recht behalten wird. Wünschenswert wäre ein Indikator, der schon am Anfang eines Jahres eine...

Januareffekt - Irrationalität mit Aussagekraft?

Die Aktienmarktprognosen für 2019 liegen inzwischen zahlreich vor. Spannend wird sein, welche dieser unzähligen Meinungen am Ende Recht behalten wird. Wünschenswert wäre ein Indikator, der schon am Anfang eines Jahres eine treffsichere Indikation über den weiteren Verlauf der Aktienmärkte liefern könnte. Selbstverständlich gibt es diesen Indikator nicht.Aber es lohnt sich ein Blick auf Kapitalmarktanomalien. Hierzu zählt der sogenannte Januareffekt. Dieser im Bereich der “Behavioral Finance” angesiedelte Effekt lässt sich nicht anhand rationaler Investorenhandlungen – bezogen auf den fundamentalen Wert von Aktien – erklären, sondern eher durch verhaltenspsychologische Muster. Unerklärte RenditenDer Januareffekt besagt, dass im Monat Januar überdurchschnittliche und unerklärte Renditen am Aktienmarkt erzielt werden. Erstmals wurde diese Anomalie 1942 vom US-Banker S.B. Wachtel erwähnt. Er bezog den Effekt auf Small-Cap-Aktien, die im Vorjahr stark gefallen waren. Dies hätte anhand geringer Liquidität in Kombination mit Nachfrageschocks erklärt werden können. Später kam man von der Small-Cap-Betrachtung ab und mutmaßte, dass die Aktienmärkte in den ersten Jahreswochen grundsätzlich höhere Renditen erzielen würden – eine Kalenderanomalie also.Erklärungsansätze für den Januareffekt setzen meist dort an, wo die klassische rationale Aktienbewertung endet. Ein optimiertes Steuerverhalten von Privatanlegern, das “Tax-Loss-Selling”, wird oftmals als Erklärung angeführt. Demnach realisieren Anleger gegen Ende des Jahres Aktienverluste, um diese steuerlich geltend zu machen. Zu Beginn des nächsten Jahres werden die verkauften Titel zurückgekauft oder die Liquidität anderweitig in den Aktienmarkt investiert. Ein preisrelevanter Nachfrageschock entsteht.Zusätzlich wird das “Window-Dressing” erwähnt. Es besagt, dass Aktienanleger gegen Jahresende ihr Portfolio “aufhübschen” und Verlierer verkaufen. Die Erlöse werden dann ganz oder nur teilweise im neuen Jahr reinvestiert. Dies verursacht ebenfalls eine gesteigerte Nachfrage im Januar, die von Preisrelevanz sein kann.In diesem Kontext ist unsere Vorgehensweise in der Analyse wie folgt: Zunächst untersuchen wir die Januarperformance des Stoxx Europe 600 und des S&P 500 über die letzten 31 Jahre auf die Existenz des Januareffektes. In einem zweiten Schritt prüfen wir, ob die Aktienmarkt-Performance im Januar einen Hinweis für die jeweilige Gesamtjahresperformance gibt und daraus eine erfolgversprechende Strategie abgeleitet werden kann (“Januarstrategie”). Der Zeitraum wurde so gewählt, weil er die längste saubere Datenlage liefert.Die Grafik verdeutlicht zunächst, dass annualisierte Januarrenditen in Europa (Säule B) über denen des Gesamtjahres liegen (Säule A) – der Januareffekt also bestätigt werden kann. Das Gegenteil ist auf der anderen Seite des Atlantiks der Fall. Das verwundert, da der Januareffekt in der Literatur häufig für die USA gezeigt wurde. Die Januarstrategie lehnt sich an eine amerikanische Börsenweisheit – “As goes January, so goes the year” – an.Aber wie hat es in der Historie tatsächlich ausgesehen? In unserer Analyse definieren wir folgende “Januarstrategie”: Wenn der Januar positive Aktienmarktrenditen erwirtschaftet, wird in den restlichen elf Monaten (also ab Februar) in den jeweiligen Aktienindex investiert. Diese Position wird zu Jahresende wieder geschlossen, um die Renditen des nächsten Januars abzuwarten. Differenzierter BlickUm den Erfolg der Januarstrategie zu beurteilen, ist ein differenzierter Blick erforderlich. Zwar sind die Renditen in den Jahren, in denen die Strategie eine Investition vorgibt, tatsächlich höher als die kontinuierlichen jährlichen Renditen.Ein Investor verdient diese Renditen aber nicht jedes Jahr, sondern nur dann, wenn der Januar positiv abgeschlossen wird. Dieser Umstand war in den beiden hier betrachteten Aktienindizes in 19 von 31 Jahren der Fall. Dies führt dazu, dass die über den gesamten Betrachtungszeitraum annualisierte Rendite der Januarstrategie geringer wird als die Rendite eines kontinuierlichen Investments über die komplette Zeit hinweg. Die Säule C verdeutlicht dies: Der schraffierte Teil stellt die annualisierte Rendite der Januarstrategie über den kompletten Betrachtungszeitraum (31 Jahre) dar (5,4 % für Europa, 8 % für USA), während die gesamte Säule die annualisierte Rendite der Januarstrategie über die (nur) 19 tatsächlichen Anwendungsjahre abträgt (9 % für Europa, 13,3 % für USA).Historisch zeigt sich schließlich, dass positive Januarrenditen mit einer hohen Wahrscheinlichkeit (Europa/Stoxx Europe 600: 74 %; Amerika/S&P 500: 79 %) im Durchschnitt positive Renditen über die restlichen elf Monate implizieren. Häufig werden hierbei sogar noch höhere Wahrscheinlichkeiten ausgewiesen. Diese leiden jedoch unter dem sogenannten “Look-Ahead Bias”, da man die Januarrendite mit einbezieht und somit Informationen nutzt, die zum Beobachtungszeitpunkt noch gar nicht verfügbar gewesen sind. Die hohe Wahrscheinlichkeit von Preisanstiegen im weiteren Jahresverlauf ist nicht zuletzt dem Fakt geschuldet, dass der langfristige Aktienmarkttrend dafür sorgt, dass positive Renditen häufiger vorkommen als negative.Der Januareffekt selbst konnte in unserer Analyse für europäische Aktien nachgewiesen werden, nicht aber für amerikanische.Die gewisse Unschärfe der Effektformulierung in zeitlicher Dimension lässt viel Spielraum hinsichtlich des tatsächlichen Zeitraums, in dem der Effekt stattfindet. Das Ergebnis könnte sich bedeutsam ändern, würde man nur Teilzeiträume im Januar betrachten. Das Timing ist also auch hier nicht zu unterschätzen.—– 19.1.: Frontier-Märkte machen strategisch Sinn in Multiasset-Portfolios, Berenberg (55)- 12.1.: Die prognostische Relevanz des “CEO-Indikators”, Metzler (54)—-Marco Höchst, Werkstudent Hauck & Aufhäuser Privatbankiers