Kühler Empfang für neue Präsidentin
Von Martin Fritz, TokioDer Aktienmarkt in Seoul tritt seit Jahresbeginn auf der Stelle. Für einen kräftigen Anstieg der Notierungen wäre ein stärkeres Engagement ausländischer Anleger notwendig. Die halten sich aber wegen der enttäuschenden Gewinnentwicklung und der Won-Aufwertung zurück. Auch die Pläne der neuen Regierungschefin für die Wirtschaft scheinen daran nichts zu ändern.Der zum Wochenbeginn vollzogene Wachwechsel von Lee Myung-Bak zu Park Geun-Hye im Blauen Haus, dem Präsidentenpalast in Seoul, hat den koreanischen Aktienmarkt kaltgelassen. Der Leitindex Kospi gab um 0,5 % nach und schloss bei 2 010 Zählern. Seit Jahresanfang behauptet der Index somit einen enttäuschenden Zuwachs von 0,6 %. Bis zum Rekordhoch vom Mai 2011 fehlen ihm nach wie vor rund 10 %.Mit dem von vielen Analysten erwarteten Ende des nachhaltigen Kursanstiegs bei Samsung Electronics, deren Titel ein Fünftel des gesamten Kospi-Börsenwertes repräsentieren, scheint das Interesse an Korea insgesamt abzukühlen. Die Anteile des weltgrößten Elektronikkonzerns legten seit Anfang Januar lediglich um weitere 0,5 % zu.Die 61-jährige Park ist die älteste Tochter des Ex-Diktators Park Chung-Hee, der als Vater des Wirtschaftswunders gilt. Als eine ihrer vordringlichsten Aufgaben nannte die neue Präsidentin anlässlich ihrer Vereidigung die Belebung der Konjunktur. Dies wolle sie durch eine “kreative Wirtschaft und wirtschaftliche Demokratisierung” erreichen. Im Wahlkampf hatte sie vielsagend eine “Glücksära für das Volk” versprochen, der Anteil der Mittelschicht soll demnach auf 70 % wachsen. Anders als ihr Vorgänger wolle Frau Park jedoch weniger die Exportorientierung der Wirtschaft fördern, sondern den einheimischen Dienstleistungssektor stützen, meinen die Analysten von Barclays. Zugleich will sie die Sozialausgaben erhöhen, kleine Firmen fördern, die private Verschuldung eindämmen und Arbeitsplätze schaffen. Trübe GewinnentwicklungVoraussichtlich schon im März wird ihre neue Regierung ein Konjunkturpaket im Volumen von 9 Bill. Won (6 Mrd. Euro) mit entsprechenden Schwerpunkten schnüren. Ein Fonds im Volumen von 18 Bill. Won soll Firmen mit Krediten stützen. Die Bank of Korea (BoK) erwartet für Asiens viertgrößte Wirtschaft im laufenden Jahr ein Wachstum von 2,8 % nach 2 % im Vorjahr. Dies liegt indes immer noch deutlich unterhalb der durchschnittliche Rate von 4,3 % für die Jahre 2002 bis 2007. Ein solches Wachstum werde das Land allerdings so schnell nicht wieder erreichen, heißt es bei der Notenbank: Das Wachstum werde “für eine beträchtliche” Zeit unter dem Wachstumspotenzial von 3,8 % liegen, prognostizierte deren Gouverneur Kim Choong-Soo. Südkorea ist zu 50 % vom Export abhängig.Den Trend an Koreas Aktienmarkt bestimmen ausländische Anleger, die sich stark an den Firmengewinnen und dem Wechselkurs zwischen Won und Yen orientieren. An beiden Fronten zeigt die Korea AG Schwächen. Drei Viertel der Firmen verfehlten die Gewinnerwartungen für das Schlussquartal 2012. Laut der Schweizer Großbank UBS lag der Betriebsgewinn bei 30 Top-Aktien (ohne Samsung Electronics) im Schnitt um 22 % unter den Konsensprognosen und 13 % unter dem Vorjahreswert. In der letzten Januar-Woche schrumpfte – in Reaktion darauf – das in Fonds angelegte Vermögen um 5 %. In absoluten Zahlen lag der Mittelabfluss mit 671 Mill. Dollar so hoch wie zuletzt im Jahr 2009.Zu den wichtigsten Gründen für die schwache Gewinnentwicklung zählt die Aufwertung des Won. Allein am Montag stieg die Devise um 0,8 % gegenüber dem Yen. Seit Oktober verteuerte sich der Won somit bereits um 23 % zum Yen, und er zog auch gegenüber anderen Währungen an. Dies macht es für Koreas Exportsektor zunehmend schwierig, seine Produkte zu verkaufen.Die koreanische Exportausrichtung auf Autos, Elektronik und Maschinenbau ähnelt der Japans. Der operative Ertrag von Samsung Electronics zum Beispiel schrumpfte zwischen Oktober und Dezember wegen der Won-Aufwertung um 360 Mrd. Won. Für 2013 erwartet der weltgrößte Elektronikkonzern wegen der Won-Stärke 2,8 Mrd. Dollar weniger Betriebsgewinn. Dennoch hält sich Korea mit lauter Kritik zurück, vor allem weil der Won zum Yen immer noch 20 % niedriger bewertet ist als vor der Finanzkrise. Auch dieser verbliebene Vorteil könnte jedoch noch schwinden. Während Japan seine Geldhähne weit aufdrehen will, plant die Bank of Korea nach der Absenkung des Leitzinses im Oktober um einen Viertelpunkt auf 2,75 % in diesem Jahr keine weiteren Zinsschritte.Als zusätzlicher Belastungsfaktor droht nach Ansicht von Barclays außerdem der Abfluss von rund 9 Mrd. Dollar aus Südkorea, da die Vanguard Group ihrem Indexfonds für Schwellenländer neuerdings an den Vorgaben der FTSE Group orientiert. Anders als der Indexanbieter MSCI stuft FTSE Südkorea nicht als Schwellenland ein. Analysten sehen bei gut aufgestellten Konzernen gleichwohl Chancen für Investoren. Die UBS sieht bei Samsung Electronics und Hyundai Motor ein hohes Aufwärtspotenzial von 35,5 % bzw. 25 % und rät bei beiden Titeln zum Kauf. Zu den Favoriten der Bank zählen außerdem Com 2 uS, Hana Financial Group, LG Chemical, SKY Hynix und SK Innovation.